Streptococcus-Phage T12
„Streptococcus-Phage T12“ (englisch „Streptococcus pyogenes phage T12“, „Streptococcus phage T12“) ist eine vorgeschlagene Spezies von Viren, die die Bakterienart Streptococcus pyogenes infizieren (Bakteriophagen). Der natürlich vorkommende Wildtyp (Typusstamm) wird mit Bacteriophage T12 oder kurz Phage T12 bezeichnet. Die Spezies gehört zur Familie Drexlerviridae in der Klasse Caudoviricetes (Viren mit Kopf-Schwanz-Struktur, hier vom Morphotyp der Siphoviren).[3] Der Phage T12 wandelt einen an sich harmlosen Bakterienstamm in einen krankmachenden, virulenten Stamm um. Es trägt das speA-Gen, das für das Erythrogene Toxin A (en. erythrogenic toxin A, speA oder SPE-A abgekürzt) kodiert.[4] speA wird auch als Streptococcus-pyogenes-Exotoxin A, Scharlach-Toxin A oder einfach Scharlach-Toxin (en. scarlatina toxin) bezeichnet.[5][6][Anmerkung 1] Im Unterschied zu anderen Bakteriophagen mit lytischem Reproduktionszyklus, an dessen Ende das Virus durch Platzen der Wirtszelle freigesetzt und diese dabei abgetötet wird, liegt bei T12 ein so genannter lysogener Reproduktionszyklus vor. Dieser zeichnet sich durch die Fähigkeit des Virus-Genoms aus, Teil des Genoms der Wirtszelle zu werden und dort über Generationen stabil erhalten zu bleiben.[7] Phagen mit einem lysogenen Zyklus werden auch als temperente Phagen bezeichnet.[4] Durch diese Lysogenie, d. h. Integration des T12-Genoms (inklusive des speA-Gens) in das Bakteriengenom, kann das Bakterium jetzt das Erythrogene Toxin A produzieren. Damit ist ein harmloser, nicht-virulenter Stamm von Streptococcus pyogenes in einen virulenten Stamm umgewandelt. Bakteriophage T12 ist zum Prototyp erklärt worden für alle verwandten Bakteriophagen mit dem speA-Gen, die S. pyogenes befallen. D. h., dass auch sein Genom prototypisch für die Genome aller solcher Phagen ist.[8] Es gilt damit als Hauptverdächtiger, die Kinderkrankheit Scharlach zu verursachen.[7] ForschungsgeschichteDie Möglichkeit, dass Bakteriophagen an der speA-Produktion beteiligt sind, wurde erstmals 1926 vorgeschlagen. Damals berichteten J. Cantacuzène und O. Boncieu, dass nicht-virulente Stämme von S. pyogenes durch ein übertragbares Element (en. some transferable element) in virulente Stämme transformiert wurden,[9] und M. Frobisher und J. H. Brown berichteten im darauf folgenden Jahr (1927) über ähnliche Ergebnisse. Diese Forschungsergebnisse wurden 1949 wurden durch K. F. Bingel bestätigt.[10][11][12] Im Jahr 1964 berichtete John B. Zabriskie, dass der Phage T12 die speA-Produktion durch Lysogenese in Stämmen verursachen konnte, d. h. wenn er in deren Genom eingegliedert wurde.[13][14] Johnson, Schlievert und Watson konnten 1980 dies bestätigen und zeigen, dass das Gen für die speA-Produktion von toxigenen (das Toxin produzierenden) Bakterienstämmen durch Lysogenese auf nicht-toxigene Stämme übertragen wurde. Sie zeigten, dass jede das Toxin produzierende Bakterienkolonie lysogen war, also das entsprechende Gen (speA) von T12 enthielt. Umgekehrt war keine der Kolonien, die das T12-Gen enthielten, negativ für das speA Toxin.[15] Larry McKane und Joseph J. Ferretti bestätigten dies nochmals 1981, indem sie zeigten, dass der nicht-toxigene (kein Toxin produzierende, ungefährliche) S. pyogenes-Stamm T253 nach Infektion mit dem Bakteriophagen T12 den lysogenen Stamm T253(T12) bildet, der das Toxin (speA) produziert. Sie zeigten weiter, dass die Eigenschaft der Lysogenität alleine nicht ausreicht, das Gift zu produzieren:
Nur T12 und nahe verwandte Stämme wie T12cp1 bewirkten also, dass die infizierten Bakterien das Toxin bilden konnten.[18] Im Jahr 1983 veröffentlichten Lane P. Johnson und Patrick M. Schlievert eine Karte des T12-Genoms.[14] Im Jahr darauf fanden Johnson und Schlievert sowie Weeks und Ferretti unabhängig voneinander, dass der Bakteriophage T12 das Gen (genannt speA) für das Toxin (Protein) speA trägt.[11][19] 1986 fanden Johnson, Tomai und Schlievert heraus, dass im Genom von T12 gleich neben dem Toxin-Gen speA ein Abschnitt (attP genannt) liegt, der für die Anheftung der Phage-DNA an die Bakterien-DNA verantwortlich ist. Sie stellten zudem fest, dass alle Bakterienstämme, die das Toxin produzieren, entweder den Phagen T12 selbst oder einen eng verwandten Bakteriophagen tragen.[7] Schließlich publizierten McShan und Ferretti 1997, dass sie eine zweite Anheftungsstelle (attR) für T12 gefunden hatten. In einer weiteren Publikation zusammen mit Y. F. Tang enthüllten sie, dass der Bakteriophage T12 sich im Wirtsbakterium in ein Gen einfügt, das für eine Serin-tRNA kodiert.[4][8] GenomDas T12-Genom erwies sich als kreisförmig mit einer Gesamtlänge von 36,0 kb (Kilobasenpaare).[14] Das Phagengenom trägt das speA-Gen[19] mit einer Länge von 1,7 kbp, flankiert vom Gen für die Restriktionsenzyme SalI und HindIII.[11] Das Phagen-Integrase-Gen (int) und das Gen für die Phagen-Anheftung (attP) befinden sich im Phagengenom direkt in Leserichtung aufwärts von speA. Der Bakteriophage T12 integriert sich in das Genom von S. pyogenes durch Rekombination in die Anticodon-Schleife eines Gens, das für die Serin-tRNA kodiert: Die bakterielle Anheftungsstelle (attB) hat eine 96 Basenpaare lange Sequenz, die homolog zur Phagen-Anheftungsstelle attP ist und sich am 3'-Ende des tRNA-Gens befindet, so dass die kodierende Sequenz des tRNA-Gens nach der Integration des Phagen zum Prophagen intakt bleibt. Der Phage T12 ist das erste Beispiel für einen Phagen aus einem gram-positiven bakteriellen Wirt mit niedrigem GC-Gehalt, der diese Art von Integration (englisch site specific recombination[20]) verwendet.[4][8] SystematikFür die vorgeschlagene Spezies „Streptococcus-Phage T12“ gibt es (wie auch für die oben erwähnte „Streptococcus-Phage A25“) derzeit (Stand Juli 2022) keine Gattungs- oder Familienzuweisung, nor die Zugehörigkeit zur Klasse Caudoviricetes gilt wegen ihres Siphoviren-Morphotyps als sicher. Die Spezies beinhaltet die folgenden Virusstämme:[18]
PathogeneseKrankheiten wie Scharlach und das Streptokokken-induzierte Toxische Schocksyndrom (StrepTSS oder STSS) werden durch lysogenisierte Streptokokkenstämme verursacht, die das Toxin speA produzieren. Die Krankheiten sind systemische Reaktionen auf das im Körper zirkulierende Toxin.[21] ScharlachScharlach, auch Scarlatina genannt, wird so wegen des charakteristischen hellroten Ausschlags genannt. Es tritt am häufigsten bei Kindern zwischen vier und acht Jahren auf.[22][23][24][25] Streptokokken-induziertes TSSBeim Streptokokken-induzierten Toxischen Schocksyndrom (StrepTSS oder STSS) wirkt das von infizierten Streptokokkenstämmen produzierte speA als Superantigen und interagiert mit menschlichen Monozyten und T-Lymphozyten, was die T-Zell-Proliferation und die Produktion von Monokinen bzw. Zytokinen (wie z. B. Tumornekrosefaktor α – TNFα, Interleukin-1, Interleukin-6) und Lymphokinen (wie z. B. Tumornekrosefaktor β – TNFβ, Interleukin 2 und Gamma-Interferon) induziert. Diese Zytokine (TNFα, TNFβ) scheinen das für die Krankheit charakteristische Fieber, den Schock und das Organversagen zu vermitteln.[21][26][27] Diagnose und TherapieDas Vorhandensein des lysogenen Bakteriophagen T12 kann durch Plaque-Assays getestet werden, wenn der verwendete Indikatorstamm für den zu testenden Phagen empfindlich ist. Plaque-Assays bestehen darin, eine Agarlösung mit einem Indikatorstamm auf eine Agarplatte zu gießen. Der Indikatorstamm sollte ein Bakterienstamm sein, der von dem nachzuweisenden Phagen infiziert werden kann. Nachdem der Weichagar ausgehärtet ist, werden die Proben, die auf das Vorhandensein von Phagen getestet werden sollen, auf die Agarplatten aufgetragen. Die Platten werden dann über Nacht bebrütet und am nächsten Tag auf Klärungen (Plaques) überprüft. Wenn der Phage vorhanden ist, werden die Indikatorstämme infiziert und durchlaufen, während die Platten bebrütet werden, den normalen lysogenen Zyklus. Danach werden sie lysiert, wodurch die Plaquen entstehen. Die Titer der Plaques können durch Verdünnen der Proben und Zählen der plaquebildenden Einheiten (englisch plaque-forming units, PFUs) ermittelt werden.[28] Es können auch biochemische Tests wie Southern Blots verwendet werden, um das vom Phagen aus dem speA-Gen produzierte speA-Toxin nachzuweisen. Dies wurde erstmals bei diesem Toxin von Johnson, Tomai und Schlievert im Jahr 1985 durchgeführt, indem die DNA von Streptokokkenstämmen isoliert und ein Restriktionsverdau mit dem Restriktionsenzym BglII durchgeführt wurde. Nachdem der Verdau abgeschlossen war, wurden die DNA-Proben auf ein Gel gegeben, um die DNA zu trennen. Die DNA aus diesem Gel wurde dann auf Nitrozellulosepapier übertragen und mit für speA spezifischen Sonden inkubiert[Anmerkung 5].[7] Bakteriophagen werden sehr leicht verbreitet.[29] Bei geringer Exposition kann ultraviolettes Licht die Produktion sowohl des Phagen T12 als auch von speA steigern.[6] Längere UV-Expositionszeiten können den Phagen abtöten. UV-Licht stresst lysogene Bakterien, was dazu führt, dass sich die Phagen vermehren und die bakteriellen Wirtszellen aufplatzen (Lyse).[30] Im Fall von T12 erhöht die Exposition mit UV-Licht die Vermehrung des Bakteriophagen T12 bei 20 Sekunden Exposition. Nach 20 Sekunden Exposition beginnt das UV-Licht, den Bakteriophagen zu töten, indem es ihr Genom schädigt.[13] Weitergehende Forschung
Anmerkungen
Einzelnachweise
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