St. Severin (Keitum)Die Kirche St. Severin ist eine evangelisch-lutherische Kirche in Keitum auf Sylt. Sie erhielt ihren Namen nach Severin von Köln, einem Bischof aus dem 4. Jahrhundert. Die Kirche steht abseits des Ortes auf der höchsten Erhebung des Sylter Geestkerns. An dieser Stelle befand sich in vorchristlicher Zeit ein Freya geweihtes Heiligtum. 1240 ist die Kirche erstmals urkundlich erwähnt. Amtliche Untersuchungen der Denkmalpflege haben ergeben, dass die Errichtung des Dachstuhles der Kirche auf das Jahr 1216 datiert werden kann. Laut Heimreichs Chronik wurde die Kirche bereits im 11. Jahrhundert erbaut. Blei und Tuffstein zur Errichtung der Kirche ließ König Knut der Große im Jahre 1017 hierherbringen. Der Sage nach errichtete der englische Baumeister vier Kirchen gleichzeitig: die Kirche in Keitum, St. Johannis in Nieblum auf Föhr, die Alte Kirche im äußersten Westen der Insel Pellworm und die alte Kirche von Tating auf Eiderstedt. BauDas Kirchenschiff, der deutlich schmalere Chor und die halbrunde Apsis sind die ältesten Teile der Kirche. Sie stammen aus der romanischen Periode. Das Mauerwerk besteht im unteren Bereich aus Granitquadern, darüber wurden rheinischer Tuffstein und Backstein verwendet. Verschiedene Friese zieren die Wände: Treppenfriese befinden sich unmittelbar unter den Traufen von Schiff und Apsis. Darunter schließt sich beim Schiff ein Rautengitterfries an, bei der Apsis ein Doppelrundbogenfries. Die Apsis ist außerdem durch Lisenen gegliedert. Die Dächer der alten Gebäudeteile sind mit Blei gedeckt. Die Baumaterialien und der Grundaufbau finden sich auch in der kleineren Nachbarkirche St. Martin in Morsum wieder. Der um 1450 errichtete spätgotische Turm setzt sich mit seinem roten Backstein und dem Ziegeldach deutlich von den älteren Bauteilen ab. Er ist das einzige backsteingotische Baudenkmal auf Sylt. In alten Zeiten wurde er auch als Zufluchtsort genutzt. Da er durch seine exponierte Lage weithin sichtbar ist, diente er den Seefahrern früher als Landmarke. Nach einem Unglück im Jahre 1740 wurde der Innenraum zugemauert und erst 1981 wieder geöffnet, er dient jetzt als Eingangshalle zur Kirche. An der Südseite ist ein kleines, ebenfalls bleigedecktes Vorhaus angefügt, das als Karfaster bezeichnet wird. Es handelt sich um ein sogenanntes „Karhaus“. Der Begriff stammt von der mittelalterlichen carina, auch Karene genannt. Es steht mit dem Fasten und Kirchenbußen „Karfaster“ in Verbindung und wurde später als Gefängnis genutzt. 1979 wurde es zur Sakristei umgebaut. InnenraumDas Schiff hat zwei Emporen, die Westempore von 1699 und die Nordempore von 1724. Die Nordempore überragt die nördlichen unteren Bankreihen bis zum Mittelgang, während die südlichen Bankreihen frei stehen. Turmhalle, Schiff und Chor sind flach gedeckt, die Apsis weist ein Halbkuppelgewölbe auf. AusstattungTaufsteinDer Taufstein ist das älteste Stück der Kirche. Entstehungszeit ist das 12./13. Jahrhundert,[1] die Kirchengemeinde gibt ungefähr das Jahr 1000 an.[2] Er besteht aus rheinischem Sandstein vermutlich aus der Bentheimer Region. Die zylindrische Kuppa ist mit einem Rankenornament versehen. Der quadratische Sockel zeigt vier Löwen. FlügelaltarIn der Apsis befindet sich der dreiteilige Schnitzaltar. Er stammt aus der Zeit der Spätgotik um 1480 – möglicherweise aus der Schule des unbekannten Lübecker Imperialissima-Meisters.[3] Im Mittelschrein ist der Gnadenstuhl dargestellt: Gottvater präsentiert der Gemeinde den auferstandenen Christus. Die beiden Seitenfiguren sind Maria mit dem Kind und der Bischof St. Severin. Skulpturen der zwölf Apostel sind in den Seitenflügeln zu sehen. Die Predella zeigt ein barockes Gemälde des Abendmahls aus der Zeit um 1705. KanzelDie Renaissancekanzel von 1580 kommt ursprünglich aus Mögeltondern. Sie wurde 1699 vom Pastorenehepaar Gruppius der Kirche geschenkt. In den Kanzelkorb wurden nachträglich Ecksäulen, Relieffiguren und Adelswappen eingefügt. Die Figuren stellen christliche Tugenden dar: Fides (Glaube), Temperantia (Mäßigung) und Iusticia (Gerechtigkeit). Der Schalldeckel der Kanzel ist sechsseitig. In den Giebeln sind Kopfmedaillons zu sehen. Gemälde und Plastiken
OrgelDie neue Orgel ersetzt das Vorgängerinstrument von 1787. Sie wurde 1999 von der Firma Mühleisen in Leonberg erbaut. Sie ist mit 46 klingenden Registern die größte Kirchenorgel in Nordfriesland.
KronleuchterDie aus Messing bestehenden Leuchter wurden in den Niederlanden hergestellt und in den Jahren 1683, 1698 und 1700 von Kapitänen gestiftet. GlockenDie Keitumer Kirche verfügt über drei Glocken:
RestaurierungWegen Befalls durch den Bunten Pochkäfer wird die Kirche im Herbst 2017 renoviert. Die Maßnahme wird durch zusätzliche Mittel aus dem Denkmalschutzsonderprogramm 2017 unterstützt.[4] FriedhofUm die Kirche herum befindet sich der Friedhof von St. Severin.[5] An diesem Ort wurden bereits in vorchristlicher Zeit Tote bestattet und hier wurden germanische Götter verehrt. Aus dieser Zeit stammt der Brunnenstein neben der Apsis der Kirche. Vermutlich handelte es sich dabei um einen der Göttin Freya gewidmeten Kultstein. In christlicher Zeit bis 1991 diente er als Schwellenstein vor der Nordtür der Kirche. Rund um die Kirche befinden sich historische Grabsteine. Die ältesten stammen aus dem 17. Jahrhundert. Einige tragen lediglich das Todesjahr und die Initialen der Verstorbenen, während andere reich verziert sind und vom Leben und Wirken wohlhabender Keitumer Familien erzählen, darunter Seefahrer und Kapitäne. Auf dem Friedhof sind einige namhafte Persönlichkeiten bestattet wie Rudolf Augstein (1923–2002), Peter Suhrkamp (1891–1959), Fritz J. Raddatz (1931–2015), Peter Lühr (1906–1988) und Gerhard Schröder (1910–1989). Zeitgenössische Kunstwerke an den Wegen des Friedhofs laden zur Besinnung ein: am Westeingang des Friedhofs die Statue „Totengedenken“ des Künstlers Ernest Igl aus den 1980er Jahren, südlich der Kirche die Bronzeskulptur „Komtur“ (eine Gestalt mit einem „Mantel des Gewissens“ als leere Hülle) der aus Böhmen stammenden Künstlerin Anna Chromy, am nördlichen Ende des Friedhofs die Figur „Boot“ des Hamburger Bildhauers Ludger Trautmann (geb. 1958) aus dem Jahr 2006, an der Nordwand der Friedhofskapelle das 1968 entstandene Fliesenbild „Garten Eden“ von Dieter Röttger, am südöstlichen Eingang des Friedhofs die Holzskulptur „Der gute Hirte“ von Ulrich Lindow (geb. 1949) aus dem Jahr 2002.
Literatur
WeblinksCommons: St. Severin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
Koordinaten: 54° 54′ 7,2″ N, 8° 21′ 49,6″ O |