St. Johannes Evangelist (Cappenberg)Die Stiftskirche St. Johannes Evangelist ist ein denkmalgeschütztes Kirchengebäude in Cappenberg, einem Ortsteil von Selm im Kreis Unna (Nordrhein-Westfalen). Sie war bis zur Säkularisation die Kirche des Klosters Cappenberg und dient seit 1832 als katholische Pfarrkirche. Geschichte und ArchitekturDie ehemalige Stiftskirche des Klosters Cappenberg steht nördlich des heutigen Schlosses, nahe der höchsten Stelle des Burgplateaus. Die romanische Querhausbasilika mit Chorquadrat und eingezogener, gotischer Polygonalapsis ist neben der Stiftskirche in Freckenhorst das einzige große, in wesentlichen Teilen unverändert erhaltene romanische Kirchengebäude vor der Mitte des 12. Jahrhunderts in Westfalen. Baubeginn als ungewölbte Kirche mit Chorquadrat, flachen Querhausapsiden und doppelgeschossigem Westbau war wohl 1122. Der gerade Chorschluss wurde im Bauverlauf durch eine eingezogene Apsis ersetzt. Der Dachstuhl wurde nach dem Ergebnis einer dendrochronologischen Untersuchung um 1130 fertiggestellt. Danach wurde das Gebäude ausgemalt und ausgestattet. Der Westbau wurde in einer nicht bekannten Zeit abgebrochen. Sein Aussehen wurde nach Grabungen im Jahr 1940 nicht abschließend geklärt. Spätestens im 14. Jahrhundert wurden zweijochige Kapellen an der Stirnwand des Nordquerhauses und im Winkel zwischen dem Südquerarm und dem Langhaus angebaut. Zum Ende des 14. Jahrhunderts wurde die Chorapsis durch einen 5/8-Schluss und die Apsis am Nordquerarm durch eine flache rechteckige Nische mit einem großen Fenster ersetzt. Die Fenster im Seitenschiff wurden teilweise vergrößert und das gesamte Gebäude wurde eingewölbt. Diese Arbeiten wurden wohl gegen Mitte des 15. Jahrhunderts abgeschlossen. Von 1492 bis 1511 wurde die Südquerhausapsis durch eine Sakristei ersetzt. 1830 wurden alle Anbauten abgebrochen. Ein niedriger freistehender Glockenturm wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts nördlich des Chores aus geschlämmtem Bruchstein errichtet. Von 1882 bis 1886 wurde die Anlage umfassend saniert. Die Westwand wurde einschließlich Fundament und Strebepfeilern weitgehend erneuert. An der Chornordseite wurde ein Treppenturm und am Südquerarm eine neugotische Sakristei angebaut. Im Innenraum wurde die romanische Raumfassung nach Befund erneuert. 1935 wurden gotische Gewölbemalereien freigelegt, an den Pfeilern wurde der Putz abgeschlagen und die im 19. Jahrhundert wiederhergestellte Raumfassung überstrichen. Die vermauerten Seitenschiffe wurden ab 1958 geöffnet. Die nördliche Querhausapsis wurde 1963 auf dem alten Fundament rekonstruiert. Die Fundamente und das Mauerwerk wurden bis 1967 gesichert. Eine neue Sakristei wurde 1967 an den Südquerarm angebaut. Von 1988 bis 1989 wurde das Gebäude renoviert. Der Bau aus Quadern und hammerrechtem Bruchstein steht auf einem umlaufenden zwei- bis dreifach gestuftem Sockel, der im 19. Jahrhundert an der Langhausnordseite verändert wurde. Das Äußere stellt sich ohne jeglichen plastischen Bauschmuck dar. Die Rundbogenöffnungen der Obergaden- und Seitenschifffenster sind fast ohne Schräge glatt in die Wand geschnitten. Die gotische Erneuerung um 1400 war aufwendiger. Es wurden dreibahnige Apsis und Chorfenster, sowie Maßwerk mit sphärischen Drei- und Vierecken, gefüllt von Dreiblättern, eingebaut. Die dreibahnigen Seitenschifffenster sind ähnlich, aber weniger aufwendig. Zur Vorbereitung auf die 900-Jahr-Feier im Jahr 2022 unter dem Motto Gottfrieds Stiftung wurde die Kirche von 2020 bis 2022 innen und außen umfassend renoviert und restauriert.[1] InnenraumDer Innenraum ist vom Gegensatz zwischen den glatten, unprofilierten Formen der romanischen Arkaden und Vierungsbögen und den feingliedrigen, weit hinuntergezogenen Gewölben und vielteiligen Maßwerkfenstern des Chores geprägt. Die Raumwirkung wird maßgeblich von dem an der ursprünglichen Stelle in der Vierung erhaltenen Chorgestühl bestimmt. Im Langhaus stehen sieben schmale Rundbogenarkaden auf quadratischen Pfeilern. Die umlaufenden Kämpfer sind nur an den drei östlichen Pfeilern und an den flachen Vierungsvorlagen profiliert. Die Obergadenfenster des ursprünglich flach gedeckten, viel höheren Raumes sind nicht axial über den Arkaden angeordnet. Bei der Einwölbung im Osten und Westen wurden je zwei Arkaden und ein Fenster unter einem Kreuzrippengewölbe zusammengefasst. In der Mitte befindet sich ein drei Arkaden und zwei Fenster überspannendes Sterngewölbe. Der Kontrast zwischen steinsichtigen Arkaden sowie Vierungsbögen und hellverputzten Wänden steht im Widerspruch zum ursprünglichen Zustand an den Obergadenwänden; über den Gewölben sind bedeutende Reste der romanischen Baufassung erhalten. Sie wurden zuletzt 1989 gereinigt und gesichert. Andere Reste der Fassung wurden von 1969 bis 1970 im Nordquerhaus freigelegt, sie wurden an der Nord- und Westwand zu einem zusammenhängenden Raumbild ergänzt. Ein vermauertes romanisches Fenster mit Holzrahmen und Resten der Sprossung wurde 1969 aufgedeckt und konserviert. GewölbemalereienDie Darstellung des Jüngsten Gerichts mit Deësis in der Vierung ist eine Arbeit vom Ende des 14. Jahrhunderts. Sie wurde 1935 aufgedeckt und ergänzt. Reste spätgotischer Rankenmalereien wurden 1970 freigelegt, sie stammen von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts. Sie wurden von Ost nach West ausgeführt und in Grisaille ergänzt. Das fünfte Gewölbejoch von Westen im Südseitenschiff wurde um 1530 vollständig ausgemalt und 1935 ergänzt. AusstattungKopfreliquiar des heiligen Johannes Evangelist (Cappenberger Kopf)Das wohl bekannteste Stück des Kirchenschatzes ist ein dem Evangelisten Johannes gewidmetes Kopfreliquiar, auch Cappenberger Kopf genannt, eine an antike Herrscherbilder angelehnte Büste. Die Arbeit aus vergoldetem Bronzeguss wurde von Otto von Cappenberg vor 1158 in Auftrag gegeben und dem Kloster gestiftet. Die Augen aus Niello in Silbereinlage wurden nach der Zerstörung durch bräunliches Weichharz ersetzt. Die Figur trägt um den Hals Inschriftenbänder, die sie als Reliquiar des Evangelisten Johannes ausweisen. Die Buchstaben der Inschriftenbänder wurden schon im Guss angelegt, dadurch ist die ursprüngliche Bestimmung als Reliquiar belegt. Der Kopf steht auf einem achteckigen Untersatz auf vier Tierkopffüßen, mit tragenden Engeln, Türmen und Zinnen. Ob für den Kopf von Anfang an ein Sockel vorgesehen war oder dieser eine spätere Zutat ist, konnte bisher nicht geklärt werden. Eine ehemals vorhandene vierte Sockelfigur ging verloren. 1886 stellte Friedrich Philippi nach der Wiederentdeckung der Büste die Hypothese auf, es handle sich um eine mehr oder weniger realitätsgetreue Porträtbüste Kaiser Friedrichs I. Barbarossa. Erst später sei die Figur zu einem Johannesreliquiar umfunktioniert worden. Diese Annahme setzte sich in der Folgezeit allgemein durch, ist aber inzwischen durch wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse aus den Jahren 1978 und 2021 widerlegt. Altäre
TriumphkreuzDas sogenannte Cappenberger Kruzifix hängt als Triumphkreuz unter dem westlichen Vierungsbogen. Der unterlebensgroße Korpus aus Pappelholz trägt eine äußerst qualitätsvolle Fassung, die von 1952 bis 1953 freigelegt und 1977 restauriert wurde. Die Arme und Füße wurden ergänzt. Die Figur ist eine Arbeit von außergewöhnlicher Feinheit. Der Körper ist kaum merklich geschwungen und der Kopf leicht geneigt. Das Lendentuch fällt schräg, in weicher, eleganter Fältelung, bis über das Knie. Es wird von einem breiten, kunstvoll geknoteten Stoffgürtel gehalten. Die auffallende körperliche Präsenz der Figur ist auch der emailartig wirkenden Fassung geschuldet, die ganz besonders den Hautpartien ein lebensnahes Aussehen gibt. Das Kreuz aus Eiche entstand um 1210/20, seine Enden wurden erneuert. ChorgestühlDas Chorgestühl, mit 1509 und 1520 bezeichnet, gilt als das reichste Westfalens. Zweireihig angeordnet mit hohem Dorsale steht es in freier Aufstellung zwischen den Vierungspfeilern. Der baldachinartige Aufsatz ist mit Maßwerk besetzt. Die hinteren Stallen sind L-förmig, mit einem zentralen Durchgang zum Langhaus angeordnet, dort stand ursprünglich an jeder Seite ein weiterer Sitz. Für die Durchgänge zu den Querarmen wurden um 1700 je zwei Stallen entfernt. Die Fülle der figürlichen Schnitzereien und Wappen, die kleinen Figuren der Moriskentänzer und die Drolerien gelten als einmalig. Auf der Rückseite stehen Schränke, die laut dendrochronologischer Untersuchung um 1300 angefertigt wurden. Den Maßen nach zu urteilen wurden sie für diesen Aufstellungsort gefertigt und wohl von dem Vorgängergestühl an demselben Ort übernommen. Hinweis: Die Benutzung des Chorgestühls ist aufgrund von festgestellten Schadstoffbelastungen (6/2019) derzeit untersagt. Otto und Gottfried von Cappenberg
OrgelnDie Orgel von 1788 stammt von dem westfälischen Orgelbauer Caspar Melchior Vorenweg. Das Instrument ist in den Jahren 2002–2004 umfassend nach historischem Vorbild restauriert worden. Es verfügt über 28 Register auf zwei Manualen und Pedal. Die historischen Schleifladen der Manualwerke sind erhalten.[2]
Seit 2005 gibt es in der Stiftskirche eine modern gestaltete Chororgel von der Manufacture d’Orgues Muhleisen (Straßburg). Das Instrument ist im altfranzösischen Stil disponiert. Es hat elf Register auf zwei Manualen und Pedal, wobei der Bordun 8′ in beiden Manualwerken spielbar ist und zudem der Diskant des Soubasse 16′ aus dem Bordun 8′ erzeugt wird.[3]
Sonstige Ausstattung
GlockenDer Glockenturm steht seitlich der Stiftskirche. Es handelt sich um einen allein stehenden Turmbau auf der Nordseite der Vierung. In dem niedrigen Gebäude hängen sechs Glocken; vier davon stammen aus der Zeit um 1700.[4]
Literatur
WeblinksCommons: Stiftskirche Cappenberg – Sammlung von Bildern
Einzelnachweise
Koordinaten: 51° 39′ 3,1″ N, 7° 32′ 20,7″ O |