St. Jodocus (Sankt Joost)Die evangelisch-lutherische Kirche St. Jodocus ist ein aus dem 15. Jahrhundert stammendes Gotteshaus. Es befindet sich im wangerländischen Dorf St. Joost und gilt als die kleinste und vermutlich wohl auch jüngste Saalkirche des Wangerlandes.[1] PatroziniumDie Kirche trägt den Namen des bretonischen Priesters, Einsiedlers, Pilgers und Klostergründers Jodocus. Er lebte im 7. Jahrhundert im heutigen Nordfrankreich und gilt als der Schutzpatron der Seefahrer und Vaganten.[1] Für den Namen Jodocus finden sich eine Reihe von Varianten, darunter auch Joost, der zum Ortsnamen wurde und seit 1497 als solcher urkundlich belegt ist.[2] GeschichteIm St. Jooster Kirchenbuch findet sich unter der Überschrift „Ursprung der heiligen Gebäude“ eine handschriftliche Notiz des Ortsgeistlichen Heinrich Conrad Heinemeyer, nach der sich in den Dokumenten der Gemeinde keine Nachricht darüber findet, zu welcher Zeit das Gotteshaus errichtet worden ist. Jedoch sei „ohne Zweifel“ davon auszugehen, dass die Kirche nach Verlegung der alten Deiches in östlicher Richtung erbaut worden ist, nachdem der alte Deich, an den noch heute eine Straße in St. Joost erinnert, nach Osten hin verlegt worden ist.[3] Im Jahr 1497, der ersten urkundlich dokumentierten Erwähnung der Ortschaft beim Gotteshaus, muss die Kirche bereits eine längere Zeit gestanden haben, vermutlich auch – bedingt durch die spätmittelalterlichen Stumfluteinbrüchen – einen gewissen Zeitraum außendeichs.[4] Überliefert ist, dass die St. Jodokus-Kirche im 15. Jahrhundert als Privatkapelle errichtet worden ist. Bauherren waren die in der Nachbarschaft residierenden Junker von Maisidden und Hodens. Es wird erzählt, dass der Junker von Hodens die Kapelle nach Jodokus benannt hat, um sich bei dem Heiligen für die glückliche Heimkehr von der Pilgerreise nach Santiago de Compostela zu bedanken. Die Kapelle war anfangs nur ein flachgedeckter Saalbau; die Apsis sowie der Glockenturm sind jüngeren Datums. 1542 wurde St. Jodokus von der Kirchengemeinde Hohenkirchen abgetrennt und zur Pfarrkirche eines eigenständigen Kirchspiels erhoben.[5] In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erhielt die Kirche ihren ersten Glockenturm, der 1773 durch einen etwas südlicher errichteten Neubau ersetzt werden musste. Der Anbau der Apsis erfolgte im 17. Jahrhundert.[1] Die Reformation hielt spätesten Ende der 1540er Jahre Einzug in St. Joost. Als ihr erster Prediger gilt Iko Mensen, über dessen Herkunft, Ausbildung und Lebensende die Quellen schweigen. Nach dem Oldenburger Kirchenhistoriker Rolf Schäfer verweist der Name des Geistlichen auf eine friesische Herkunft. Sein Glaubensbekenntnis, das er wie die anderen Prediger des Jeverlandes im Auftrag Fräulein Marias abfasst, verrät eine humanistische und vermutlich universitäre Bildung. Er war geübt im Gebrauch der lateinischen Sprache und besaß auch gute Kenntnisse des Altgriechischen.[6] Großes Aufsehen erregte 1642 ein Kriminalfall im St. Jooster Pfarrhaus. Der aus der Niederlausitz stammende Pastor Martin Sutorius (latinisiert für Schumacher), der bereits in Böhmen als Geistlicher gewirkt hatte und über Stralsund, Rostock und Hamburg nach St. Joost gekommen war, hatte sich mit der dort wohnhaften Maria Jansen verheiratet. Bei einer Auseinandersetzung wenige Wochen nach der Hochzeit hatte er in betrunkenem Zustand zu einem Beil gegriffen und seine Ehefrau so schwer verletzt, dass sie drei Tage danach im Hause ihres Bruders starb. Der Fall wurde eingehend untersucht mit dem Ergebnis, dass Sutorius wegen der Ermordung seiner Frau zum Tod verurteilt wurde. Vor der eigentlichen Hinrichtung enthob man ihn vor dem Altar der jeverschen Stadtkirche seines Amtes. Auf dem Richtplatz schlug man ihm zunächst die linken Arm mit der Tathand ab und enthauptete ihn anschließend. Seine Bibliothek ging an das Gymnasium in Jever.[7][8] Während der Regentschaft von Johanna Elisabeth von Schleswig-Holstein-Gottorf (1712–1760), die 1747 für ihren minderjährige Sohn Friedrich August (1734–1793) die Regierungsgeschäfte in Anhalt-Zerbst und damit auch im fernen Jeverland übernommen hatte, galten die Kirchspiele Elisabethkirche (Westrum) und St. Jodocus als die ärmsten der Herrschaft Jever. Die Regentin hatte zuvor die landesweite Anlage von sogenannten Patrimonialbüchern angeordnet, um einen Überblick über den Besitz und über die Einkünfte der jeweiligen Kirchengemeinden zu erhalten. Dabei waren die schwierigen Verhältnisse in den genannten Gemeinde offenbar geworden. Verhandlungen im Blick auf eine Auflösung zogen sich über Jahre hin und verliefen schließlich im Sande.[9] Das oldenburgische Ortschaftsverzeichnis nennt für 1817 folgende Ortschaften und Wohnplätze, die zum Kirchspiel St. Joost gehören: Bauerschaft St. Joost, St. Joost, St. Jooster Altendeich, Altebrücke , Hohenstiefer Siel, S. Jooster Groden, Neu-St. Jooster Groden, Crildumer Siel sowie die alten Häuptlingssitze Hodens und Maysiddens. Am 1. Mai 1856 wurde das Kirchspiel St. Joost in eine Kommunalgemeinde umgewandelt.[10] Nach einer dreijährigen Vakanzzeit wurden 1938 die Kirchengemeinden St. Joost und Wüppels zur Gemeinde St.Joost-Wüppels vereinigt. Zum Pastor dieser Doppelgemeinde wurde Walter Hans Appelstiel berufen. Nachdem Appelstiel 1973 emeritiert worden war, wurde die Gemeinde St. Joost-Wüppels von den Wiarder Pastoren betreut. Seit Januar 2024 ist die St. Jodocus-Kirche ein Standort der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Wangerland.[11] Zwischen 1970 und 1973 erfolgte eine umfangreiche Restaurierung des Kirchenraums und seiner Ausstattung.[1] BaubeschreibungKircheAnders als viele historische wangerländischen Kirchen liegt das Gotteshaus St. Jodocus nicht auf einer Warft, sondern auf freier Flur. Auch befindet es sich nicht im Zentrum des Dorfes, sondern am westlichen Dorfrand. Der im Laufe seiner Geschichte mehrfach veränderte Bau ist in seiner Gestalt spätgotisch und aus Backsteinen errichtet; er gilt als „Paradebeispiel friesischer Ziegelbaukunst“. Eine Reihe der feldgebrannten Kleiziegel zeigen allerdings starke Auswaschungen.[1] Die später angebaute Apsis weist nach Osten. Sie hat eine angedeutete pentagonale Grundstruktur, die sich besonders bei ihrem Ziegeldach zeigt. In das Mauerwerk der Apsis sind drei romanisch anmutende, schmucklose Fester eingelassen. Sie sind gleichmäßig angeordnet; ein Fenster weist nach Norden, ein anderes nach Süden und das mittlere nach Osten. Beim Dach des Kirchenbaus handelt es sich um ein sogenanntes Sattel- bzw. Giebeldach, das mit dunkelgrauen Dachziegeln gedeckt ist. Nord- und Südwand der Kirche zeigen im östlichen Bereich jeweils zwei große, schmucklose Fenster im spätgotischen Stil. Ursprünglich war – so ist es deutlich auf den Bildern zu sehen – auf beiden Seiten ein drittes Fenster gleicher Größe und Ausstattung ins Mauerwerk eingelassen. Beide Fenster wurden, vermutlich im Zusammenhang des Einbaus der Empore, zugemauert und durch ein kleines Fenster im Spitzbogen des ursprünglichen Kirchenfensters ersetzt. Auf der Nordseite ist ein ehemaliges Portal zu erkennen, das aber zugemauert worden ist. Der Haupteingang der Kirche befindet sich auf der Südseite. Die westliche Giebelseite der Kirche ist fensterlos und ohne jeden Schmuck (siehe Bild). GlockenturmDer Glockenturm stammt aus dem Jahr 1773. Er ersetzte einen abgegangenen Turm, der nördlich des Gotteshauses seinen Platz hatte.[12] Der Turm steht frei und hat seinen Platz nur wenige Meter südöstlich der Kirchenapsis. Deutlich sichtbar ist eine Neigung des Baus nach Osten, die durch eine Absackung verursacht wurde. Sein Mauerwerk besteht ebenfalls aus Backstein; anders als das Kirchengebäude trägt der Turm ein Walmdach, das aber ebenfalls mit dunkelgrauen Ziegeln gedeckt ist.[1] Der abgegangene Vorgängerbau des Turms stand nördlich der Kirche. Die Öffnungen der Glockenstube besitzen Schallläden; die Glocken sind deshalb – anders als bei den meisten friesischen Kirchen – nicht von außen zu sehen. Getragen wird das Geläut durch einen hölzernen Glockenstuhl. FriedhofDer St. Jooster Friedhof in St. Joost um gibt das Kirchengebäude und den Glockenturm. Eingefasst ist durch einen alten Baumbestand. Eine größere Anzahl historische Gräber verweisen auf eine jahrhundertealte Beisetzungskultur auf diesem Begräbnisplatz. Die Belegung ist heute nicht mehr so streng reglementiert wie in früheren Zeiten. Neben traditionellen Grabstellen mit Grabmal und Einfassung können auch Urnen in einem pflegefreien Rasenfeld beigesetzt werden. Auch die Anlage von Grabkellern ist möglich.[13] Auf dem Friedhof findet sich auch ein Denkmal für Gefallene, das an St. Jooster Opfer des Ersten und des Zweiten Weltkriegs erinnert.[14] Ausstattung der KircheDer Kirchenraum hat ein rechteckige Grundform mit angebauter halbrunder Apsis. Farblich herrscht ein dunkelblauer Farbton vor.[1] Beachtenswert ist die ornamentale Bemalung der Balkendecke. AltarDie Mensa des Altars besteht aus einem schlichten Mauerwerk, das weiß getüncht ist. Auf ihr befindet sich ein von unbekannter Hand gefertigter Aufsatz, der den gekreuzigten Christus darstellt, „eine Holzarbeit, die sonst ohne weitere Bildgebung oder ornamentale Gestaltung auskommt und oben in einem Rundbogen ausläuft“.[15] KanzelDen besten Erhaltungszustand der mittelalterlichen Kanzeln auf der ostfriesischen Halbinsel hat nach Einschätzung von Justin Kroesen und Regnerus Steensma die Kanzel der St. Jodokus-Kirche. Sie befindet sich rechts neben der Apsis an der Ostwand der Saalkirche. Der Zugang zum Kanzelkorb befindet sich in der Apsis. Dort führt eine Treppe zu einer schmalen Holztür, dem Zugang zur Kanzel.[16] Die Kanzel ist im spätgotischen Stil verziert und zeigt unter anderem gemalte goldene Granatäpfel, die als Symbol für die „Früchte lebendigen Glaubens“ gedeutet werden. Der Schalldeckel, dessen ornamentale Bemalung deutlich von der des Kanzelkorbs abweicht, wurde erst 1635 hergestellt.[17] TaufsteinDer Taufstein der St. Jodocus-Kirche ist im Verhältnis zu den anderen Ausstattungsgegenständen jüngeren Datums. Er wurde 1973 aus einer alten Grabsäule, die ein St. Jooster Einwohner zur Verfügung gestellt hatte, gefertigt.[18] KirchengestühlDas Kirchengestühl der St. Jooster Kirche gehört zu den besonders sehenswerten seiner Art.[19] Es befindet sich rechts und links des Mittelganges. Es ist dunkelblau gestrichen und stammt zum großen Teil noch aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.[20] Einige der Türen, die die Bänke zum Gang hin schließen, tragen noch Hofmarken mit den eingeschnitzten Anfangsbuchstaben des jeweiligen Familiennamens. Eine kleine Bank unterhalb des Orgelbodens nennt in Großbuchstaben den ganzen Namen ihres früheren Besitzers: „Haie Peters hat diesen Stulv“.“[1] OrgelDie Orgel der St.-Jodocus-Kirche ist ein Werk von Johann Claussen Schmid (Schmidt II), nachdem zuvor ein Harmonium den Gemeindegesang begleitet hat. Sie wurde 1874 erbaut und umfasst sieben Register auf einem Manual und Pedal. 1924 verfügte das Pedal nur über den Subbass. 1933 erfolgte durch den Wilhelmshavener Orgelbauer Alfred Führer ein Umbau und eine Erweiterung um drei Register. 1952 folgte durch die Firma Führer der Einbau eines neuen Motors, 1962 eine weitere Veränderung der Disposition und 1984 eine Überholung des Instruments durch dieselbe Firma.[21] Die heutige Disposition lautet wie folgt:[22]
PastorenSeit der Reformationszeit bis zum Zusammenschluss mit Kirchengemeinde Wüppels im Jahr 1938 waren dreißig Geistliche als Pastoren der St. Jodokus-Kirche tätig. Die meisten Geistlichen (17) stammten aus Jever und dem Jeverland.
Literatur
WeblinksCommons: St. Jodocus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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