Seitdem im ausgehenden 17. Jahrhundert und insbesondere im 18. Jahrhundert die Landwirtschaft gerade auf den eher unfruchtbaren Nordfriesischen Inseln die wachsende Bevölkerung nicht ernähren konnte, heuerten zahlreiche männliche Einwohner auf Walfängerschiffen an und kamen hierbei teilweise zu nicht unerheblichem Reichtum. Dieser wurde nicht nur an weltlichen Dingen wie beispielsweise der Kleidung oder der Gestaltung der Wohnhäuser zur Schau gestellt, sondern spiegelte sich auch in der Bestattungskultur wider. So ließen sich wohlhabende Walfänger und Kapitäne aufwendig gestaltete Grabsteine erstellen, die mit ihren Inschriften die Lebensgeschichte der Verstorbenen erzählen.
Wurden zunächst lediglich grob bearbeitete ortsspezifisch vorkommende Findlinge aus Granit mit Inschriften versehen, so wurden später importierte und daher teurere, gleichzeitig aber leichter zu bearbeitende Platten oder Stelen aus Sandstein verwendet. Im 17. Jahrhundert herrschten auf dem Boden liegende Grabplatten vor. Daneben gab es kleinere Buntsandsteinfliesen, die oft mit einem kleinen Bohrloch versehen und einem Holzstück oder einem Walknochen befestigt wurden. Seit dem 18. Jahrhundert wurden aufrecht stehende Steine, sogenannte Stelen, verwendet. Ihre eingemeißelten Inschriften berichten aus dem Leben der Verstorbenen und sind oftmals zusätzlich mit (teilweise) kolorierten Reliefs versehen, die beispielsweise Walfangschiffe abbilden. Heute stehen die meisten Grabsteine nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz, sondern sind in musealen Zonen oder am Friedhofsrand aufgestellt.[3]
Gelegentlich werden auch in vorhergehenden Zeiten, anderen Regionen oder Kulturkreisen mit Inschriften versehene Grabstelen wie z. B. auf jüdischen Friedhöfen als redende/sprechende Steine benannt.
Die meisten der historischen Steine stehen entweder als Einzeldenkmal unter Denkmalschutz oder bilden zusammen mit der jeweiligen Kirche und/oder dem Friedhof als Gesamtensemble eine Denkmalzone. Etliche dieser Steine sind mittlerweile restaurationsbedürftig, da sie von den Witterungseinflüssen gezeichnet sind oder Moos- bzw. Flechtenbewuchs aufweisen.[15][16]
Moderne, vergleichbare Formen der Bestattungskultur
Nur scheinbar im Gegensatz zu der historischen Form dieser analogen Sprechenden Steine verbreiten sich heutzutage immer mehr Digitale Grabsteine.[17][18][19]
Literatur
Wolfgang Runge: Sprechende Steine. Grabstelen im Oldenburger Land von 1600–1800. Holzberg, Oldenburg 1979, ISBN 3-87358-110-8.
↑Archivierte Kopie (Memento vom 2. Februar 2014 im Internet Archive) (PDF; 13,1 MB) Im Hafen der Ewigkeit? Der Amrumer Friedhof als Touristenattraktion, Aufsatz von Matin Rheinheimer, erschienen im Nordfriesischen Jahrbuch, Band 47, 2012, PDF-Datei