Siegfried Schulze (Versicherungsrechtler) Hermann Siegfried Schulze (* 2. April 1925 in Schmannewitz[1]; † 10. April 2013 in Leipzig)[2] war ein deutscher Rechtsanwalt und Hochschullehrer für Versicherungsrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Leben und Wirken
Von der Geburt bis zum Kriegsende
Schulze wurde als Sohn des späteren Hausbesitzers[3] und Einzelhändlers für Lebensmittel Hermann Schulze und dessen Ehefrau Anna, geb. Heidenreich, geboren.[4]
Von 1931 bis 1938 besuchte er die Volksschule in Schmannewitz und anschließend die damalige Oberschule mit Realschulzug in Oschatz.[4] Im Zweiten Weltkrieg wurde er 1943 zur Wehrmacht eingezogen und verließ deshalb die Oberschule mit dem Reifeattest. Der Abiturjahrgang 1943 wurde zuvor bei einem Besuch des Oschatzer Flugplatzes im Jahre 1940 fotografiert.[5]
Er geriet 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft und wurde 1948 entlassen, nachdem er zuletzt als Hauer im Steinkohlenbergbau eingesetzt wurde. Als Kriegsgefangener wurde er zudem als Maurer und Tiefbauarbeiter beschäftigt.[4]
Wissenschaftliche Tätigkeit
Von 1962 bis 1967 studierte Schulze an der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter Ulbricht“ in Potsdam-Babelsberg und der Humboldt-Universität zu Berlin sowie an der Juristischen Fakultät der Universität Halle.[4]
Mit Beendigung des Studium wurde er 1967 Diplom-Jurist. In seiner Diplomarbeit[6] behandelte er juristische Möglichkeiten aus damaliger DDR-Sicht, um „Eingriffe(n) auf die Vermögensinteressen der DDR“ durch die Bundesrepublik, insbesondere durch das Rechtsträger-Abwicklungsgesetzes aus dem Jahre 1965, zu begegnen.[7] Dieses Bundesgesetz diente der Abwicklung bestimmter Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts bzw. von öffentlichen Rechtsträgern, die vor dem 9. Mai 1945 errichtet wurden.
Anschließend wurde Schulze wissenschaftlicher Aspirant der Juristischen Fakultät der Universität Halle für die „Fachrichtung Internationales Finanz- und Wirtschaftsrecht“[4] und später zum Oberassistenten ernannt.[8] Schulze lieferte 1970 seine Promotion A zum Thema Internationalrechtliche Probleme der Personen-, Sach- und Haftpflichtversicherung in beiden deutschen Staaten ab[9] und 1977 die Promotion B zu Rechtsproblemen der Gestaltung des Versicherungsschutzes für Bau- und Montagerisiken beim Import von Industrieanlagen aus dem nichtsozialistischen Ausland.[10]
Im Jahre 1978 wurde Schulze zum Dozenten für das Fachgebiet „Versicherungsrecht der DDR und internationales Versicherungsrecht“ an der Universität Halle berufen.[11] In seinem juristischen Wissenschaftsbereich der Martin-Luther-Universität wurden „Probleme der juristischen Ausgestaltung“ der inner- und intersystemischen Wirtschafts-, Finanz- und Wirtschaftsbeziehungen arbeitsteilig erforscht.[12] Schulze war damit einziger Professor für Versicherungsrecht in der DDR war.[13] Zugleich war er Schiedsrichter an der am 14. November 1952 in Ost-Berlin gegründeten Kammer für Außenhandel (KfA).[11] Nach der friedlichen Revolution in der DDR erläuterte Schulze 1990 das Versicherungsrecht und das Versicherungswesen der DDR auf zwei Tagungen in Köln[14] und Hamburg;[15] außerdem organisierte er eine Tagung zum Versicherungsaufsichtsrecht in Leipzig.[16]
Rechtsanwalt
Infolge der „politischen Wende“ und des danach erfolgten Abwicklungsbeschlusses betreffend den gesamten Lehrkörper der hallischen Juristenfakultät[17] begann auch für den im Rentenalter stehenden Schulze eine neue Existenz, indem er nun bis 1998 als Rechtsanwalt an seinem Wohnort in Leipzig tätig wurde. Parallel war er weiter als Referent auf versicherungsrechtlichen Tagungen[18] und als Autor tätig.[19]
Politisches Engagement
Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft hatte sich Schulze der Ost-CDU angeschlossen. In dieser Blockpartei wie auch im Staatsapparat übte er verschiedene Funktionen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) bzw. in der DDR aus.[4] Beispielsweise war er einer der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Kreises Borna.[20] Von seiner hauptamtlichen, politischen Funktion als Sekretär des Bezirksverbandes der CDU Leipzig unter dem Vorsitzenden des Bezirksvorstandes Fritz-Karl Bartnig wurde er im zweiten Halbjahr 1962 abberufen.[21] Allerdings wirkte Schulze an seinem Wohnort weiter ehrenamtlich als Mitglied des Bezirksuntersuchungsausschusses des Leipziger Bezirksverbandes der CDU und blieb auch Schulungsreferent im Kreisverband Leipzig.[22]
Schulze war seit 1987 (ehrenamtlicher) Vorsitzender des Zentralen Untersuchungsausschusses der Ost-CDU.[23] Zugleich war er Mitglied des Bezirksvorstandes,[24] unter dem Vorsitzenden des Bezirksvorstandes[25] des Hauptvorstandes sowie später auch des Partei-Präsidiums.[26] Ab November 1989 untersuchte Schulze als Vorsitzender des Zentralen Untersuchungsausschuss das Finanzgebaren des ehemaligen Parteivorsitzenden Gerald Götting[27] und stellte „persönliche Bereicherung und Amtsanmaßung“ fest.[28][29]
Freizeittätigkeiten
In seiner Freizeit widmete Schulze sich der Medaillenkunst[30] und der Modelleisenbahn.[31]
Auszeichnungen (Auswahl)
Für seine beruflichen Leistungen zu DDR-Zeiten und ehrenamtliche Tätigkeit wurde Schulze mehrmals ausgezeichnet:
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Internationalrechtliche Probleme der Personen-, Sach- und Haftpflichtversicherung in beiden deutschen Staaten. Universität Halle, 1970[36], Erstgutachter: Hans Spiller, Zweitgutachter: Harald Schmidt (* 1929). Tag der Promotion 17. Dezember 1970[37]
- Rechtsprobleme der Gestaltung des Versicherungsschutzes für Bau- und Montagerisiken beim Import von Industrieanlagen aus dem nichtsozialistischen Ausland Universität Halle, 1977[38], Tag der Promotion (B) 28. Juni 1977[39]
- Versicherungsrecht. Textausgabe der Rechtsformen und Vertragsbedingungen für die Sach-, Haftpflicht- und Personenversicherungen in der DDR, 1970[40]
- Die rechtliche Regelung der Versicherung von Seeschiffen in der Deutschen Demokratischen Republik, der Bundesrepublik Deutschland und in Großbritannien.[41]
- Rechtsprobleme der Versicherung von Risiken der volkseigenen Wirtschaft.[42]
- Die Versicherung von Warenexporten und Warenimporten nach dem Recht der DDR.[43]
- Die Versicherung von Bau- und Montagerisiken im internationalen Wirtschaftsrecht nach dem Versicherungsrecht der DDR.[44]
- Versicherungsrecht. Textausgabe der Rechtsnorm und Vertragsbedingungen für die Sach-, Haftpflicht- und Personenversicherungen in der Deutschen Demokratischen Republik mit Anmerkungen und Sachregister.[45]
- Entwicklungslinien im Versicherungswesen der DDR.[46]
- 45 Jahre Versicherungswesen und Versicherungsrecht in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR.[47]
- Haftpflichtversicherung – eine neue Form in den neuen Bundesländern.[48]
- Digitalisat der SUB Universität Hamburg: Die Entwicklung des Versicherungswesens und des Versicherungsrechts in der Sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik. 1994, ISBN 978-3-96329-118-0.
Einzelnachweise
- ↑ Rolf Lieberwirth: Geschichte der Juristischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg nach 1945. Fakten und Erinnerungen. 2. ergänzte Auflage, Universitätsverlag Halle Wittenberg, Halle an der Saale 2010, ISBN 978-3-86977-014-7, S. 112 und Fußnote 268.
- ↑ Transkript der Traueranzeige in Leipziger Volkszeitung vom 20. April 2013
- ↑ Einwohnerbuch der Stadt Oschatz, Städte Mügeln, Dahlen, Strehla sowie sämtlicher Ortschaften der Amtshauptmannschaft Oschatz, Ausgabe 1931, S. 335 (Schmannewitz), Digitalisat SLUB Dresden (Werkansicht)
- ↑ a b c d e f Lebenslauf vom 1. Juni 1970 als Anlage zur Dissertation von Siegfried Schulze: Internationalrechtliche Probleme der Personen-, Sach- und Haftpflichtversicherung in beiden deutschen Staaten Universität Halle, 1970, DNB 36936757X
- ↑ Abbildung: Foto-Reproduktion: Oschatzer Allgemeine, 19. September 2013
- ↑ Titel der Arbeit: Westdeutsche Angriffe auf Vermögensinteressen der DDR und Möglichkeiten ihrer Abwehr, behandelt am Beispiel des Rechtsträger-Abwicklungsgesetzes. Dipl. Arbeit, Halle 1967
- ↑ Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse nicht mehr bestehender öffentlicher Rechtsträger, Erlassen am 6. September 1965, (BGBl. I S. 1065)
- ↑ Neue Zeit, 2. Oktober 1979, S. 2 Sp. 6 [„Würdigung verdienstvollen Wirkens“]
- ↑ Universität Halle, Erstgutachter: Hans Spiller, Zweitgutachter: Harald Schmidt (* 1929). Tag der Promotion: 17. Dezember 1970, DNB 36936757X, OCLC 181427402.
- ↑ Universität Halle, 1977, Tag der Promotion (B): 28. Juni 1977, DNB 941441318, OCLC 722057615.
- ↑ a b Dirk Breithaupt: Rechtswissenschaftliche Biographie DDR, Kiel/Berlin, S. 483, DNB 940131013
- ↑ Neue Zeit, 22. Juli 1980, S. 3 (Siegfried Schulze, Leipzig: "Langfristige Aufgaben zeitgemäß konkretisiert.")
- ↑ Barbara Eggenkämper/Gerd Modert/Stefan Pretzliik: Die staatliche Versicherung der DDR. Von der Gründung bis zur Integration in die Allianz. München 2010, ISBN 978-3-406-60375-4, S. 28
- ↑ W. S.: Entwicklung und Perspektiven des Versicherungswesens in der DDR (Bericht). In: Versicherungswirtschaft. Heft 13/190, S. 797–799, hier S. 798
- ↑ Rolf Bernheim: Grundzüge des Versicherungsrechts der DDR und die gegenwärtige Entwicklung. In: Versicherungswirtschaft. 45. Jahrgang, Heft 24 (15. Dezember 1990), S. 1498 f., ISSN 0042-4358
- ↑ Tagesseminar am 4. September 1990, Anmeldung über: Prof. Dr. Siegfried Schulze, Sebastian-Bach-Str. 4, Leipzig, laut Annonce "Versicherungsforum" in Tageszeitung Neue Zeit, 23. August 1990, S. 6
- ↑ Rolf Lieberwirth: Geschichte der Juristischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg nach 1945. Fakten und Erinnerungen. 2. ergänzte Auflage, Universitätsverlag Halle Wittenberg, Halle an der Saale 2010, ISBN 978-3-86977-014-7, S. 124 f.
- ↑ Neue Zeit, 29. November 1990, S. 14 Sp. 3/4 Annonce "Versicherungsforum"
- ↑ Zum Beispiel: Siegfried Schulze : Haftpflichtversicherung – eine neue Form in den neuen Bundesländern. In: Wirtschaftsrecht (Kurztitel: WIRTB), 12/1991, S. 690 f. ISSN 0323-505X
- ↑ Neue Zeit, 1. Juni 1954, S. 3, Sp. 2 (Unionsfreunde gründeten LPG)
- ↑ "Abberufung Siegfried Schulze als Sekretär Agitation Propaganda". 36. Sitzung des Sekretariats des Hauptvorstandes der CDU am 12. November 1962, unter Tagungsordnungspunkt 4. In: ARCHIV FÜR CHRISTLICH-DEMOKRATISCHE POLITIK DER KONRAD-ADENAUER-STIFTUNG E.V. 07 – 011 CDU IN DER SBZ/DDR BAND III. Sankt Augustin 2018, S. 147
- ↑ Neue Zeit, 2. Oktober 1979, S. 2 Sp. 6 [„Würdigung verdienstvollen Wirkens“]
- ↑ Neue Zeit, 17. Oktober 1987, S. 3
- ↑ Neue Zeit, 2. Mai 1985, S. 3
- ↑ Neue Zeit, 9. März 1982, S. 1
- ↑ Neue Zeit, 3. November 1989, S. 1
- ↑ Neue Zeit, 18. Dezember 1989, S. 2 Sp. 1
- ↑ Berliner Zeitung, 16. Dezember 1989, Sp. 5 f.
- ↑ Neue Zeit, 18. Dezember 1989, S. 4
- ↑ „Dr. Otto Marzinek (1912-1986) in memoriam“. Hrsg. Deutsche Medaillengesellschaft e. V., Köln 1986 Gedächtnisheft/Nachruf für Dr. Otto Marzinek, Köln 1986
- ↑ Siegfried Schulze: Eine kleine Bastelei für N-Freunde. In: Der Modelleisenbahner. Fachzeitschrift für den Modelleisenbahnbau und alle Freunde der Eisenbahn. 22. Jahrgang. 10/1973, S. 296 f. ISSN 0026-7422
- ↑ Neue Zeit, 14. Juli 1963, S. 2 Sp. 1
- ↑ Neue Zeit, 26. Juni 1971, S. 2
- ↑ Neue Zeit, 2. Oktober 1979, S. 2
- ↑ Neue Zeit, 2. Mai 1985, S. 2 (Mitglied des Bezirksvorstandes der CDU Leipzig, Dozent an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Sektion Staats- und Rechtswissenschaft)
- ↑ DNB 36936757X
- ↑ OCLC-Nummer:181427402
- ↑ DNB 941441318
- ↑ OCLC-Nummer: 722057615
- ↑ Hrsg. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Sektion Staats- u. Rechtswissenschaft, Wissenschaftsbereich Internationales Finanz- u. Wirtschaftsrecht. Mit einem Vorwort von Hans Spiller, DNB 577000055
- ↑ Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg. Sektion Staats- u. Rechtswissenschaft, Bereich Internationales. Finanz- u. Wirtschaftsrecht, Halle 1973, DNB 577611917; OCLC-Nummer:72315445
- ↑ Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle. Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe. Jahrgang XXVII (1978) H. 6 S. 75–78, ISSN 0438-4385
- ↑ In: Versicherungsrecht. (VersR) 35. Jahrgang (1984), S. 810, ISSN 0342-2429
- ↑ In: Versicherungsrecht. (VersR) 36. Jahrgang, Heft 39 vom 10. Oktober 1985, S. 1020–1024, ISSN 0342-2429
- ↑ Hrsg. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. (Zusammenstellung und Bearbeitung: Harald Schmidt und Siegfried Schulze), 3., überarbeitete u. ergänzte Auflage 1982, DNB 203507401; 4., überarb. u. erw. Aufl. 1987, ISBN 978-3-329-00053-1
- ↑ In: Versicherungswirtschaft. Bd. 45/1990, S. 379, ISSN 0042-4358
- ↑ In: Versicherungsrundschau. Volkswirtschaftliche Verlags-Gesellschaft, Wien 1991, ISSN 2076-3239. Bd. 46, S. 81–88
- ↑ In: Wirtschaftsrecht (Kurztitel: WIRTB), 12/1991, S. 690 f. ISSN 0323-505X
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