Sechseck des Saturn

Das Sechseck des Saturn ist ein beständiges, annähernd gleichseitiges sechseckiges Wolkenmuster um den Nordpol des Planeten Saturn, das sich auf etwa 78°N befindet.[1][2][3]

Nahaufnahme (2016)

Die Seiten des Sechsecks sind etwa 14.500 km lang,[4][5][6][7] was ungefähr 2.000 km länger als der Durchmesser der Erde ist.[8] Das Sechseck ist etwas mehr als 29.000 km breit, 300 km hoch und möglicherweise ein Jetstream aus atmosphärischen Gasen, der sich mit einer Geschwindigkeit von 320 km/h bewegt.[4][5][9] Es rotiert mit einer Periode von 10h 39 m 24s, der gleichen Periode wie die Radiostrahlung aus dem Inneren des Saturns,[10] und verschiebt sich nicht in der Länge wie andere Wolken in der sichtbaren Atmosphäre.[11] Das Sechseck des Saturn wurde 1981 während der Voyager-Mission entdeckt und später von Cassini-Huygens im Jahr 2006 erneut untersucht. Während der Cassini-Mission wechselte das Sechseck von einer überwiegend blauen Farbe zu einer eher gelb-bräunlichen Farbe. Wie Beobachtungen des Hubble-Weltraumteleskop zeigen, hat der Südpol des Saturns kein Sechseck, weist jedoch ebenso einen Wirbel auf.[12] Es wurden mehrere Hypothesen für das hexagonale Wolkenmuster entwickelt.

Entdeckung

Das polare Sechseck des Saturn wurde 1981 von der Voyager-Mission entdeckt[13] und 2006 von der Cassini-Mission erneut besucht.[14] Cassini konnte nur thermische Infrarotbilder des Sechsecks aufnehmen, bis der Nordpol des Saturns im Januar 2009 in das Sonnenlicht eintrat.[15] Cassini konnte auch ein Video des sechseckigen Wettermusters aufnehmen, während es sich mit der gleichen Geschwindigkeit wie der Planet bewegte und somit nur die Bewegung des Sechsecks aufzeichnete.

Saturn, aufgenommen durch ein 6-Zoll-Teleskop, zeigt das polare Sechseck

Nach seiner Entdeckung gelang es Amateurastronomen sogar mit Teleskopen für den privaten Gebrauch das Sechseck von der Erde aus abzubilden.[16]

Farbe

Zwischen 2013 und 2017 veränderte sich die Farbe des Sechsecks von einer überwiegend blauen hin zu einer eher gelb-bräunlichen Färbung. Da der Pol durch den Wechsel der Jahreszeiten auf dem Saturn inzwischen dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, wird vermutet, dass durch das nun verstärkt einfallende Sonnenlicht ein Dunst erzeugt wird, der wiederum die Farbänderung verursacht.[17]

2013 und 2017: Farbänderung des Sechsecks

Hypothesen für die sechseckige Form

Falschfarbenbild von Cassini-Huygens des zentralen Wirbels tief im Inneren des Sechecks

Eine an der Universität Oxford entwickelte Hypothese vermutet, dass sich das Sechseck dort bildet, wo die Geschwindigkeit des Winds in der Saturnatmosphäre einen hohen Gradient in Bezug auf den Breitengrad aufweist.[18] Ähnliche regelmäßige Formen wurden im Labor erzeugt, indem ein kreisförmiger Flüssigkeitstank in der Mitte und am Rand mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten gedreht wurde. Die dabei am häufigsten erzeugte Form war sechsseitig, aber es wurden auch Formen mit drei bis acht Seiten erzeugt. Die Formen bilden sich in einem Bereich mit turbulenter Strömung zwischen zwei verschiedenen rotierenden Flüssigkeitskörpern mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten.[18][19] Auf der langsameren (südlichen) Seite der Flüssigkeitsgrenze bildet sich eine Reihe stabiler Wirbel ähnlicher Größe, die miteinander interagieren und sich gleichmäßig über den Umfang verteilen. Das Vorhandensein der Wirbel beeinflusst die Grenze, sich in deren Richtung nach Norden zu bewegen, und dies führt zum Polygoneffekt.[19] Sechsecke bilden sich nur an Windgrenzen, wenn der Geschwindigkeitsunterschied und der Viskositätsindex innerhalb bestimmter Parameter liegen und sind daher an anderen möglichen Orten für ihre Bildung, wie dem Südpol des Saturns oder den Polen des Jupiters, nicht vorhanden.

Andere Forscher entdeckten, dass Laborstudien Wirbelstraßen zeigen, eine Reihe von spiralförmigen Wirbeln, die im Saturnsechseck nicht beobachtet wurden. Simulationen zeigen, dass ein flacher, langsamer, lokalisierter, mäandrierender Jetstream in der gleichen Richtung wie die vorherrschenden Wolken des Saturns in der Lage ist, das beobachtete Verhalten des Saturnsechsecks mit der gleichen Grenzstabilität zu erreichen.[20]

Die sich entwickelnde barotrope Instabilität des nordpolaren hexagonalen zirkumpolaren Jets (Jet) plus Nordpolarwirbel führt zu einer langlebigen Struktur, die dem beobachteten Sechseck ähnelt, was bei dem reinen Jet-System, das in diesem Zusammenhang in einer Reihe von Arbeiten in der Literatur untersucht wurde, nicht der Fall ist. Der Nordpolarwirbel spielt also eine entscheidende dynamische Rolle bei der Stabilisierung des Sechsecks. Der Einfluss der feuchten Konvektion, die in der Literatur kürzlich als Ursprung des Nordpolarwirbelsystems des Saturn vermutet wurde, wird im Rahmen des barotropen rotierenden Flachwassermodells untersucht und ändert nichts an den Schlussfolgerungen.[21]

Eine mathematische Studie des California Institute of Technology aus dem Jahr 2020 ergab, dass eine stabile geometrische Anordnung der Formation auf jedem Planeten auftreten kann, wenn ein Sturm von einem Ring von Winden umgeben ist, die sich in die entgegengesetzte Richtung des Sturms drehen, ein sogenannter antizyklonaler Ring.[22][23]

Einzelnachweise

  1. D.A. Godfrey: A hexagonal feature around Saturn's north pole. In: Icarus. 76. Jahrgang, Nr. 2, 1988, S. 335–356, doi:10.1016/0019-1035(88)90075-9, bibcode:1988Icar...76..335G.
  2. A. Sanchez-Lavega, J. Lecacheux, F. Colas, P. Laques: Ground-Based Observations of Saturn's North Polar Spot and Hexagon. In: Science. 260. Jahrgang, Nr. 5106, 1993, S. 329–32, doi:10.1126/science.260.5106.329, PMID 17838249, bibcode:1993Sci...260..329S.
  3. Dennis Overbye: Storm Chasing on Saturn. In: New York Times. 6. August 2014, abgerufen am 10. Oktober 2021.
  4. a b A. Sánchez-Lavega: The long-term steady motion of Saturn's hexagon and the stability of its enclosed jet stream under seasonal changes. In: Geophysical Research Letters. 41. Jahrgang, Nr. 5, 7. März 2014, S. 1425–1431, doi:10.1002/2013GL059078.
  5. a b Fletcher, L.N.: A hexagon in Saturn's northern stratosphere surrounding the emerging summertime polar vortex. In: Nature Communications. 9. Jahrgang, 3. September 2018, S. 3564, doi:10.1038/s41467-018-06017-3, PMID 30177694, PMC 6120878 (freier Volltext).
  6. Eleanor Imster: The Eye of Saturn. In: Earth & Sky. 12. August 2014, abgerufen am 10. Oktober 2021.
  7. Matt Williams: Saturn's Hexagon Will be the Star of the Cassini Finale. In: Universe Today. 10. Mai 2017, abgerufen am 10. Oktober 2021.
  8. New images show Saturn's weird hexagon cloud, NBC News, 12. Dezember 2009. Abgerufen im 10. Oktober 2021 
  9. Mike Wall: Bizarre Hexagon on Saturn May Be 180 Miles Tall. In: Space.com. 4. September 2018, abgerufen am 10. Oktober 2021.
  10. D. A. Godfrey: The Rotation Period of Saturn's Polar Hexagon. In: Science. 247. Jahrgang, Nr. 4947, 1990, S. 1206–8, doi:10.1126/science.247.4947.1206, PMID 17809277, bibcode:1990Sci...247.1206G.
  11. Kevin H. Baines, Thomas W. Momary, Leigh N. Fletcher, Adam P. Showman, Maarten Roos-Serote, Robert H. Brown, Bonnie J. Buratti, Roger N. Clark, Philip D. Nicholson: Saturn's north polar cyclone and hexagon at depth revealed by Cassini/VIMS. In: Planetary and Space Science. 57. Jahrgang, Nr. 14–15, 2009, S. 1671–1681, doi:10.1016/j.pss.2009.06.026, bibcode:2009P&SS...57.1671B.
  12. A. Sánchez-Lavega, S. Pérez-Hoyos, R. G. French: Hubble Space Telescope Observations of the Atmospheric Dynamics in Saturn's South Pole from 1997 to 2002. In: American Astronomical Society. 34. Jahrgang, 2002, S. 13.07, bibcode:2002DPS....34.1307S (aas.org).
  13. John Caldwell, Benoit Turgeon, Xin-Min Hua, Christopher D. Barnet, James A. Westphal: The Drift of Saturn's North Polar Spot Observed by the Hubble Space Telescope. In: Science. 260. Jahrgang, Nr. 5106, 1993, S. 326–329, doi:10.1126/science.260.5106.326, PMID 17838248, bibcode:1993Sci...260..326C.
  14. Saturn's Strange Hexagon. In: NASA. 27. Mai 2007, abgerufen am 10. Oktober 2021.
  15. Saturn's Mysterious Hexagon Emerges From Winter Darkness. NASA, 9. Dezember 2009, archiviert vom Original am 24. April 2016; abgerufen am 10. Oktober 2021.
  16. Leigh Fletcher: Saturn's Hexagon Viewed from the Ground. Planetary Wanderings, 31. Januar 2013;.
  17. NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute/Hampton University: Changing Colors in Saturn's North. In: NASA. 21. Oktober 2016, abgerufen am 10. Oktober 2021.
  18. a b Ana C. Barbosa Aguiar, Peter L. Read, Robin D. Wordsworth, Tara Salter, Y. Hiro Yamazaki: A laboratory model of Saturn's North Polar Hexagon. In: Icarus. 206. Jahrgang, Nr. 2, 2010, S. 755–763, doi:10.1016/j.icarus.2009.10.022, bibcode:2010Icar..206..755B.
  19. a b Emily Lakdawalla: Saturn's hexagon recreated in the laboratory. In: Planetary.org. 4. Mai 2010, abgerufen am 10. Oktober 2021 (englisch).
  20. R. Morales-Juberías, K. M. Sayanagi, A. A. Simon, L. N. Fletcher, R. G. Cosentino: Meandering Shallow Atmospheric Jet As a Model of Saturnʼs North-Polar Hexagon. In: The Astrophysical Journal. 806. Jahrgang, Nr. 1, 2015, S. L18, doi:10.1088/2041-8205/806/1/L18, bibcode:2015ApJ...806L..18M (zenodo.org).
  21. Masoud Rostami, Vladimir Zeitlin, Aymeric Spiga: On the dynamical nature of Saturn's North Polar hexagon. In: Icarus. 297. Jahrgang, 2017, S. 59–70, doi:10.1016/j.icarus.2017.06.006, bibcode:2017Icar..297...59R (sorbonne-universite.fr [PDF]).
  22. Scientists solve mystery of Jupiter's polygon storms. In: Sky News. Abgerufen am 10. Oktober 2021.
  23. Cheng Li, Andrew P. Ingersoll, Alexandra P. Klipfel, Harriet Brettle: Modeling the stability of polygonal patterns of vortices at the poles of Jupiter as revealed by the Juno spacecraft. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 117. Jahrgang, Nr. 39, 2020, S. 24082–24087, doi:10.1073/pnas.2008440117, PMID 32900956, PMC 7533696 (freier Volltext).