Schlacht um Ilowajsk

Koordinaten: 48° 20′ 0″ N, 38° 25′ 0″ O

Schlacht um Ilowajsk
Teil von: Russisch-Ukrainischer Krieg

Ausgebranntes Auto in Ilowajsk nach Gefechten
Datum 10. August 2014 bis 2. September 2014[1]
Ort Ilowajsk, Oblast Donezk, Ukraine Ukraine
Ausgang Sieg der russischen/regierungsfeindlichen Kräfte
Folgen Vertreibung der ukrainischen Armee aus Ilowajsk und Umgebung. Beginn einer Gegenoffensive seitens der regierungsfeindlichen Kräfte.
Konfliktparteien

UkraineUkraine Ukraine

Volksrepublik Donezk Volksrepublik Donezk
Russland Russische Freiwillige
unterstützt durch:
Russische Streitkräfte[2] (klandestin)

Befehlshaber

UkraineUkraine Bataillon Donbas Semen Sementschenko[3]
UkraineUkraine Bataillon Donbas Yuriy Bereza[4]
UkraineUkraine Bataillon DonbasR. A. Storcheus[5]
UkraineUkraine Ruslan Chomtschak[6]
UkraineUkraine Walerij Heletej[7]

Volksrepublik Donezk Volksmiliz des Donbass Alexander Sachartschenko
Volksrepublik Donezk Bataillon Somalia Michail Tolstych
Volksrepublik Donezk Bataillon Sparta Arsen Pawlow
Volksrepublik Donezk Alexander Chodakowski
RusslandRussland Waleri Gerassimow[8]

Verluste

214 Gefallene (offiziell), 1000 Gefallene (nach Angaben von Semen Sementschenko) des ukrainischen Militärs[9]
mehrere Kriegsgefangene
429 Verwundete

ca. 300 gefallene Separatistenkämpfer (ukrainische Angaben)[10]
mindestens 100 gefallene russische Soldaten[11][12][13]
20 Kriegsgefangene (ukrainische Angaben)[14]

mindestens 36 tote Zivilisten[15]

Die Schlacht um Ilowajsk war ein Kampf zwischen den sich selbst Volksmilizen nennenden prorussischen Kräften und Einheiten der russischen Streitkräfte einerseits sowie der Ukraine andererseits, der vom 10. August 2014 bis zum 2. September 2014 in Ilowajsk andauerte. Die um diese Zeit abgewendete rasche Einkesselung der regierungsfeindlichen Bewaffneten markierte den Wendepunkt im Russisch-Ukrainischen Krieg,[16] der zu einem Andauern des Krieges führte.

Vorgeschichte

Nachdem am 5. Juli 2014 Slowjansk gefallen war,[17] startete die ukrainische Armee zusammen mit Freiwilligenbataillonen eine Gegenoffensive auf Donezk.[18] Während des Vormarsches auf Donezk kämpfte die ukrainische Armee von Süden her, um die russisch-ukrainische Grenze zu sichern und Unterstützung aus Russland zu unterbinden.[19] Damit standen die Freischärlermilizen zunächst kurz vor einer Niederlage.

Die Schlacht

Das Bataillon Donbas, welches von Semen Sementschenko angeführt wurde, nahm am 18. August 2014 große Teile der Stadt ein, die bis dahin von den Milizen gehalten wurde, und hisste die ukrainische Flagge auf dem Gebäude der Stadtverwaltung.[20] Am 20. August 2014 gab die Ukraine bekannt, dass sie die Stadt vollständig kontrolliere,[21] was von den Milizen bestritten wurde. Nach einer Woche erbitterter Kämpfe wurde bekannt, dass 7.000 ukrainische Soldaten eingekesselt worden seien.[22] Bei Zwischenvorstößen der Ukrainer waren zwischenzeitlich russische Soldaten in russischen Armeefahrzeugen getötet worden,[23] Russland hatte laut ukrainischen Angaben acht Bataillone seiner Armee zum Kampf über die Grenze gesandt.[12]

Der russische Präsident Wladimir Putin gab bekannt, dass er sich für einen „humanitären Korridor für die eingekesselten ukrainischen Soldaten“ einsetze.[24] Die Ukrainer nutzten diesen vermeintlichen Korridor zur Flucht aus der Stadt, während der sie mit Panzern, Artillerie und mit Mörsern beschossen wurden, sodass nach ukrainischen Angaben 366 unbewaffnete ukrainische Soldaten fielen.[25] Dies wird von vielen Ukrainern als „Massaker von Ilowajsk“ bezeichnet. Ein deutsches Kamerateam, welches im Auftrag von Udo Lielischkies (Weltspiegel) zuvor aus dem Ilowajsker Kessel berichtete,[26] entkam nur knapp den Kämpfen.[27] Laut Semen Sementschenko fielen bei dem Fluchtversuch mehr als 1.000 ukrainische Soldaten. Bei den Kämpfen kamen zudem mindestens 36 Zivilisten ums Leben.[15] Am 3. September fuhr ein großer Konvoi der russischen Truppen wieder zurück über die Grenze nach Russland.[28][29] Die Recherchen vom Team um Boris Nemzow führten zur Erkenntnis, dass 150 russische Soldaten in der Schlacht ihr Leben gelassen hatten.[13]

Folgen

Während der ukrainischen Verluste in Ilowajsk starteten die prorussischen Milizen offenbar mit Unterstützung aus Russland mit regulären russischen Truppen eine Gegenoffensive, bei welcher die Ukraine in die Defensive geriet und die Einkesselung von Donezk und Luhansk abbrechen musste. Auch zuvor nicht umkämpfte Gebiete vor allem im Süden der Oblast wurden von regierungsfeindlichen Truppen angegriffen.[30][31] Während Zwischen-Vorstößen wurde von ukrainischen Einheiten die russische Präsenz dokumentiert, unter anderem ein Wintores-Scharfschützengewehr[32] und die nur von Russland verwendeten Panzer des Typs T-72B3.[33][34]

Ab diesem Zeitpunkt wurden auch die überall noch funktionierenden ukrainischen Behörden durch neue Machtstrukturen ersetzt.[35]

Aufgrund der im Jahr 2017 publizierten Fall-Anmeldungen beim Versicherer von Angehörigen der russischen Streitkräfte ließen sich für die in jenem Jahr hauptsächlich in Ilowajsk kämpfenden russischen Soldaten die Verluste auf mehr als hundert Personen schätzen.[11][12] Boris Nemzow hatte schon Anfang 2015 von einer Hinterbliebenenentschädigung von rund 30.000 Euro für 150 Getötete geschrieben – als Bestandteil von Geheimhaltungsverträgen zu den Umständen des Todes.[13]

Einzelnachweise

  1. Anti-gov’t forces in control of eastern town of Ilovaisk (Memento vom 3. September 2014 im Internet Archive), 2. September 2014
  2. Mörderischer Ukraine-Krieg – Flucht aus Ilowajsk Weltspiegel extra, 2. September 2014
  3. Zeit, 12. September 2014
  4. https://www.kyivpost.com/article/content/war-against-ukraine/witnesses-tell-about-attacks-on-ukrainian-soldiers-trying-to-leave-ilovaisk-at-least-100-killed-363204.html
  5. https://www.kyivpost.com/article/content/war-against-ukraine/witnesses-tell-about-attacks-on-ukrainian-soldiers-trying-to-leave-ilovaisk-at-least-100-killed-363204.html
  6. Roland Oliphant: Vladimir Putin demands negotiations over 'statehood' for eastern Ukraine. In: telegraph.co.uk. 31. August 2014, abgerufen am 6. Februar 2024 (englisch).
  7. https://www.kyivpost.com/kyiv-post-plus/bodies-of-victims-of-ilovaisk-massacre-still-being-found-counted-weeks-later-368297.html
  8. https://www.kyivpost.com/article/content/ukraine-politics/russian-army-general-staff-chief-gerasimov-ten-russian-military-servicemen-suspected-of-involvement-in-ilovaisk-tragedy-sbu-395041.html
  9. In den Trümmern der Donezker Volksrepublik, 19. Dezember 2014
  10. 107 Ukrainian and 300 Russian soldiers Killed near Ilovaisk – Defense Minister, 14. September 2014
  11. a b Putin’s Military Revival Is Low on Casualties (Op-ed), The Moscow Times, 6. Dezember 2017
  12. a b c Das Verteidigungsministerium hat die Verluste von Militärs in 2012–2016 bekannt gegeben, Wedomosti, 4. Dezember 2017
  13. a b c Russia 'lost 220 troops' in Ukraine – Nemtsov report, BBC, 12. Mai 2015
  14. Ukraine Suffers Harsh Defeat in Eastern Town, WSJ, 21. September 2014
  15. a b UN says 36 civilians died in fighting over Ilovaisk – KyivPost – Ukraine's Global Voice. 10. August 2018, abgerufen am 22. April 2022.
  16. Pause vom Krieg, Pleite für Kiew
  17. Mit einem Trick flohen die Rebellen aus Slawjansk, Welt, 6. Juli 2014
  18. Regierungstruppen beginnen Offensive auf Donezk, Zeit vom 26. Juli 2014
  19. Ostukraine: Umkämpfter Knotenpunkt. In: DiePresse.com. 20. August 2014, abgerufen am 25. Januar 2018.
  20. Abandoned Donbas Battalion fights on, kyivpost, 24. August 2014
  21. Ukraine conflict: Fierce battle for town of Ilovaisk, BBC, 20. August 2014
  22. Ukrainischer Präsident in der Kritik, Deutschlandfunk, 28. August 2014
  23. Tödliche Falle Ilowajsk – Putins Armee im Ukrainekrieg (Memento vom 6. Juli 2015 im Internet Archive), WDR, 6. Oktober 2014.
  24. Survivors recall Ilovaisk massacre, Kyivpost, 3. September 2014
  25. UKR Mission to UN – Statement von dem UN-Sicherheitsrat, 29. August 2018
  26. Weltspiegel extra: Mörderischer Ukraine-Krieg – Flucht aus Ilowajsk. Abgerufen am 29. Mai 2023 (deutsch).
  27. WDR: Ukraine-Krieg – Weltspiegel extra berichtet über Flucht aus Ilowajsk – Presselounge – WDR. 1. September 2014, abgerufen am 29. März 2022.
  28. https://forensic-archi The Battle of Ilovaisk: Verifying Russian Military Presence in Eastern Ukrainetecture.org/investigation/the-battle-of-ilovaisk The Battle of Ilovaisk: Verifying Russian Military Presence in Eastern Ukraine
  29. New evidence emerges of Russian role in Ukraine conflict – Research group Forensic Architecture collected images to use in ECHR case, The Guardian, 18. August 2019
  30. Tausende russische Soldaten in der Ukraine, WIWO, 28. August 2014
  31. Ein nicht erklärter Krieg, FAZ, 28. August 2014
  32. Ukrainian Sergeant: 'This Is Now A War With Russia', Business Insider, 27. August 2014
  33. New evidence emerges of Russian role in Ukraine conflict, The Guardian, 18. August 2019
  34. The Battle of Ilovaisk: Verifying Russian Military Presence in Eastern Ukraine, Forensic Architecture.org im Auftrag des European Human Rights Advocacy Centre (EHRAC), 2019
  35. „Jetzt ist klar, was nach Oktober 1917 vor sich ging“, Nowaja Gaseta, 1. August 2018