STEREO-ExperimentDas STEREO-Experiment (Search for Sterile Reactor Neutrino Oscillations) untersuchte die mögliche Oszillation von Reaktorneutrinos in sterile Neutrinos. Es befand sich am Institut Laue Langevin (ILL) in Grenoble, Frankreich. Die Datenaufnahme begann im November 2016. Im Jahr 2023 konnte die Existenz leichter steriler Neutrinos durch das Experiment widerlegt werden. MessprinzipTeilchenidentifikationDer STEREO-Detektor befand sich in etwa 10 m Abstand von einem Forschungsreaktor (58 MW thermische Leistung) am ILL. Um die vom Reaktor ausgesendeten Neutrinos – genauer: Elektron-Antineutrinos – detektieren zu können, war der Detektor mit 1800 Litern eines organischen Flüssigszintillators gefüllt. Dort wurden Neutrinos durch inversen Beta-Zerfall detektiert: Die gleiche Reaktion wurde auch schon zum allerersten experimentellen Nachweis von Neutrinos im Cowan-Reines-Neutrinoexperiment genutzt. Die interessierenden Reaktionsereignisse werden dabei durch eine charakteristische Folge zweier Impulse identifiziert:
Der erwartete Abstand zwischen dem Oszillationsminimum und -maximum steriler Reaktorneutrinos ist etwa 2 m. Daher ist der 2,2 m lange Detektor in 6 separate Abschnitte unterteilt, welche das Energiespektrum der Neutrinos jeweils getrennt voneinander messen. Durch Vergleich der gemessenen Spektren kann eine mögliche Oszillation entdeckt werden (siehe Abbildung 2). Das STEREO-Experiment registrierte etwa 400 Neutrinos pro Tag. Detektor-AbschirmungDa Neutrinos nur äußerst schwach wechselwirken, müssen Detektoren für Neutrinos grundsätzlich sehr sensibel sein und benötigen daher eine gute Abschirmung gegen ungewollte Signale. Die sechs inneren Detektorzellen waren von gadoliniumfreien Flüssigszintillator umgeben, der als „Gamma-Catcher“ wirkte, indem er ein- und austretende Gammaquanten detektierte. Dadurch wurde sowohl die Detektionseffizienz angehoben als auch die Energieauflösung verbessert. Oberhalb des Detektors befand sich ein mit Wasser gefüllter Tscherenkow-Antikoinzidenz-Detektor, in dem Myonen aus der sekundären kosmischen Strahlung detektiert wurden, die sonst einen störenden Hintergrund gebildet hätten. Gegen Neutronen und Gammastrahlen aus den umgebenden Experimenten war der Detektor von mehreren Abschirmungen aus Blei, Polyethylen, Stahl und Borcarbid (insgesamt 65 t) umgeben. MotivationZwar ist die Neutrinooszillation inzwischen ein gut verstandenes Phänomen, aber es gibt einige experimentelle Beobachtungen, die die Vollständigkeit dieses Verständnisses in Frage stellen. Die dahingehend wohl prominenteste Beobachtung ist die sogenannte Reaktor-Antineutrino-Anomalie (RAA). Viele reaktornahe Neutrinoexperimente haben einen im Vergleich zur Theorie signifikant () niedrigere Flussrate an Elektron-Antineutrinos () gemessen[1]. Weitere experimentelle Anomalien sind das unerwartete Auftreten von in einem -Strahl auf kurzen Abständen im Neutrinoexperiment LSND[2] sowie die Gallium-Neutrino-Anomalie, die das Verschwinden von auf kurzen Distanzen während der Kalibrationsphasen der Experimente GALLEX[3] und SAGE[4] beschreibt. Diese Anomalien könnten darauf schließen lassen, dass unser bisheriges Verständnis der Neutrinooszillation unvollständig ist und Neutrinos in eine weitere bisher unbekannte Neutrinosorte oszillieren können. Messungen der Zerfallsbreite des Z-Bosons am Large Electron-Positron Collider (LEP) schließen die Existenz weiterer leichter „aktiver“, d. h. der schwachen Wechselwirkung unterliegender Neutrinos aus[5]. Daher wird die Oszillation in zusätzliche leichte „sterile“, d. h. nicht von der schwachen Wechselwirkung betroffene Neutrinos als mögliche Erklärung untersucht. Aus theoretischer Sicht treten sterile Neutrinos in einigen prominenten Erweiterungen des Standardmodells der Teilchenphysik wie z. B. dem Seesaw-Typ-1-Mechanismus auf. ErgebnisseDie Auswertung aller Daten des Experimentes bestätigte im Jahr 2023 die Existenz der Reaktor-Antineutrino-Anomalie. Eine Erklärung der RAA durch leichte sterile Neutrinos konnte ausgeschlossen werden (siehe Abbildung 4). Die Ursache der RAA ist damit weiterhin ungeklärt. Eine mögliche Erklärung wären Verzerrungen in Vorhersagen von Kernreaktions-Daten.[6][7] Weblinks
Einzelnachweise
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