Ruxolitinib

Strukturformel
Strukturformel von Ruxolitinib
Allgemeines
Freiname Ruxolitinib
Andere Namen

(3R)-3-Cyclopentyl-3-(4-{7H-pyrrolo[2,3-d]pyrimidin-4-yl}-1H-pyrazol-1-yl)propannitril (IUPAC)

Summenformel C17H18N6
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 941678-49-5
PubChem 25126798
ChemSpider 25027389
DrugBank DB08877
Wikidata Q7383611
Arzneistoffangaben
ATC-Code

L01XE18

Wirkstoffklasse

Zytostatikum

Wirkmechanismus

Tyrosinkinase-Inhibitor

Eigenschaften
Molare Masse 306,37 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 302​‐​315​‐​318​‐​361​‐​373
P: 201​‐​202​‐​260​‐​264​‐​280​‐​301+312​‐​302+352​‐​305+351+338​‐​308+313​‐​310​‐​314​‐​330​‐​332+313​‐​362+364[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Ruxolitinib ist ein Arzneistoff, der die Januskinasen JAK1 und JAK2 hemmt. Er wird bei bestimmtem bösartigen Blutbildungskrankheiten (myeloproliferativen Neoplasien) eingesetzt.[2][3] Seit 2011 ist er in den USA unter den Handelsnamen Jakafi (Incyte Corp.), in den Ländern der EU seit 2012 unter dem Namen Jakavi (Novartis) zugelassen zur Behandlung der idiopathischen (oder primären) Myelofibrose und der Polycythaemia vera (Zulassung in der EU 2015), außerdem seit 2022 für die Behandlung der Graft-versus-Host-Reaktion (GvHD)[4].

Wirkungsmechanismus

Der Tyrosinkinaseinhibitor Ruxolitinib hemmt selektiv die beiden Januskinasen JAK-1 und JAK-2, die über den JAK-STAT-Signalweg die Wirkung pro-inflammatorischer Mediatoren und Zytokine, z. B. Interferon-γ in die Zelle und den Zellkern vermitteln.

Anwendungsgebiete

Systemisch

Ruxolitinib ist zugelassen zur Behandlung von krankheitsbedingter Splenomegalie (vergrößerter Milz) oder von anderen Symptomen bei Erwachsenen mit primärer Myelofibrose, Post-Polycythaemia-vera-Myelofibrose oder Post-Essentieller-Thrombozythämie-Myelofibrose. Ferner ist es angezeigt zur Behandlung der Polycythaemia vera bei Patienten, die resistent oder intolerant gegenüber Hydroxycarbamid sind.[5]

Auch bei Behandlung der akuten und Cortison-refraktären Graft-versus-Host-Reaktion, also einer Immunreaktion der Stammzellen nach allogener Stammzelltransplantation gegen den Empfänger, zeigt Ruxolitinib gute Ergebnisse. In einer offenen randomisierten kontrollierten Studie (Phase-III-Studie) zeigte sich unter Ruxolitinib nach 28 Tagen in 62 % (gegen 39 % in der Kontrollgruppe) eine Reaktion (Odds ratio 2,64) mit einer medianen Überlebenszeit von 11 Monaten (gegen 7 Monate).[6] Ruxolitinib ist seit dem Mai 2022 für diese Indikation in Europa zugelassen.[4]

Topisch

Im September 2021 wurde Ruxolitinib als Creme unter dem Präparatenamen Opzelura zur kurzzeitigen und zur nicht-kontinuierlichen chronischen Behandlung von leichter bis mittelschwerer atopischer Dermatitis bei nicht immungeschwächten Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren zugelassen, wenn andere topische Therapien nicht ausreichend wirksam oder nicht ratsam sind. 2022 gab es eine Zulassungserweiterung um die Behandlung von nicht-segmentaler Vitiligo bei Patienten ab 12 Jahren.[7] Vitiligo ist eine Erkrankung des Immunsystems, bei dem die Melanozyten (pigmentbildende Hautzellen) angegriffen werden, wodurch weiße Hautflecken entstehen. Die EU-Zulassung für die Behandlung von nicht-segementaler Vitiligo, wenn auch das Gesicht betroffen ist, erfolgte im April 2023.[8]

Kontraindikationen

Bei einem Unterschreiten der Thrombozytenzahl auf < 50.000/µl oder der Leukozytenzahl < 500/µl sollte die Behandlung unterbrochen werden. Außerdem sind Schwangerschaft und Stillzeit eine Kontraindikation.

Einige Patienten mit Myelofibrose entwickeln zwei bis drei Jahre nach Therapiebeginn ein aggressives B-Zell-Lymphom, da JAK2-Inhibitoren im Knochenmark schlummernde B-Zell-Lymphome aktivieren und damit den Krebs auslösen. Das aggressive Lymphom schlummert in rund 16 Prozent der Myelofibrose-Patienten. Bei etwa sechs Prozent davon bricht es durch JAK-2-Inhibitoren aus. Die ruhenden Lymphome können, wenn man sie sucht, durch eine sensitive, molekularbiologische Methode entdeckt werden – um Risikopatienten vor der Therapie mit JAK2-Inhibitoren zu bewahren.[9]

Nebenwirkungen

Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Schwindel und Kopfschmerz. Auch waren Infektionen und eine Erhöhung des Blutdrucks unter der Behandlung häufiger als bei den mit Placebo behandelten Patienten.[10]

Dosisabhängige unerwünschte "on-target"-Wirkungen sind Blutarmut (Anämie), Blutplättchenmangel (Thrombozytopenie), eine verminderte Zahl weißer Blutkörperchen und Blutungen sowie eine Immunsuppression. Auch Cytomegalie-Reaktivierungen wurden häufig beobachtet. Ruxolitinib scheint ein sehr selektiver Inhibitor mit wenigen "off-target"-Wirkungen zu sein.[11]

Anwendung bei COVID-19

Ruxolitinib wurde versuchsweise und anscheinend erfolgreich gegen COVID-19 eingesetzt.[12][13]

Handelsnamen

Jakavi (CH, EU, CND, J), Jakafi (USA), Opzelura (EU, USA)

Einzelnachweise

  1. a b Ruxolitinib. (PDF; 138 kB) caymanchem; abgerufen am 11. Juli 2016.
  2. C. Keohane, D. H. Radia, C. N. Harrison: Treatment and management of myelofibrosis in the era of JAK inhibitors. In: Biologics: targets & therapy. Band 7, 2013, S. 189–198, doi:10.2147/BTT.S34942, PMID 23990704, PMC 3753053 (freier Volltext).
  3. L. P. Yang, G. M. Keating: Ruxolitinib: in the treatment of myelofibrosis. In: Drugs. Band 72, Nummer 16, November 2012, S. 2117–2127, PMID 23061804.
  4. a b Novartis receives European Commission approval for Jakavi® to be the first post-steroid treatment for acute and chronic graft-versus-host disease. Abgerufen am 5. Juli 2022 (englisch).
  5. Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels - Jakavi 5/10/15/20 mg Tabletten. Januar 2021, abgerufen am 29. Juni 2021.
  6. Robert Zeiser, Nikolas von Bubnoff, Jason Butler, Mohamad Mohty, Dietger Niederwieser, Reuven Or, Jeff Szer, Eva M. Wagner, Tsila Zuckerman, Bruyère Mahuzier, Judith Xu, Celine Wilke, Kunal K. Gandhi, Gérard Socié et al. für die "REACH2 Trial Group": Ruxolitinib for Glucocorticoid-Refractory Acute Graft-versus-Host Disease. New England Journal of Medicine 2020, Band 382, Ausgabe 19 vom 7. Mai 2020, Seiten 1800–1810, DOI: 10.1056/NEJMoa1917635.
  7. NDA 215309, abgerufen am 28. April 2023.
  8. Eintrag EU/1/23/1726 im EU-Register für Humanarzneimittel, Europäische Kommission. Abgerufen am 28. April 2023.
  9. bloodjournal.org E. Porpaczy et al.: Aggressive B-cell lymphomas in patients with myelofibrosis receiving JAK1/2 inhibitor therapy. In: Blood, doi:10.1182/blood-2017-10-810739.
  10. Y. Ogama, T. Mineyama, A. Yamamoto, M. Woo, N. Shimada, T. Amagasaki, K. Natsume: A randomized dose-escalation study to assess the safety, tolerability, and pharmacokinetics of ruxolitinib (INC424) in healthy Japanese volunteers. In: International Journal of Hematology. Band 97, Nr. 3, 2013, S. 351–359, doi:10.1007/s12185-013-1280-5, PMID 23381973.
  11. Nelson Chao: Finally, a Successful Randomized Trial for GVHD New England Journal of Medicine 2020, Band 382, Ausgabe 19 vom 7. Mai 2020, Seiten 1853–1854, DOI: 10.1056/NEJMe2003331.
  12. Krebsmedikament heilt COVID-19-Patientin von Lungenversagen. Abgerufen am 18. Juni 2020.
  13. Andreas Neubauer, Thomas Wiesmann, Claus F. Vogelmeier, Elisabeth Mack, Chrysanthi Skevaki: Ruxolitinib for the treatment of SARS-CoV-2 induced acute respiratory distress syndrome (ARDS). In: Leukemia. 17. Juni 2020, S. 1–3, doi:10.1038/s41375-020-0907-9.