Ruth WaldstetterRuth Waldstetter (* 12. November 1882 in Basel; † 26. März 1952 in Arlesheim) ist das Pseudonym der Schweizer Schriftstellerin und Journalistin Martha Behrens-Geering. Waldstetter veröffentlichte Gedichte, Erzählungen, Romane und Dramen und war eine der ganz wenigen Schweizer Autorinnen ihrer Zeit, deren Stücke an renommierten Bühnen aufgeführt wurden. Leben und WerkRuth Waldstetter absolvierte Schulen in Basel (Ausbildung zur Lehrerin), es folgten Sprachstudien in Basel, Grossbritannien und Deutschland. Der erste Roman (Die Wahl) erschien 1910 bei S. Fischer, Berlin und machte Waldstetter als Schriftstellerin bekannt. 1915 heiratete sie den Dichter und Buchhändler Eduard Behrens und zog nach Bern, wo zahlreiche weitere Werke entstanden. Darunter waren 1917 der erfolgreiche, mehrfach aufgelegte Roman Eine Seele und zwei Dramen, die am Stadttheater Bern aufgeführt wurden. 1922 liess sie sich von ihrem Mann scheiden und arbeitete in Paris als Korrespondentin für die Basler National-Zeitung, bei der sie nach ihrer Rückkehr in die Schweiz ab 1923 auch als Theaterkritikerin wirkte. In der Folge entstanden weitere Werke, meist Erzählungen, sowie der Roman Das Schicksalsjahr (1949). Waldstetter engagierte sich im Vorstand des P.E.N.-Clubs und von 1933 bis 1941 auch im Vorstand des Schweizerischen Schriftsteller-Vereins. Wiederholt setzte sie sich für die Sache der Frau ein, so veröffentlichte sie 1920 Gedanken zum Frauenstimmrecht[1] und referierte am zweiten schweizerischen Kongress für Fraueninteressen in Bern 1921 über Die Frau in der deutsch-schweizerischen Literatur.[2] Ruth Waldstetter starb verarmt 1952 in Arlesheim. Die Auseinandersetzung junger Menschen, vor allem auch Frauen, mit dem Korsett bürgerlicher Konventionen und Erwartungen war immer wieder Thema ihrer Werke.[3] Es klingt schon in der schmalen Sammlung Lyrische Gedichte an, die Waldstetter mit ungefähr 18 Jahren veröffentlichte, damals noch unter ihrem bürgerlichen Namen Martha Geering. Daraus ein Beispiel: Im Mai. Auch ein grosser Teil des erzählerischen Werks ist diesem Thema gewidmet. Die Akteure sind meist gut situierte Bürger, wenn auch oft von wirtschaftlichem Niedergang bedroht. Ihre Freiheit wird sowohl durch ökonomische Zwänge als auch durch die sozialen Bande beschränkt. Im ersten Roman, Die Wahl, zum Beispiel, entscheidet sich der Protagonist gegen seine tieferen Bedürfnisse und trotz Bedenken für eine Heirat mit der Jugendgeliebten, weil ihm das eingebrachte Frauengut ermöglicht, sich an der vom Onkel mehr schlecht als recht geführten Firma des verstorbenen Vaters zu beteiligen und damit den Geschäftsgang mitzubestimmen. Zwangsläufig aber wird «das Zusammenleben der Eheleute zu einem quälenden Gefangenendasein»,[5] als er beginnt, seinen Neigungen mehr nachzuleben und soziales Engagement zu entwickeln, für das seine Frau und deren Familie kein Verständnis haben. Im zweiten Roman, Eine Seele, ist es die junge Protagonistin Charlotte Hoch, die zielstrebig und konsequent, gleichzeitig aber auch rücksichtsvoll und umsichtig ihre Interessen verfolgt: Sie hadert mit dem, was als Schicksal über Frauen ihrer Schicht vorbestimmt scheint:
Stattdessen möchte sie ein Studium ergreifen, um ihrem Leben mit entsprechender Arbeit Sinn zu geben, stösst dabei zunächst aber auf den Widerstand ihrer Mutter, den sie schliesslich dank der Fürsprache ihr wohlgesinnter Personen überwinden kann. Bei allem sozialkritischen Potential, das in solchen Konstellationen angelegt ist, fehlt bei Waldstetter der aggressiv-kämpferische Ton.[7] (Dies gilt in besonderer Weise auch für einen Text wie den Zeitschriftenartikel Gedanken zum Frauenstimmrecht.[8]) Das leitende Interesse Waldstetters in diesem Roman ist denn auch nicht so sehr das Sozialkritische, als vielmehr das Psychologisch-Existenzielle, das tief empfundene Ureigene des Menschen: «auch darüber führt die seelische Anlage dieser Charlotte Hoch weit hinaus, daß der Entwicklungsroman erledigt sei in der Erreichung einer beruflichen Verwertung des Lebens. Es handelt sich nicht darum, Krankenschwester zu werden, sondern eine Seele, heißt es einmal.»[9] Um tief Empfundenes geht es auch in zwei kürzeren Erzählungen, die traumatische Grenzerfahrungen des Krieges zum Gegenstand haben: In Der unnütze Mensch lesen wir den Briefwechsel zwischen einem Kriegsversehrten, der nur dank der hingebungsvollen Pflege einer Krankenschwester überlebt, der aber ans Bett gefesselt bleiben wird – weshalb er sich selber als «unnützen Menschen» bezeichnet – und ebendieser Pflegerin. Diese gewinnt aus der Dankbarkeit, die ihr der Kranke entgegenbringt, überhaupt erst die Kraft für ihre belastende Arbeit im Kriegslazarett. Und in Der Berufene zeigt sich die existenzielle Dimension der Kriegserlebnisse: Ein Soldat wird sich am Ende des Krieges bewusst, dass die Extremsituationen einen anderen Menschen aus ihm gemacht haben. Entgegen den Erwartungen der Umgebung, die auf eine Wiederaufnahme der vielversprechenden Künstlerlaufbahn hofft, weiss er, dass er etwas anderes, wesentlicheres tun muss. Was das genau sein soll, darüber ist er sich noch nicht im klaren; und bevor er sich entscheiden muss, ereilt ihn der Tod, als er bei Strassenkämpfen als Sanitäter eingesetzt wird.[10] In den frühen Dramen geht es um gesellschaftliche Probleme der damaligen Zeit: Um die Verantwortung des Künstlers gegenüber seinem Werk, die im Konflikt steht zu seiner Verantwortung gegenüber seinen Nächsten (Der Künstler) und um die Durchsetzung der eigenen Meinung einer Ehefrau, ohne die Ehe zu gefährden, wenn der Ehemann entschieden anderer Ansicht ist (Familie). Das spätere Merlins Geburt spielt in einer «poetisch-legendären Welt der Sage»[11] und schildert den Kampf zwischen einer als keltisch verstandenen Geheimweisheit, die Elemente christlicher Mystik amalgamiert hat einerseits und dem vordringenden, dogmatisch-amtskirchlichen Christentum andererseits: "Damit zeigen sich die beiden Pole von Waldstetters Schreiben: Kritik und Aufbegehren auf der einen, Resignation, Verinnerlichung, Vergeistigung auf der andern Seite. Charakteristisch auch der abrupte, für die Leserin kaum nachvollziehbare Wechsel von der einen zur anderen Seite, vom Widerstand zum Rückzug – ein brüchiges Nebeneinander von gesellschaftsbezogener Kritik und der Sehnsucht nach geistiger Harmonie."[12] Waldstetters Opus magnum ist gleichzeitig die Summe ihres Schaffens: Der Roman Das Schicksalsjahr. Hier sind viele Themen und Motive aus den früheren Werken aufgegriffen und zusammengeführt: die Frau zwischen Beruf und Familie, die Verantwortung des Künstlers, der Sinn des Leidens und eine Religiosität fern jeglicher Dogmatik, die den Menschen «die Bruderschaft im göttlichen Ursprung»[13] empfinden lässt. Neben und in einem gewissen Sinn noch vor der Religion ist es in diesem Werk vor allem die Musik, die befähigt ist, das Wesentliche des Daseins auszudrücken. Pierre, der Pfarrer, sagt einmal im Gespräch mit dem Komponisten Paul, seinem Bruder, Musik sei „die Sprache, die alles in die Sphäre des Gültigen hebt. Anders als unser Gestammel!“[14] Auszeichnungen
Werke (Auswahl)Literarische Werke
Vorträge und Aufsätze zu Politik und Literatur
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
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