Robert Kraft wurde in Leipzig als Sohn eines Weinhändlers geboren. Die Eltern ließen sich früh scheiden, und der Sohn riss infolge der strengen Atmosphäre im Elternhaus oft aus. Vom Gymnasium wurde er infolge seiner Fehlstunden relegiert. Anschließend absolvierte er auf Anordnung seines Vaters eine Lehre als Schlosser und besuchte ab 1887 die Königliche Höhere Gewerbeschule in Chemnitz.
1889 stahl er seinem Vater eine Geldsumme und wurde kurze Zeit später dafür inhaftiert. In Hamburg heuerte er auf dem Schiff „Shakespeare“ an, das vor Grönland kenterte. Nach der Rettung aus Seenot fuhr er auf weiteren Schiffen und gelangte schließlich 1890 nach Ägypten, wo er mit Gelegenheitsarbeiten sein Leben fristete und mit einer einheimischen Frau in der Wüste zusammenlebte. Um nach Konstantinopel zu gelangen, fuhr er als blinder Passagier auf einem Schiff mit und erkrankte unterwegs an der Cholera.
Das deutsche Konsulat in Konstantinopel forderte ihn auf, möglichst bald seinen Militärdienst abzuleisten. So kam er nach Wilhelmshaven und diente drei Jahre in der kaiserlichen Marine. Nach eigenen Angaben verbrachte er die meiste Zeit in einem Lager für ausgemusterte Bücher aus Schiffsbibliotheken und fand dabei genügend Zeit zum Lesen. Anschließend zog es ihn erneut nach Ägypten, um Wüstenjäger zu werden. Dort kam es in der libyschen Wüste zu Begegnungen mit Rifai-Derwischen, in deren Verlauf er sich intensiv mit übersinnlichen Phänomenen beschäftigte. Gleichzeitig musste er sich eingestehen, dass er für ein abenteuerliches Leben fern europäischer Annehmlichkeiten nicht geschaffen war.
Als in Deutschland die Aussöhnung mit seinem Vater scheiterte, zog er nach London und heiratete 1895 Johanna Rehbein. Das Paar hatte zwei Töchter. Durch deutsche Bekannte ergaben sich Kontakte zum Münchmeyer-Verlag in Dresden, in dessen Auftrag er Kolportageromane verfertigen sollte. Die Zusage des Verlags führte 1896 zur Heimkehr nach Deutschland. Als später sein Vater starb, erbte er dessen beachtliches Vermögen. Mit seiner Familie reiste er 1902 nach Monte Carlo, anschließend nach London und brachte innerhalb eines Jahres sein gesamtes Vermögen wieder durch. Mittellos zog er erneut nach Deutschland, um Kolportage zu schreiben, lebte in Kleinzschachwitz bei Dresden, Friedrichshagen, Bad Schandau, Dresden und Hamburg.
Am 10. Mai 1916 starb Robert Kraft im Alter von 46 Jahren in Haffkrug an einem Magenleiden. Seine Ehefrau und seine beiden Töchter blieben mittellos zurück.
Nach Krafts Tod erwarb der Karl-May-Verleger E. A. Schmid alle Rechte an Krafts Werken, um sie in dem ebenfalls zu diesem Zweck erworbenen Verlag Haupt & Hammon ab 1918 postum zu verlegen.[1]
Künstlerisches Schaffen
Krafts Kriminalromane, Abenteuerromane und phantastische Romane spielen in verschiedenen Teilen der Erde. Im Gegensatz zu Karl May, mit dem er oft verglichen wird, kannte er die meisten dieser Schauplätze aus persönlicher Anschauung. Von seinem Verlag wurde er als „deutscher Jules Verne“ vermarktet.
Dabei griff Kraft auf eine Vielzahl von Quellen zurück. Wie unzählige Anspielungen und Zitate nahelegen, dürfte er nicht nur die Werke von Jules Verne, sondern auch die von Alexandre Dumas dem Älteren, Henry Rider Haggard, H. G. Wells, Friedrich Wilhelm Mader und einen großen Teil der klassischen Weltliteratur gekannt haben. Gerade seine enzyklopädische Belesenheit macht Kraft zum letzten großen Vertreter des deutschen Kolportage- und Sensationsromans, der bei ihm (etwa auf den 4300 Seiten seiner „Vestalinnen“) zu einer Art Apotheose der Abenteuerwelt des 19. Jahrhunderts gerät. Dafür nutzte Kraft alle damals gängigen Formen und Varianten der volkstümlichen Prosa. Die typische Wildwest-Geschichte à la Karl May ist in seinem Werk ebenso vertreten (5. Band „Vestalinnen“), wie Elemente des Horrors („Loke Klingsor“), der Science-Fiction („Wenn ich König wäre“), der mysteriösen exotischen Novelle mit überraschender Wendung („Die Abgottschlange“,) des Kriminalromans („Detektiv Nobody“) und der Reisebeschreibung („Schnelldampfer Mikrokosmos“).
Kraft gelingt es, aus der eigentlich flachen, sensationslüsternen Sklavenarbeit des Kolportageromanschreibens eine eigene, sehr kreative Technik zu entwickeln, die bewusst versucht, Tagträume durch meditative Techniken spontan und unmittelbar in den Schreibfluss zu integrieren (siehe seine Skizze „Nächtliches Ahnen“). Darauf beruht eine der großen Stärken seiner Romane: dass sie nämlich – ungewöhnlich im Kolportagefach – schwer vorhersehbar sind und immer echte Überraschungen bieten. In den glücklichsten Momenten erreicht er pointierte Verschiebungen von der Qualität seines britischen Zeitgenossen Saki. Die Schattenseite seiner impulsiven Technik liegt auf der Hand: Handlungsstränge können versanden, Sprünge im Geschehen wirken gerade im Spätwerk mitunter recht unplausibel. Die späten Kolportageromane imponieren zwar durch eine schier unerschöpfliche Phantasie und groteske, ja psychedelische Visionen, erschöpfen sich aber oft auch in diesen Bildern; die handelnden (Neben-)Personen bleiben schematisch und in ihrem Typus austauschbar.
Obwohl Kraft ein im Grunde konservativer Erzähler war, der sich durchaus – ähnlich wie Karl May – mit dem deutschen Kaiserreich und dessen Weltmachtbestrebungen identifizierte, finden sich doch immer auch kritische und satirische Töne bei Kraft; rassistische Tendenzen gibt es vor allem noch im Frühwerk (z. B. in „Um die indische Kaiserkrone“). Herauszuheben sind dagegen sein ungewöhnlich vehementer Einsatz für den Feminismus (etwa in „Ein neuer Lederstrumpf“) und seine Sympathie für den Buddhismus (besonders ausgeprägt in „Sonnenkinder“).
Einige seiner Bücher wurden 50 Jahre nach seinem Tod im Rahmen der Buchreihe Welt der Abenteuer und ab 1996 in der Edition Ustad erneut in leicht bearbeiteter Form veröffentlicht.[2]
Loke Klingsor. Der Mann mit den Teufelsaugen. Bearbeitet von Johannes Jühling. 1927. Neuausgabe in 4 Bänden: Lüneburg 2016, Dieter von Reeken.
Die Schatzkammer Pharaos. 2000.
Erzählungen
Guten Morgen, Vielliebchen. 1895.
Fünf Wochen in der Heilsarmee. 1895.
Japanische Matrosen. 1895.
Die barmherzige Schwester. 1895/1897.
Wir winden dir den Jungfernkranz. 1895/1897.
Ein geheimnißvolles Räthsel. 1896.
Der Medizinmann. 1896.
Eine englische Wette. 1897.
Ein stummes Opfer. 1898.
Das Totenschiff. 1998.
Nur eine Negerin. 1899.
Die Katzenfarm. 1899.
Der Stern des Heils. 1899.
Schwimmunterricht bei der kaiserlichen Marine. 1899.
Die Traumapotheke. 1899.
Ein kerngesunder Mensch. 1899.
Ein Freundschaftsdienst. 1899.
Busa. 1899.
Im „Weißen Roß“. 1900.
Ein Abenteuer in den deutschen Kolonien. 1900.
Die Seeschlange. 1901.
Das Glück von Colonrock oder Der Seehund und die kluge Frau. 1901.
D.D. 1901.
In der Kolonie. 1902.
Zweimal getäuscht. 1902.
Atalanta. 1902.
Drei helle Fenster. 1904.
Das Seegespenst. 1910.
Hokapoka duplikata. 1911.
Die Dame ohne Erinnerung. 1911.
Diana mit dem Goldregen. 1912.
Fräulein Seutbeers Geist. 1912.
Der Hauptmann von Batavia. 1912.
Die Geisterhand von Black Castle. 1912.
Auf der Kommandobrücke. 1912.
Unsere Hochzeitsnacht. 1913.
Der Sultan von Berlin. 1913.
Das Brathuhn und die Zwiebeln. 1913.
Der schwedische Matrose. 1914.
Japanische Matrosen (1914). 1914.
In Walhalla. 1914.
Ein seltsamer Schuß. 1914.
Die Kriegskatze. 1914.
Der Weihnachtsmann. 1914.
Wie ich als Schiffskoch fuhr. 1912/1915.
Sammlungen und Werkausgaben
Die Roulette. Novellen. 1904.
Die Augen der Sphinx. Gesammelte Erzählungen und Romane. 1908. Auswahlausgabe von 3 Bänden: Bamberg 1996, Edition Ustad im Karl-May-Verlag.
Nächtliches Ahnen
Im Panzerautomobil um die Erde
Die Rätsel von Garden Hall
Die Wildschützen vom Kilimandscharo
Der Herr der Lüfte
Das Hohelied der Liebe
Die Nihilit-Expedition
Novacasas Abenteuer
Gesammelte Erzählungen und Romane. 1909/1910.
Der Graf von Saint-Germain
Wenn ich König wäre
Das Glück von Robin Hood
Die Arbeiten des Herkules
Im Aeroplan um die Erde.
Robert Kraft – gesammelte Romane und Novellen. Edition Braatz & Mayrhofer, 2001 ff.
Band 0: Sonderausgabe Aus dem Reiche der Phantasie
Band 1: Der Schlüssel zum Paradies
Band 2: Die Templer vom Ringe Band 1
Band 3: Die Templer vom Ringe Band 2
Band 4: Die Abgottschlange u. a. Enthält:
Robert Kraft, der Verfasser unseres neuen Romans „Die Abgottschlange“, schreibt uns über seinen Lebensgang
Die Abgottschlange
Nur eine Negerin
Das Totenschiff
Ein Abenteuer in den deutschen Kolonien
In der Kolonie
Ein stummes Opfer
Marokkanische Gaukler
Band 5: Ungleiche Naturen u. a. Enthält:
Ungleiche Naturen
Guten Morgen
Vielliebchen
Unsere Hochzeitsnacht
Band 6: Im Zeppelin um die Welt
Band 7: Die Nibelungen Band 1
Band 8: Die Nibelungen Band 2
Band 9: Sonnenkinder
Band 10: Schiffsnovellen Band 1. Enthält: Schnelldampfer Mikrokosmos
Band 11: Schiffsnovellen Band 2. Enthält:
Der Stern des Heils
Wie ich als Schiffskoch fuhr
Drei Monate unter Japanischen Matrosen
Der schwedische Matrose
Japanische Matrosen (1895)
Japanische Matrosen (1914)
Das Totenschiff
Auf der Kommandobrücke
Schwimmunterricht bei der kaiserlichen Marine
Fünf Wochen in der Heilsarmee
Die Seeschlange
Das Glück von Colonrock oder Der Seehund und die kluge Frau
Jochen der Taugenichts oder Matrosenliebe zu Wasser und zu Lande
Das Seegespenst
Ein seltsamer Schuß
Band 12: Aus allen Weltteilen. Mit den Erzählungen:
Um die Erde
Das Nebelschiff
Die schwimmende Insel
Yermak der Kosakenhauptmann und Der Waldteufel, librivox
Die Katzenfarm
Der Sultan von Berlin
Der Weihnachtsmann
Das Brathuhn und die Zwiebeln
Atalanta
Die rote Athletin
Der Medizinmann
Der Perlenfischer auf der Insel Ceylon
Band 13: Erlebnisse eines dreizehnjährigen Knaben Band 1
Band 14: Erlebnisse eines dreizehnjährigen Knaben Band 2
Band 15: Die Roulette, Die Traumapotheke und andere Erzählungen. Mit den Erzählungen:
Im Paradies der Hölle
Monsieur Automate
Lila Nachtschatten
Santa Madonna
Zweimal getäuscht (identisch mit „Aus London dunklen Gassen“)
Eine englische Wette
Die barmherzige Schwester
Bismarck, der Sultan von Berlin
Die Traum-Apotheke
Ein Freundschaftsdienst
In den Goldfeldern von Klondike
Ein kerngesunder Mensch
Busa
Im „Weißen Roß“
Aberglauben im modernen England
D. D.
Drei helle Fenster
In Walhalla
Die Kriegskatze
Band 16: Die Arbeiten des Herkules. Erzählungen. Ephemera. Mit den Erzählungen:
Die Arbeiten des Herkules
Hokapoka duplikata
Wie Du Dich bettest, so wachst Du auf!
Die Dame ohne Erinnerung
Diana mit dem Goldregen
Die Geisterhand von Black Castle
Fräulein Seutbeers Geist
Der Hauptmann von Batavia
Aus der Wahrheit Feuerspiegel lächelt sie den Forscher an
Merkwürdige Vorkommnisse aus dem Leben eines früheren Seemannes
Brief von Robert Kraft an Wilhelm Hübbe-Schleiden
Ideenaneignung
Vom Matrosen zum Romancier
Ein kaltes Bad
Der Sachse auf dem Schlachtfelde
Die Papiertüte
Aus dem Leben des Admirals de Ruyter
Wie Cornelius Vanderbilt reich wurde
Warum Bob nicht heiratete
Wie John D. Rockefeller Millionär wurde
Fischbraterei für die ärmeren Klassen im Whitechapel-Viertel in London
Zwei Lieder
Band 17: Die Schatzkammer Pharaos. Das Schwert des Damokles
Radio
Pulp Fiction im Kaiserreich: Der Kolportage-Schriftsteller Robert Kraft, Freistil-Feature von Georg Seeßlen und Markus Metz, Erstsendung am 23. August 2020 im DLF, Regie: Matthias Kapohl
Literatur
Monographien
Thomas Braatz: Robert Kraft (1869–1916). Farbig illustrierte Bibliographie. Braatz und Mayrhofer, Leipzig u. a. 2006.
Walter Henle, Peter Richter: Unter den Augen der Sphinx. Leben und Werk Robert Krafts zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Braatz & Mayrhofer, 2005.
Albert Klein: Die Krise des Unterhaltungsromans im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Theorie und Geschichte der ästhetisch geringwertigen Literatur (= Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft 84). Bouvier, Bonn 1969.
Siegfried Augustin, Axel Mittelstaedt (Hrsg.): Vom Lederstrumpf zum Winnetou. Autoren und Werke der Volksliteratur. Ronacher, München 1981, ISBN 3-923191-00-6.
Manfred Backhausen: Der einstige Erfolgsautor Robert Kraft und der Leser von heute. In: Magazin für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur. 15. Jg., Heft 60, IV. Quartal 1988.
Charlotte Bühler: Zur Psychologie der Volksliteratur. Karl May, Robert Kraft, Friedrich Gerstäcker, Aleander Dumas. In: Karl-May-Jahrbuch 1919. S. Schottlaender, Breslau 1918.
Walter Henle: Robert Kraft. Eine kommentierte Bibliographie. In: Das Phantasmaskop Nr.4. Verlag Munniksma, Giessen 1988.
Christoph F. Lorenz: Die Irrfahrten des Robert Kraft. Ein Schriftsteller im Irrgarten der Kolportage. In: (ders.): Kunst-Stücke. Kritische Wanderungen durch die abenteuerlich-phantastische Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts (= Germanistik in der Blauen Eule 17). Die Blaue Eule, Essen 1994, ISBN 3-89206-120-3, S. 115–136
Bernd Steinbrink: „Ich heiße Kraft“. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft Nr. 50 (1981).
Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn, Wolfgang Jeschke: Lexikon der Science Fiction Literatur. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-02453-2, S. 626 f.
Julia Silberer: Kraft, Robert. In: Christoph F. Lorenz (Hrsg.): Lexikon der Science Fiction-Literatur seit 1900. Mit einem Blick auf Osteuropa. Peter Lang, Frankfurt/Main 2016, ISBN 978-3-631-67236-5, S. 385–392.
↑Killys Literaturlexikon, Bd. 7, S. 12 f. Berlin 1993. J. Ganzbiller (Hg.) Jochen der Taugenichts. Darin: eine kurze Lebensbeschreibung. S. 143 ff. Wilferdorf, o. J.