Reitgräser (Calamagrostis) sind eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Süßgräser (Poaceae).[1] Die etwa 180 bis 230 Arten und Naturhybriden sind fast weltweit verbreitet. Der deutsche Trivialname Reitgras, auch Reutgras bedeutet so viel wie „Rodungsgras“ und bezieht sich auf Calamagrostis epigejos, das jedoch nicht auf Rodungen, sondern auf Waldschlägen wächst.[2]
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Vegetative Merkmale
Die Reitgras-Arten sind ausdauerndekrautige Pflanzen. Es sind horstbildende Gräser, die häufig unterirdische Ausläufer bilden. Die zahlreichen Erneuerungstriebe wachsen innerhalb oder außerhalb der unteren Blattscheiden (intra- oder extravaginal) hoch. Die Halme sind einfach oder an den unteren Knoten verzweigt und besitzen mehrere Knoten.
Die wechselständig am Halm angeordneten Laubblätter sind in Blattscheide und Blattspreite gegliedert. Die Blattscheiden sind bis zum Grund offen, gerieft, manchmal behaart und glatt oder rau. Das Blatthäutchen ist ein häutiger Saum. Die einfachen Blattspreiten sind lang und 1,5 bis 12 Millimeter breit. Sie sind flach, gerippt. Auf den Rippen sind sie rau, kahl bis behaart. Der Blattrand ist rau und häufig schneidend.
Generative Merkmale
Der rispigeBlütenstand ist reich verzweigt, meist aufrecht und nur zur Anthese ausgebreitet. Die Ährchen bestehen aus einem zwittrigen Blütchen und sind 3 bis 8 Millimeter lang, schmal und seitlich zusammengedrückt. Das Blütchen trägt am Grund der Deckspelze längere Haare, die meist gleich lang wie oder länger als die Deckspelze sind. Die Blüte fällt zur Fruchtreife als Ganzes aus den Hüllspelzen aus. Die Ährchenachse trägt an den Kanten lange weiße Haare. Die zwei Hüllspelzen sind ein- bis dreinervig und so lang wie das Ährchen. Sie sind spitz bis zugespitzt, häutig und ungleich, wobei das untere länger als das obere ist. Die Deckspelze ist drei- oder fünfnervig und halb bis 3/4 so lang wie die Hüllspelzen. Sie ist spitz oder hat zwei kurze Seitenlappen, ist häutig, kahl und trägt eine Granne. Diese sitzt meistens auf dem Rücken der Spelze, selten zwischen den Seitenlappen oder an der Spitze. Die Vorspelze hat zwei Nerven, ist bis zu gleich lang wie die Deckspelze, zarthäutig und kahl. Es gibt drei Staubblätter. Der Fruchtknoten ist kahl und trägt zwei endständige Griffel mit kurzen, federigen Narben.
Die Karyopse ist kahl. Der Nabel ist länglich und nimmt bis zu einem Viertel der Fruchtlänge ein.
Bei den tetraploiden Calamagrostis-Arten verläuft die Meiose normal, sie sind Fremdbefruchter. Bei Sippen mit höherer Ploidie kommt es häufig zu Störungen in der Meiose, sie pflanzen sich teilweise apomiktisch fort. Das Verhältnis zwischen apomiktischer und sexueller Samenbildung kann dabei je nach Alter der Pflanze und nach Jahreszeit variieren. Einige Arten, wie Calamagrostis purpurea und Calamagrostis pseudopurpurea pflanzen sich rein apomiktisch fort.
Wenn zwei Arten im gleichen Gebiet vorkommen, bilden sie häufig Hybride, die stets steril sind, sich aber vegetativ vermehren können.
Systematik und Verbreitung
Taxonomie
Die Gattung Calamagrostis wurde 1763 durch Michel Adanson in Familles des Plantes, Band 2. S. 31, 530 aufgestellt.[3] Der Gattungsname Calamagrostis leitet sich von den griechischen Wörtern kalamagrostis für „Rohrgras, Schilfgras“ ab, zu kalamos für „Rohr“ und agrostis für „Futtergras“ ab. Synonyme für CalamagrostisAdans. sind: AncistrochloaHonda, AnisachneKeng, AthernotusDulac, ChamaecalamusMeyen, CinnagrostisGriseb., DeyeuxiaClarion ex P.Beauv., SclerodeyeuxiaPilg., StilpnophleumNevski, StylagrostisMez.[4] Über den Umfang der Gattung Calamagrostis und die Abgrenzung oder Einbeziehung der Gattungen Agrostis sowie Deyeuxia wird kontrovers diskutiert.[5]
Äußere Systematik
Die Gattung Calamagrostis gehört zur Subtribus Agrostidinae der Tribus Poeae, bei manchen Autoren Aveneae in der Unterfamilie Pooideae innerhalb der Familie Poaceae.[6] Es gibt viele Naturhybriden.[4]
Arten, Naturhybriden und ihre Verbreitung
Die Gattung Calamagrostis ist weltweit verbreitet. Ein Mannigfaltigkeitszentrum liegt mit etwa 100 Arten in Südamerika.[1] In der Gattung Calamagrostis s. l. etwa 230 Arten, von denen nach Fischer (2008) 14 in Europa vorkommen.[2] In Mitteleuropa kommen acht bis neun Arten vor: Wald-Reitgras[7] (Calamagrostis arundinacea), Sumpf-Reitgras[7] (Calamagrostis canescens), Land-Reitgras[7] (Calamagrostis epigejos), Ufer-Reitgras (Calamagrostis pseudophragmites), Purpur-Reitgras (Calamagrostis purpurea), Sächsisches Reitgras[7] (Calamagrostis rivalis), Moor-Reitgras[7] (Calamagrostis stricta), Berg-Reitgras[7] (Calamagrostis varia), Wolliges Reitgras[7] (Calamagrostis villosa).[2]
In der Gattung Calamagrostis s. l. gibt etwa 153[4] bis 200 Arten:
Wald-Reitgras (Calamagrostis arundinacea(L.) Roth) (Syn.:Calamagrostis brachytrichaSteud.): Es ist in den gemäßigte Gebieten Eurasiens und in Neuguinea weitverbreitet.[4]
Calamagrostis brachyathera(Stapf) Govaerts: Sie kommt in den australischen Bundesstaaten New South Wales, Victoria sowie in Tasmanien vor.[4]
Calamagrostis breviglumis(Benth.) Hack. ex Maiden & Betche: Sie kommt nur in den australischen Bundesstaaten östliches New South Wales sowie östliches Victoria vor.[4]
Calamagrostis ecuadoriensisLaegaard (Syn.: Laegaardia ecuadoriense(Laegaard) P.M.Peterson, Soreng, Romasch. & Barberá): Sie kommt in Ecuador vor.[4]
Calamagrostis effusa(Kunth) Steud. (Syn.: Paramochloa effusa(Kunth) P.M.Peterson, Soreng, Romasch. & Barberá): Sie kommt von Venezuela bis Ecuador vor.[4]
Calamagrostis effusiflora(Rendle) P.C.Kuo & S.L.Lu ex J.L.Yang: Sie kommt vom östlichen Himalaja bis China vor.[4]
Land-Reitgras (Calamagrostis epigejos(L.) Roth): Es ist in den gemäßigte Gebieten Eurasiens weitverbreitet. Sie ist in Nordamerika ein Neophyt. Sie kommt in einer besonderen Unterart in Afrika vor.[4]
Calamagrostis erectifoliaHitchc. (Syn.: Peyritschia erectifolia(Hitchc.) P.M.Peterson, Soreng, Romasch. & Barberá): Sie kommt in Mexiko vor.[4]
Calamagrostis eriantha(Kunth) Steud. (Syn.: Peyritschia eriantha(Kunth) P.M.Peterson, Soreng, Romasch. & Barberá): Sie kommt in Mexiko vor.[4]
Calamagrostis expansa(Munro ex Hillebr.) Hitchc. (Syn.: Greeneochloa expansa(Munro ex Hillebr.) P.M.Peterson, Romasch. & Soreng): Sie kommt auf Hawaii vor.[4]
Calamagrostis fibrovaginataLaegaard (Syn.: Cinnagrostis coarctata(Kunth) P.M.Peterson, Soreng, Romasch. & Barberá): Sie kommt in Südamerika vor.[4]
Calamagrostis fiebrigiiPilg. (Syn.: Cinnagrostis fiebrigii(Pilg.) P.M.Peterson, Soreng, Romasch. & Barberá): Sie kommt in Bolivien und in Argentinien vor.[4]
Calamagrostis filifoliaMerr. (Syn.: Pentapogon suizanensis(Hayata) P.M.Peterson, Romasch. & Soreng): Sie kommt in Taiwan und auf den Philippinen vor.[4]
Calamagrostis frigida(F.Muell. ex Benth.) Maiden & Betche (Syn.: Pentapogon frigidus(F.Muell. ex Benth.) P.M.Peterson, Romasch. & Soreng): Sie kommt in Australien vor.[4]
Calamagrostis gayana(Steud.) Soreng (Syn.: Deschampsia gayana(Steud.) Romasch., P.M.Peterson, Soreng & Barberá): Sie kommt in Chile und Argentinien vor.[4]
Calamagrostis kengiiT.F.Wang: Sie gedeiht im Wald, am Waldrand, feuchten Standorten und auf Ödland nur in den chinesischen Provinzen Heilongjiang sowie Jilin.[5]
Purpur-Reitgras (Calamagrostis purpurea(Trin.) Trin.): Es ist in subarktischen und subalpinen Gebieten der Nordhalbkugel verbreitet.[4] Mit den Unterarten:[8]
Calamagrostis purpurea subsp. langsdorffii(Link) Tzvelev: Sie kommt in Europa nur in Russland vor.[8]
Sächsisches Reitgras (Calamagrostis rivalis(Torges) H.Scholz,[9] Syn.: Calamagrostis pseudopurpureaGerstl. ex O.R. Heine): Dieser Endemit kommt nur in Sachsen und Sachsen-Anhalt vor. Wird von manchen Autoren aber als Synonym zu Calamagrostis purpurea(Trin.) Trin. gestellt.[4][4]
Calamagrostis sinelatior(Keng) P.C.Kuo & S.L.Lu ex J.L.Yang (Syn.: Deyeuxia sinelatiorKeng)[4]: Sie gedeiht im Wald und am Waldrand in Höhenlagen von 1000 bis 3200 Metern in den chinesischen Provinzen Henan, Shaanxi sowie Sichuan.[5]
Moor-Reitgras (Calamagrostis stricta(Timm) Koeler): Es ist in subarktischen bis gemäßigten Gebieten der Nordhalbkugel verbreitet und kommt von Peru bis zum südlichen Südamerika vor.[4]
Calamagrostis ×acutiflora(Schrad.) DC. = Calamagrostis arundinacea × Calamagrostis epigejos: Sie kommt disjunkt in Europa und im zentraleuropäischen Russland und in Russlands Fernem Osten vor.[4]
Calamagrostis ×andrejewiiLitv. = Calamagrostis arundinacea × Calamagrostis obtusata: Sie kommt von Nordösteuropa bis Sibirien vor.[4]
Calamagrostis ×badzhalensisProb. = Calamagrostis korotkyi × Calamagrostis purpurascens: Sie kommt in Russlands Fernem Osten vor.[4]
Siegmund Seybold (Hrsg.): Schmeil-Fitschen interaktiv. CD-ROM, Version 1.1. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2002, ISBN 3-494-01327-6.
K. E. W. Torges: Zur Gattung Calamagrostis Adans. In: Mitth. Thüring. Bot. Vereins, Band 12, 1898, S. 22–25.
Hans Joachim Conert: Calamagrostis. In: Hans Joachim Conert (Hrsg.): Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Begründet von Gustav Hegi. 3., völlig neubearbeitete Auflage. Band I, Teil 3: Spermatophyta: Angiospermae: Monocotyledones 1(2). Poaceae (Echte Gräser oder Süßgräser). Parey Buchverlag, Berlin 1998, ISBN 3-8263-2868-X, S.357–380 (erschienen in Lieferungen 1979–1998 – 5. Lieferung, 1989).
↑ abc
Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9.
↑Calamagrostis bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 16. März 2024.
↑Calamagrostis im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 16. März 2024.
↑ abcdefgWalter Erhardt, Erich Götz, Nils Bödeker, Siegmund Seybold: Der große Zander. Enzyklopädie der Pflanzennamen. Band 2. Arten und Sorten. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2008, ISBN 978-3-8001-5406-7.