Reform des Sicherheitsrats der Vereinten NationenÜber eine Reform des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (englisch Reform of the United Nations Security Council) wird seit Beginn der 1990er Jahre in Politik und Politikwissenschaft diskutiert. Seit der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan 2003 einen Prozess zur Reform der Vereinten Nationen auf den Weg brachte, ist die Reform des UN-Sicherheitsrats Teil dieser Debatte. Eine Reform des UN-Sicherheitsrats nach Art. 108 der UN-Charta benötigt eine Zweidrittelmehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in der UN-Vollversammlung. Damit eine solche Reform in Kraft treten kann, muss sie anschließend außerdem von zwei Dritteln der UN-Mitgliedsstaaten und den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates (P5) ratifiziert werden. Die Blockademöglichkeit der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats erschwert die Reform des Sicherheitsrats in besonderer Weise. Die diskutierten Veränderungen umfassen im Wesentlichen fünf Themenbereiche: Kategorien der Mitgliedschaft im UNO-Sicherheitsrat, die Frage des Vetorechts der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, die Ausgewogenheit der regionalen Repräsentation, die Größe und Arbeitsweise des reformierten Sicherheitsrats und das Verhältnis des Sicherheitsrats zur UN-Generalversammlung. Reformen des Sicherheitsrats in der VergangenheitZwischen 1946 und der ersten Reform des UNO-Sicherheitsrats hatte das Gremium 11 Sitze, davon fünf ständige. Da sich im Rahmen des Dekolonisationsprozesses in den ersten zwanzig Jahren ihrer Existenz die Zahl der UN-Mitglieder mehr als verdoppelte, wurden die Stimmen nach einer Vergrößerung des UNO-Sicherheitsrats und einer gleichmäßigeren geografischen Verteilung der Sitze schon in den sechziger Jahren laut. Die Bewegung der Blockfreien Staaten bekam im Jahr 1963 eine Mehrheit in der Generalversammlung für eine Erweiterung des Sicherheitsrats. Bei Enthaltung Großbritanniens und der USA und gegen die Stimmen Frankreichs und der UdSSR wurde die Resolution 1991 mit übergroßer Mehrheit angenommen.[1] Schließlich ratifizierten aber nicht nur mehr als zwei Drittel der UNO-Mitglieder, sondern auch die fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat die Resolution, sodass die Erweiterung des Sicherheitsrats erfolgreich war. Reformvorschläge nach dem Ost-West-KonfliktEine neue Debatte über die Reform des UNO-Sicherheitsrats entbrannte nach dem Ende des Ost-West-Konflikts vor dem Hintergrund der irakischen Invasion in Kuwait im August 1990. Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates gab der US-amerikanisch geführten Koalition zur Befreiung Kuwaits das Recht alle nötigen Mittel einzusetzen, um die irakische Armee zurückzudrängen. Mit diesem ersten durch den Sicherheitsrat initiierten Peacebuilding-Einsatz mehrten sich auch die Stimmen, die eine Reform des Gremiums forderten. Im Dezember 1992 forderten Indien und Japan in der Generalversammlung den Generalsekretär der Vereinten Nationen dazu auf, Vorschläge für eine Reform des Sicherheitsrats zu machen.[2] Nachdem ein Großteil der Mitglieder der Vereinten Nationen Vorschläge zur Reform des Sicherheitsrats eingereicht hatten, setzte die Generalversammlung die Open ended working group on the question of equitable representation on and increase in the membership of the Security Council and other matters related to the Security Council ein. Damit hatte sich die Reform des Sicherheitsrats in den Vereinten Nationen institutionalisiert. Commission on Global GovernanceDie Commission on Global Governance machte in ihrem 1995 vorgelegten und kontrovers diskutierten Bericht Our Global Neighbourhood auch Vorschläge zur Reform des UNO-Sicherheitsrats. Die Kommission benannte den schlechten Repräsentationsgrad des Sicherheitsrats als Problem, welches zu einer Legitimationskrise des wichtigsten UNO-Organs führe. Der Vorschlag der Kommission sieht acht neue Sitze, darunter bis zu fünf ständige Sitze ohne Vetorecht, vor. Der Bericht mahnt eine ausgewogene regionale Repräsentation und die Berücksichtigung der weltweit größten Volkswirtschaften an. Die Verteilung der nichtständigen Sitze bleibt bei dem Vorschlag der Commission on Global Governance unklar. Razali-PlanIm März 1997, die Open ended working group hatte bereits drei Jahre lang existiert, legte der malaysische Diplomat Razali Ismail einen Vorschlag für eine Reform des Sicherheitsrats vor, von dem er hoffte, er sei mehrheitsfähig. Er sah für Deutschland, Japan, ein afrikanisches, asiatisches und lateinamerikanisches Land je einen neuen ständigen Sitz ohne Vetorecht vor. Die Zahl der nicht ständigen Sitze sollte von bislang 10 auf 14 erhöht werden, mit je einem neuen Sitz für Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Eine Mehrheit für Razalis Vorschlag zeichnete sich jedoch nicht ab. Bis 1997 erarbeitete die OEWG eine Vielzahl an Reformvorschlägen, vor allem zum Cluster I, wobei sich im Rahmen der Sitzungen nur schwerlich eindeutige Bekenntnisse und Mehrheiten der Teilnehmer festmachen ließen. Dies bedeutete, dass innerhalb der Arbeitsgruppe eine Reihe von Vorschlägen diskutiert wurde, ohne dass es ein abschließendes Verhandlungsergebnis gegeben hätte, was als Grundlage für die Generalversammlung hätte dienen können. Die Modelle zur Erweiterung des SR fallen dabei unterschiedlich aus. Einige sehen eine Anhebung ständiger und nicht ständiger Sitze vor, die sowohl von Industriestaaten als auch Angehörigen der Entwicklungsländer zu besetzen seien: zwei zusätzliche ständige Mitglieder und bis zu acht nicht ständige. Auch in Bezug auf den Gebrauch des Vetos gab es unterschiedliche Meinungen. Einige befürworteten die Ausweitung des Vetos auf neue, ständige Mitglieder, andere hingegen sahen im Vetorecht an sich ein undemokratisches Privileg, das nach Ende des Kalten Kriegs abgeschafft gehörte.[3] Modelle des High-level-Panel on Threats, Challenges and ChangeNach den Terroranschlägen des 11. September 2001 stellte sich auf neue Weise die Frage, wie mithilfe des Sicherheitsrats kollektive Sicherheit gewährleistet werden kann. UN-Generalsekretär Kofi Annan setzte deshalb im Jahr 2003 das High-level Panel of eminent personalities ein, welches unter anderem Vorschläge zur Reform der Vereinten Nationen machen sollte. Da man sich innerhalb des Gremiums nicht einigen konnte, wurden zwei verschiedene Vorschläge zur Reform des Sicherheitsrats vorgelegt. Beide Modelle sehen eine Erweiterung des Sicherheitsrats auf 24 Mitglieder vor. Modell A sieht sechs neue ständige Sitze ohne Vetorecht vor, während Modell B vorsieht, keine weiteren ständigen Sitze einzurichten und stattdessen acht der neun neuen Sitze als quasi-permanente Sitze auszugestalten, die für vier Jahre besetzt werden und bei denen eine unmittelbare Kandidatur möglich ist. Vorschlag der G4Im Juli 2005 machten die G4-Staaten Brasilien, Deutschland, Indien und Japan, die alle spätestens seit Mitte der neunziger Jahre als potentielle Kandidaten für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat gehandelt werden, einen Vorschlag zur Reform des Sicherheitsrats. Ebenso wie der Razali-Plan sieht er sechs neue ständige Sitze ohne Vetorecht vor, vier davon für die G4-Staaten und zwei für afrikanische Länder. Die Anzahl nichtständiger Sitze soll um vier (um jeweils einem Sitz für die lateinamerikanische, die asiatische, die afrikanische und die osteuropäische Gruppe) erhöht werden, sodass der Sicherheitsrat nach diesem Modell insgesamt 25 Mitglieder umfassen würde.[4] Uniting for ConsensusUnter der Führung Italiens trat kurz nach der Vorstellung des G4-Modells eine Gruppe von Staaten unter dem Namen Uniting for Consensus in Erscheinung. In der Gruppe sind Staaten vereint, die mit der Kandidatur neuer ständiger Mitglieder im Sicherheitsrat ihre Rolle im internationalen System bedroht sehen. Deren Vorschlag lehnt die Einrichtung neuer ständiger Sitze im Sicherheitsrat ab und plädiert stattdessen für die Schaffung zehn neuer nichtständiger Sitze und für die Wiederwahlmöglichkeit bei den dann zwanzig nichtständigen Sitzen. Vorschlag der Afrikanischen UnionDie afrikanischen Staaten als zweitgrößte Regionalgruppe der Vereinten Nationen brachten 2005 ebenfalls einen eigenen Vorschlag in die Debatte ein. Dieser fordert bei einer neuen Größe des Sicherheitsrats von 26 Sitzen sechs neue ständige Sitze mit Vetorecht, je zwei für Afrika und Asien und einen für Westeuropa und Lateinamerika. Da die Schaffung neuer ständiger Sitze mit Vetorecht aber insbesondere von den P5 abgelehnt wird, hat dieser Vorschlag von vornherein keine Chance auf Umsetzung.[5] Die L69-GruppeDiese Gruppe formierte sich 2007 unter der Führung Indiens und reichte als Vertreter von damals zunächst 27 Staaten einen noch eher allgemein gehaltenen Vorschlag zur Erweiterung des SR in beiden Kategorien (ständige und nichtständige Mitglieder) ein, verbunden mit einer gerechteren geografischen Verteilung und unter Berücksichtigung der Entwicklungs- und Schwellenländer. Dem Vorschlag zufolge sollen Sitze für eine ständige Mitgliedschaft auf Afrika, Asien, Lateinamerika, Westeuropa und andere Staaten entfallen; unter den nichtständigen Mitgliedern soll es einen zusätzlichen Sitz nach dem Rotationsprinzip für kleine Inselstaaten geben. Eine Gesamtzahl von etwa 25 Mitgliedern wird als optimal angesehen, wobei die Arbeitsmethoden des SR entsprechend anzupassen sind.[3] Der Französisch-Mexikanische Vorschlag von 2013Ausgehend von einem Aufruf des französischen Staatspräsidenten Francois Hollande bei einer UN-Vollversammlungs-Debatte im Jahr 2013 und gefolgt von einem Gastkommentar des französischen Außenministers Laurent Fabius in der NYT[6] entstand die gemeinsame französisch-mexikanische Deklaration, nach der die P5 in Fällen von Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen auf das Vetorecht verzichten sollten.[7][8] Der Vorschlag der ACT-Gruppe (u. a. Liechtenstein) von 2015Die ACT-Gruppe (Accountability, Coherence and Transparency Group), eine Gruppe von 27 kleinen und mittelgroßen Staaten, schlug einen Verhaltenskodex vor. Der Verhaltenskodex ist ein Aufruf, Maßnahmen des Sicherheitsrats in Fällen von Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zu unterstützen und nicht gegen glaubwürdige Resolutionen des Sicherheitsrats in solchen Fällen zu stimmen.[7][9] Die ständige Vertretung von Liechtenstein verteilte eine schriftliche Ausfertigung dieses Verhaltenskodexes. Damit wurden alle Mitgliedsstaaten im September 2015 förmlich dazu eingeladen, dem Verhaltenskodex zuzustimmen.
Zwischenstaatliche Verhandlungen auf Regierungsebene zur Reform des Sicherheitsrats (2023/24)Im Rahmen der 78. Vollversammlung der Vereinten Nationen wurden am 13./14. Dezember 2023 die Verhandlungen zwischen den Ländern zur Reform des Sicherheitsrates wiederaufgenommen. Die Verhandlungen werden schriftlich auf einer Internetplattform abgebildet.[10] Zwischen den offiziellen Verhandlungstagen soll es genügend Zeit zum Austausch zwischen den Ländern geben. Die Verhandlungen gehen von fünf thematischen Clustern aus, die Kuwait und Österreich als Mediatoren einbringen: 1. Anzahl nicht ständiger Mitglieder, 2. Vetorecht, 3. Regionale Repräsentativität, 4. Größe und Arbeitsmethoden, 5. Verhältnis zur Vollversammlung. Es soll dabei auf Divergenzen und Konvergenzen zwischen den Verhandlungspositionen sowie um Ausgleich zwischen Divergenzen geachtet werden. Ziel ist ein deutlicher Fortschritt in den Gesprächen bis Anfang Juni 2024. Beteiligt sind Einzelländer und Länder als Sprecher von Ländergruppen.
Vorschlag von Liechtenstein und Mexiko vom 22. Januar 2024Am 22. Januar 2024 brachten die Länder Mexiko und Liechtenstein zwei Vorschläge ein, die die Repräsentativität des Sicherheitsrats stärken und das Vetorecht der ständigen Mitglieder in einem längerfristigen konsensualen Vorgehen eindämmen sollen. Im Kern geht es um eine Flexibilisierung der Mitgliedszeit, eine Bildung regionaler Gruppen und eine jährliche Überprüfung durch die Vollversammlung.[13] Dreißig Länder und fünf Ländergruppen übernahmen Redebeiträge.[14]
Provisorischer Vorschlag der Konsensgruppe vom 27. Februar 2024Am 27. Februar 2024 stellte die Konsensgruppe ihren Vorschlag zur künftigen Zusammensetzung des Sicherheitsrats für den 18. März 2024 in Aussicht. Als provisorischen Vorschlag für den Übergang bis zu einer Aufgabe des Vetos schlägt sie folgende Sitzverteilung, ausgehend von den Regionalgruppen der UN, vor: Afrika (54 Staaten): 6 Sitze (kein Veto-Sitz), Asiatisch-pazifische Gruppe (53 Staaten): 6 Sitze (ein Veto-Sitz: China), Lateinamerikanisch-Karibische Gruppe (33 Staaten): 4 Sitze (kein Veto-Sitz), Westeuropäische Gruppe und weitere Staaten (26 Staaten): 3 Sitze (3 Veto-Sitze: Frankreich, Vereintes Königreich, Vereinigte Staaten), Osteuropäische Staaten (22 Staaten): 2 Sitze (1 Veto-Sitz: Russische Föderation), Kleine Insel-Entwicklungsländer (39 Staaten): 1 Sitz (kein Veto-Sitz).[23] Vorschlag der G4 vom 7. März 2024Der Vorschlag der G4 wurde im Namen von Brasilien, Deutschland, und Japan durch das Mitgliedsland Indien vorgestellt. Er sieht eine Erweiterung des Sicherheitsrats um sechs ständige und vier bis fünf nicht ständige Mitglieder vor, die durch die Vollversammlung gewählt werden sollen. Dabei sei folgender Schlüssel sinnvoll: Ständige Sitze: je zwei für Afrika bzw. den asiatisch-pazifischen Raum, je einer für Lateinamerika und die Karibik bzw. Westeuropa und andere Länder; nicht ständige Sitze: 1–2 für Afrika, je einer für den asiatisch-pazifischen Raum, Westeuropa und andere Länder, Lateinamerika und die Karibik. Die neuen permanenten Mitglieder sollen bis zur Klärung der Veto-Frage kein Veto ausüben. Nach fünfzehn Jahren soll das System überprüft werden. Jedes gewählte Mitglied soll mindestens einmal die Präsidentschaft ausüben. Die Hauptgeldgeber unter den Mitgliedsländern sollen regelmäßig zur Beratung herangezogen werden, ebenso die Präsidenten der Vollversammlung bzw. des Wirtschafts- und des Sozialausschusses der UN. Nicht ständige Mitglieder sollen eine Art Aufwandsentschädigung erhalten. Auch Regionalgruppen sollen als nicht ständige Mitglieder gewählt werden können.[24]
Vorschlag der Konsensgruppe vom 18. März 2024Am 18. März 2024 stellte die Konsensgruppe ihren Reformvorschlag vor, den sie vor dem Hintergrund der laufenden Gespräche aktualisiert hatte. Sie sah Konvergenzen an folgenden Punkten: 1. Mehr Zugang für unterrepräsentierte UN-Regionen. 2. Längerfristige Mitgliedschaft für Staaten, die mehr zur UN beitragen können und wollen; Neue Rotationsmechanismen für nicht geographische Ländergruppen. 3. 3/5-Mehrheit. 4. Abschaffung, zumindest aber Eindämmung des Vetos. 5. Jährliche Rechenschaftspflicht gegenüber der Vollversammlung und ständige Transparenz und Kommunikation mit Nichtmitgliedern des Sicherheitsrats und anderen Gruppierungen innerhalb der UN. Ausgehend von der aktuellen Teilung zwischen permanenten und (gewählten) befristeten Mitgliedern hält die Konsensgruppe mit Blick auf die UN-Regionen folgende Sitzverteilung für konsensfähig: Afrikanische Union (55 Staaten): 6 kurzfristige und 3 langfristige Sitze, Asien-Pazifik (53 Staaten): 6/3, Lateinamerika und Karibik (33 Staaten): 4/2, Westeuropa und weitere (28 Staaten): 3/1, Osteuropa (23 Staaten): 2/1, Kleine Staaten und Inselstaaten: 1; 5 permanente Sitze wie gehabt. Dies ergäbe Diskussionsbedarf, welche Länder eine Chance auf welche Sitze hätten und nach welchem Schema gewählt werden soll. Kein Staat, außer wenn er zu den Kleinen Staaten und Inselstaaten gehört, dürfe nacheinander oder gleichzeitig beide zeitlichen Kategorien von Sitzen (kürzerfristig, längerfristig) innehaben.[44]
Vorschlag des Mitgliedslandes Liechtenstein vom 22. März 2024Am 22. März 2024 richtete Liechtenstein als ein kleiner Mitgliedsstaat einen Brief an die beiden amtierenden Koordinatoren der Reform des Sicherheitsrats, Kuwait und Österreich, mit der Bitte um Bekanntgabe unter den Mitgliedsstaaten der UN. Das Schreiben enthält vor dem Hintergrund der bisherigen Gespräche unter den Mitgliedsstaaten, insbesondere zur Arbeitsweise des künftigen Sicherheitsrats, folgendes Modell zur Reform des Sicherheitsrats: 1. Einrichtung langfristiger, wiederwählbarer (quasi-permanenter) Sitze von etwa acht Jahren Dauer unter Berücksichtigung aller Weltregionen (zu Lasten des bisherigen Eurozentrismus). 2. Abschaffung oder zumindest weitmögliche Eindämmung des Veto der bisherigen permanenten Mitglieder. 3. Überprüfung der Funktionalität des neuen Modells bei der Wiederwahl langfristiger Mitglieder, um die bisherigen permanenten Mitglieder von der Qualität des neuen Sicherheitsrats zu überzeugen. Davon unberührt bleibt eine Überprüfungskonferenz der UN-Charta gemäß Artikel 109. 4. Änderung und Anpassung der Arbeitsmethoden entsprechend den Bedürfnissen des neu zusammengesetzten und erweiterten Sicherheitsrats. Der Umgang mit dem Veto soll im Rahmen der Arbeitsmethoden modifiziert werden. 5. Bei der Einsetzung von mehr langfristigen Mitgliedern erhöhen sich die Teilhabechancen kleinerer Länder im Sicherheitsrat, sofern sie sich für kürzerfristige Sitze bewerben (also schnellere Rotation). Voraussetzung dafür ist, dass kein Land gleichzeitig oder nacheinander für beide Kategorien von Sitzen kandidieren darf.[59] Sachstandsberichte an die 78. UN-Vollversammlung zu den zwischenstaatlichen Verhandlungen zur Reform des Sicherheitsrats (IGM) (April 2024)Am 5. April 2024 erschien der Sachstandsbericht der beiden amtierenden Koordinatoren der Reform des Sicherheitsrats, Kuwait und Österreich. Es enthält 17 Konvergenzen und eine Divergenz, die sich aus den Aussprachen ergaben: So halten die Mitgliedsländer etwa die Gespräche bei gemeinsamen Sitzungen der Staaten (IGM Process), die 1) als öffentlich vorgestellte Vorschläge und Statements, 2) aber als nicht öffentliche Aussprachen mit einem organisierten Nachgespräch strukturiert sind, für die bestmögliche Form. Auch die seit 2023 vorhandene Website wird einhellig begrüßt. Die Reform des Sicherheitsrats soll ein inklusives, transparentes, effizientes, effektives, demokratisches und berechenbares Funktionieren des Sicherheitsrats gewährleisten. Die Reform des Sicherheitsrats soll durch die Vollversammlung in regelmäßigen mittelfristigen Abständen überprüft werden. Die Bestimmung des Generalsekretärs soll im Miteinander beider Gremien geschehen. Die Präsidenten von Sicherheitsrat und Vollversammlung sollen in regelmäßigem Austausch stehen. Nichtmitgliedeländer und Gremien der UN sollen über die Arbeit des Sicherheitsrats zeitnahe informiert oder eingebunden werden. Alle fünf Cluster sollen bearbeitet werden nach dem Grundsatz: Nichts hat Konsens, wenn nicht über alles Konsens gefunden worden ist. Konsens heißt dem Papier zufolge nichts Anderes als Kompromiss, wobei der Kompromiss die verschiedenen Positionen und Interessen möglichst weit ausbalanzieren soll. Die Idee, kleine Länder, Entwicklungsländer und Inselstaaten mit einem rotierenden kurzfristigen Sitz im Sicherheitsrat auszustatten, fand ebenfalls breite Zustimmung. Die größte Divergenz bestand in der Frage, ob zeitnahe zu textbasierten Verhandlungen übergangen werden soll. Daür sprachen sich die L69-Gruppe, die Benelux-Staaten, die G4 und die Nordische Gruppe aus, dagegen die Konsensgruppe, die Afrikanische Gruppe und die Arabische Gruppe. Außerdem wurde jedes Cluster auf Konvergenzen und Divergenzen hin analysiert. Der größte aktuelle Gesprächsbedarf resultierte aus der Frage, wie mit Staatengruppen als möglichen Mitgliedern des künftigen Sicherheitsrats umgegangen werden soll und was dies für die Art der Mitgliedschaft sowie die Anzahl der Mitglieder bedeutet. Für eine annehmende Mehrheitsentscheidung kommt nach Art. 24 (3) der UN-Charta 50 Prozent der Stimmen + 1 Stimme, 60 Prozent der Stimmen + 1 Stimme oder einfache Mehrheit der Stimmen + 1 Stimme in Betracht. Über die Frage, ob bei einer Beibehaltung des Vetosystems auch weiterhin nur ein Veto zur Ablehnung eines Vorschlags ausreichen soll, besteht Diskussionsbedarf. Es gibt bei weitaus den meisten Mitgliedsländern den Wunsch, dass die UN-Charta, und insbesondere Artikel 27 (3) der UN-Charta, in die Reform implementiert wird. Alle künftigen Mitglieder des Sicherheitsrats müssen Art. 23 (1) der Charta anerkennen (notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Mitgliedschaft). Enthalten ist der Hinweis auf den „Gipfel der Zukunft“ (Summit of Future) im September 2024 als wichtigem Orientierungspunkt für die Reform des Sicherheitsrats, nicht zuletzt deswegen, weil die Reform des Sicherheitsrats Auswirkungen auf die Reform der ganzen UN haben wird. Mehrere vorgeschlagene Modelle zur Reform des Sicherheitsrats von 2023 bzw. 2024 sind dem Papier beigefügt.[60] An der informellen Aussprache über den Sachstandsbericht der beiden Koordinatoren (Österreich, Kuwait) beteiligten sich am 15. April 2024 insgesamt sechs Ländergruppen[61] bzw. 14 Länder[62]. Eine große Zustimmung bestand in folgenden Punkten: 1. Textorientierte Verhandlungen; 2. Erweiterung des Sicherheitsrats; 3. Überprüfung des Sicherheitsrats durch die Vollversammlung; 4. IGN als Plattform und Mitgliedsländer als Motor für die angestrebte Reform; 5. Artiktel 27 (3) der Charta als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Aufnahme künftiger Mitglieder in den Sicherheitsrat. Diskutabel blieb: 1. Umgang mit dem Veto; 2. Erweiterung um permanente Mitglieder; 3. Öffnung für Ländergruppen als künftige Mitglieder, wie z. B. Arabische Liga (22 Mitglieder), Lateinamerikanische und Karibische Gruppe = Grulac (33 Mitglieder), Organisation für Islamische Zusammenarbeit (57 Mitglieder), Kleine Inselentwicklungsländer= SIDS (39 Mitglieder).[63] Die Malediven boten an, ein Modell über Rotations- und Nominierungsmechanismen für den künftigen Sicherheitsrat für eine besondere Sitzung der 79. Vollversammlung vorzulegen. Sie befürworten die Aufnahme der Kleinen_Inselentwicklungsländer mit einem nicht ständigen Sitz in den künftigen Sicherheitsrat. Das Veto soll nach ihrer Meinung mit einer qualifizierten Mehrheit der Vollversammlung überwunden werden können. Angesichts der großen Anzahl von Divergenzen, die nach sechzehn Jahren Reformgespräch geblieben seien, sollten die Mitgliedsländer das Ziel der Verhandlungen zwischen den Mitgliedsländern (IGM) klar formulieren und alle Abweichungen voneinander klar benennen. Die Verhandlungen sollten auf einem Text beruhen, der die bestehenden Positionen klar herausstellt.[64] Ägypten betrachtet die Überprüfungsklausel als eigenen Verhandlungsgegenstand. Der Reformprozess selbst dürfe dabei keiner Evaluierung unterliegen. Textbasierte Verhandlungen sollten nur in Verbindung mit einer Vereinbarung zu den dahinter stehenden Grundsätzen erfolgen. Der Vorschlag Mexikos zu textbasierten Verhandlungen – gemeint ist wohl die Überprüfung durch die Vollversammlung – sei bedenkenswert. Die Vetomächte sollten ihre Positionen zur Reform des Sicherheitsrats zeitnahe offenlegen, damit sie in das Papier der beiden Koordinatoren zum Sachstand 2024 integriert werden können.[65] Der revidierte Sachstandsbericht vom 29. April 2024 enthält unter anderem folgende Spezifizierungen gegenüber dem Papier vom 5. April 2024: 1. 18 statt 17 Konvergenzen. 2. Es gibt weiterhin Diskussionsbedarf über den Zusammenhang zwischen der (regionalen = geographischen?) Repräsentativität des künftigen Sicherheitsrats, der Art der Mitgliedschaft (Einzelländer, Ländergruppen; ständig, nicht ständig; ständig, langfristig, kurzfristig; ständig, rotierend) und dem Vetogebrauch (wie bisher; für alle, nur für die permantenen oder für keine Mitglieder; mit Beschränkungen des Gebrauchs). Anhang wie am 5. April 2024.[66] Am 2. Mai 2024 fand eine informelle Aussprache mit Blick auf den „Gipfel der Zukunft“ statt. Maßnahmenkatalog vom 14. Mai 2024Am 14. Mai 2024 erschienen zwei kurze Schreiben der beiden Koordinatoren des laufenden IGM-Prozesses. Das zweite Schreiben lautet wie folgt:[67]
Maßnahmenkatalog vom 14. Juni 2024Am 12. Juni 2024 gab es einen informellen Austausch zu dem zweiten Brief vom 14. Mai 2024. Am 14. Juni 2024 wurde von den beiden Koordinatoren Österreich und Kuwait folgender Maßnahmenkatalog veröffentlicht, der aus einem ersten Vorschlag vom 5. Juni 2024 hervorging. Er hat folgenden Wortlaut: "[Kapitel] 5 Umgestaltung der globalen Kontrolle (Transformation of global governance) Maßnahme 1: Wir werden den UN-Sicherheitsrat reformieren und die dringende Notwendigkeit anerkennen, ihn repräsentativer, integrativer, transparenter, effizienter, effektiver, demokratischer und rechenschaftspflichtiger zu machen. 1. Um als Reaktion auf die wachsende Dringlichkeit, die Wirksamkeit der Fähigkeiten der Vereinten Nationen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit gemäß der Charta der Vereinten Nationen zu erhöhen, und unter Berücksichtigung unserer Verpflichtungen aus der Agenda 2030 vereinbaren wir die folgenden Leitprinzipien, die in den Regierungsverhandlungen über die Frage der ausgewogenen Vertretung im Sicherheitsrat und der Erhöhung der Mitgliedschaft im Sicherheitsrat und in anderen Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Sicherheitsrat (IGN) festgelegt wurden, [betrachten wir] gemäß dem Beschluss 62/557 der Vollversammlung als Parameter für die Reform: a) die historische Ungerechtigkeit gegen Afrika vorrangig zu beseitigen und unter besonderer Berücksichtigung Afrikas als Sonderfall die Vertretung der unterrepräsentierten und nicht repräsentierten Regionen und Gruppen zu verbessern. b) den Sicherheitsrat zu erweitern, um die derzeitige Mitgliedschaft besser zu repräsentieren und die Realitäten der heutigen Welt widerzuspiegeln, und die Vertretung der Entwicklungsländer und der kleinen und mittleren Staaten, wie der kleinen Inselentwicklungsländer (SIDS), der arabischen Staaten und anderer überregionaler Gruppen, zu erhöhen. c) eine Einigung über die Frage der Mitgliedschaftskategorien auf der Grundlage der in den Dokumenten der IGN dargelegten Optionen zu erzielen, mit der Maßgabe, dass eine Ausweitung der nichtständigen Sitze auf 2 Jahre Teil einer umfassenden Reform sein wird. d) Die Gesamtzahl der Mitglieder eines erweiterten Rates sollte ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Repräsentativität und der Wirksamkeit eines erweiterten Rates gewährleisten. e) Die Arbeitsmethoden sollten ein inklusives, transparentes, effizientes, wirksames, demokratisches und rechenschaftspflichtiges Funktionieren eines erweiterten Rates gewährleisten. f) Die Frage des Vetos ist ein Schlüsselelement der Reform des Sicherheitsrats. Wir werden unsere Bemühungen intensivieren, um eine Einigung über die Zukunft des Vetos zu erzielen, einschließlich Diskussionen über die Begrenzung seines Geltungsbereichs und seiner Anwendung. g) Als Teil einer umfassenden Reform sollte die Aufnahme einer Überprüfungsklausel in Betracht gezogen werden, um sicherzustellen, dass der Sicherheitsrat im Laufe der Zeit sein Mandat weiterhin erfüllt und zweckmäßig bleibt. Maßnahme 2: Wir werden unsere Anstrengungen im Rahmen der Regierungsverhandlungen über die Reform des Sicherheitsrats verstärken. 2. Wir unterstützen den von den Mitgliedsstaaten vorangetriebenen Charakter der Reform und stützen uns dabei auf die effiziente und wirksame Bereitstellung von Ressourcen aus dem UN-System für den IGN-Prozess. Aufbauend auf den jüngsten Fortschritten, die in der IGN erzielt wurden, unter anderem durch mehr Transparenz und Inklusivität und durch die Stärkung ihres institutionellen Gedächtnisses, kommen wir überein, a) die Vorlage weiterer Modelle und die Überarbeitung bereits vorgelegter Modelle durch die Staaten und Staatengruppen für die strukturierten Dialoge im Hinblick auf die künftige Entwicklung eines konsolidierten Modells auf der Grundlage der von den Mitgliedsstaaten vorgelegten Modelle und der Diskussionen über die fünf Cluster zu fördern. Maßnahme 3: Wir werden die Reaktion des Sicherheitsrats auf die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit verstärken und seine Beziehungen zur Vollversammlung kräftigen. 3. Wir verpflichten uns, die Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats weiter zu verbessern und zu demokratisieren und seine Beziehungen zur Vollversammlung in Übereinstimmung mit und unter voller Achtung ihrer jeweiligen Funktionen, Befugnisse, Befugnisse und Zuständigkeiten, wie sie in der Charta verankert sind, zu stärken, mit der Maßgabe, dass dies nicht an die Stelle der in Maßnahme 1 angezeigten Reform des UN-Sicherheitsrats treten darf. Wir verpflichten uns: a) alle Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen, soweit sie sich auf den Entscheidungsprozess im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beziehen, einschließlich des Artikels 27 Absatz 3 der Charta der Vereinten Nationen, in vollem Umfang umzusetzen und einzuhalten. b) zur Unterstützung glaubwürdiger, rechtzeitiger und entschlossener Maßnahmen des Sicherheitsrats zur Verhütung oder Beendigung der Begehung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen. c) die laufenden Bemühungen des Sicherheitsrats um die Überprüfung und Verbesserung seiner Arbeitsmethoden, namentlich unter anderem der Vereinbarungen zur Federführung (Penholding) und zur Ko-Federführung (Co-Penholding), sowie die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen dem Sicherheitsrat und der Vollversammlung und ihren Nebenorganen, einschließlich der Kommission für Friedenskonsolidierung sowie des Wirtschafts- und Sozialrats, zu verstärken, namentlich durch die Fortsetzung der vollständigen Umsetzung und Anwendung der Resolutionen 377A (V) („Uniting for Peace“) und 76/262 („Veto-Initiative“) der Vollversammlung. d) zur Verbesserung der Beteiligung aller Mitglieder der Vollversammlung an der Arbeit des Sicherheitsrats und seiner Nebenorgane und des Zugangs zu dieser Arbeit, um die Rechenschaftspflicht des Rates gegenüber den Mitgliedern zu stärken und die Transparenz seiner Arbeit zu erhöhen."[68] Aussprache vom 20. Juni 2024 mit Blick auf den für September 2024 avisierten „Zukunftspakt“Am 20. Juni 2024 fand die öffentliche Aussprache zur Gestaltung von Kapitel 5 des für September 2024 avisierten „Zukunftspakts“ statt. Es beteiligten sich neun überregionale Ländergruppen, darunter erstmals die „Organisation der Islamischen Zusammenarbeit“ als mitgliederstärkste überregionale Gruppe (57 Staaten) in den UN sowie die Gruppe für „Berechenbarkeit, Kohärenz und Transparenz“ des Sicherheitsrats (ACT, 27 Staaten)[69], außerdem die fünf ständigen Mitglieder[70] sowie Indien, die Türkei, Ecuador, der Senegal, Mexiko, Algerien, Argentinien, Südkorea, Zimbabwe, Südafrika, Malaysia, Polen[71] sowie am Nachmittag Kambodscha, El Salvador, Costa Rica und Liechtenstein.[72] Die Aussprache ergab große Übereinstimmung über die Ziele und die Grundlagen von Kapitel 5 des für September 2024 geplanten „Zukunftspakts“. Kapitel 5 soll den Beitrag der „Zwischenstaatlichen Verhandlungen (IGN) zur Reform des Sicherheitsrats“ zum „Zukunftspakt“ wiedergeben. Es soll nach Möglichkeit handlungsorientiert formuliert sein und im Wortlaut zu den übrigen Kapiteln des „Zukunftspakts“ passen.[73] Mexiko formulierte die Ziele von Kapitel 5 wie folgt: „Unabhängig von der Haltung meines Landes zu bestimmten Fragen möchte ich daher darauf hinweisen, was ein gemeinsamer Nenner zu sein scheint, der unseren Staats- und Regierungschefs vorgelegt und zusammengefasst werden könnte: erstens die Erkenntnis, dass der Sicherheitsrat nicht so funktioniert, wie er es sollte und wie es uns 1945 versprochen wurde, dass wir nur durch eine gemeinsame Anstrengung beginnen können, ihn zu reparieren; zweitens, dass unsere Bemühungen weiterhin in einem inklusiven Prozess unternommen werden und dass die Reform dem Gemeinwohl dient; drittens, dass wir ein umfassendes Reformmodell anstreben müssen, das auf einen Konsens abzielt; und viertens, dass wir weiterhin unter dem Dach der IGM arbeiten werden, als geeignetes Forum für die Reform des Sicherheitsrats.“[74] Italien schlug für die Konsensgruppe (11 Mitgliedsstaaten) folgende Formulierung vor: „In Antwort auf die wachsende Dringlichkeit, die Effektivität der Fähigkeiten der Vereinten Nationen, den internationalen Frieden und die Sicherheit zu erhalten, zu steigern, und zwar so, wie sie in der UN-Charta verankert sind, stimmen wir den folgenden Leitlinien zu, so wie sie in den 'Zwischenstaatlichen Verhandlungen zur Reform des Sicherheitsrats' identifiziert worden sind, einem durch die Mitgliedsländer angetriebenen Prozess, der auf Resolution 62/557 der Vollversammlung der UN beruht. Die Leitlinien sollen als Parameter für eine künftige Reform des Sicherheitsrats dienen.“[75] Es wurde an folgende Grundlagen für die „Zwischenstaatlichen Verhandlungen zur Reform des Sicherheitsrats“ (IGN) erinnert: 1) UN-Charta inklusive Art. 23 (1) und 27 (3)[76]; Resolution 62/557 der VV (1998)[77]; Resolution 53/30 der VV (1998)[78]; Erklärung der AU von Sirte (1999)[79]; Konsens der AU von Ezulwini (2005)[80]; SDG 16 der UN (2015)[81]; Resolution 2719/2024 der VV[82]. Der größte Klärungsbedarf bestand für die Unterpunkte 1 (b) Unterrepräsentierte Länder, Gruppen oder geographische Regionen, 1 (d) Arten der Mitgliedschaft sowie 1 (f) Umgang mit dem Veto. Zu 1 (b) Die größte Einmütigkeit wurde über die Berücksichtigung Afrikas und der Kleinen Inselstaaten (SIDS) im künftigen Sicherheitsrat erzielt.[83] Viele Länder sprachen sich auch für eine Berücksichtigung der geographischen Regionen „Lateinamerika und Karibik“ bzw. „Asien-Pazifik“ aus. Auch die „Organisation der Islamischen Zusammenarbeit“ (57 Staaten) forderte eine angemessene Vertretung. Die Erweiterung des Sicherheitsrats solle auf jeden Fall die 2-Jahres-Sitze betreffen, dürfe aber nicht darauf beschränkt bleiben. Zu 1 (d) Insbesondere die Balance zwischen Größe und Effektivität des künftigen Sicherheitsrats wurde mehrmals hervorgehoben.[84] Permanente Sitze mit Vetorecht wurden für Afrika, neben den G4[85], neben Ländern aus Lateinamerika und der Karibik[86] sowie neben dem asiatisch-pazifischen Raum[87] gefordert. Zu 1 (f) Eine wachsende Zustimmung fand die Limitierung des Vetogebrauchs. Ausgeschlossen sollte ein Veto in Fällen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen sein. Eine Vetomacht, die an einem bewaffneten Konflikt beteiligt ist, soll keine Entscheidung über diesen Konflikt mit einem Veto blockieren dürfen. Das Veto erwies sich auch weiterhin als Dreh- und Angelpunkt der Reform des Sicherheitsrats. Die „Zwischenstaatlichen Verhandlungen zur Reform des Sicherheitsrat“ werden zunehmend als eigenständiger Mechanismus aufgefasst. Die Arbeitsmethoden und die zugehörigen Ressourcen der IGN sollen sich daher allenfalls übergangsweise aus den Ressourcen der UN speisen, wiewohl die Vollversammlung als Überprüfungsinstanz und Katalysator erwünscht bleiben. Die Reform der UN-Charta, der UN und ihrer übrigen Organe sollen von der Reform des Sicherheitsrats nicht berührt werden. Abschlusspapier der Vorsitzenden der zwischenstaatlichen Verhandlungen zur Reform des Sicherheitsrats vom 21. August 2024Sein Wortlaut lässt sich wie folgt wiedergeben: "5. Umgestaltung der globalen Kontrolle (Transformation of Global Governance) Maßnahme 1: Wir werden den UN-Sicherheitsrat reformieren und die dringende Notwendigkeit anerkennen, ihn repräsentativer, integrativer, transparenter, effizienter, effektiver, demokratischer und rechenschaftspflichtiger zu machen. 1. Als Reaktion auf die wachsende Dringlichkeit, die Wirksamkeit der Fähigkeiten der Vereinten Nationen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist, zu erhöhen, vereinbaren wir die folgenden Leitprinzipien, die in den Regierungsverhandlungen über die Frage der ausgewogenen Vertretung im Sicherheitsrat, die Vermehrung der Mitgliedschaft im Sicherheitsrat und andere mit dem Rat zusammenhängende Angelegenheiten (IGN) im Einklang mit dem Beschluss 62/557 der Generalversammlung als Parameter für die Reform <gelten sollen>: a) Vorrangige Beseitigung der historischen Ungerechtigkeit gegenüber Afrika und – unter besonderer Berücksichtigung Afrikas – Verbesserung der Vertretung der unterrepräsentierten und nicht repräsentierten Regionen und Gruppen, wie dem asiatisch-pazifischen Raum, Lateinamerika und der Karibik. b) Erweiterung des Sicherheitsrats, um repräsentativer für die derzeitige Mitgliedschaft zu sein und die Realitäten der heutigen Welt <besser> widerzuspiegeln, und – unter Berücksichtigung unserer Verpflichtungen aus dem Ziel 16.8 für nachhaltige Entwicklung – quantitative Erhöhung der Vertretung von Entwicklungsländern und kleinen und mittleren Staaten. c) Fortsetzung der Beratungen über die Frage der Vertretung überregionaler Gruppen unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die kleinen Inselentwicklungsländer, die arabischen Staaten und andere, wie die Organisation für islamische Zusammenarbeit OIC), in den Erörterungen der IGN erwähnt wurden. d) Intensivierung der Bemühungen um eine Einigung über die Frage der Mitgliedschaftskategorien unter Berücksichtigung der im Rahmen des IGN-Prozesses geführten Diskussionen. e) Die Gesamtzahl der Mitglieder eines erweiterten Rates sollte ein Gleichgewicht zwischen seiner Repräsentativität und seiner Wirksamkeit gewährleisten. f) Die Arbeitsmethoden sollten ein inklusives, transparentes, effizientes, wirksames, demokratisches und rechenschaftspflichtiges Funktionieren eines erweiterten Rates gewährleisten. g) Die Frage des Vetos ist ein Schlüsselelement der Reform des Sicherheitsrats. Wir werden unsere Bemühungen verstärken, um eine Einigung über die Zukunft des Vetos zu erzielen, einschließlich von Diskussionen über die Begrenzung seines Geltungsbereichs und seiner Anwendung. h) Als Teil einer umfassenden Reform sollte die Aufnahme einer Überprüfungsklausel in Erwägung gezogen werden, um sicherzustellen, dass der Sicherheitsrat auch weiterhin sein Mandat und seinen Zweck erfüllt. Maßnahme 2: Wir werden unsere Anstrengungen im Rahmen der Regierungsverhandlungen über die Reform des Sicherheitsrats vorrangig und unverzüglich verstärken. 2. Wir unterstützen den von den Mitgliedstaaten vorangetriebenen Charakter der Reform des Sicherheitsrats und werden unsere Anstrengungen für die Reform durch die zwischenstaatlichen Verhandlungen (IGN) im Einklang mit dem Beschluss 62/557 der Vollversammlung und anderen einschlägigen Resolutionen und Beschlüssen der Vollversammlung, wie der Resolution 53/30, verstärken. Aufbauend auf den jüngsten Fortschritten, die in den IGN erzielt wurden, unter anderem durch mehr Transparenz und Inklusivität und durch die Stärkung seines institutionellen Gedächtnisses, beschließen wir, a) eine Förderung der Vorlage weiterer Modelle und die Überarbeitung bereits vorgelegter Modelle durch Staaten und Staatengruppen für strukturierte Dialoge, damit ein konsolidiertes Modell auf der Grundlage der Konvergenzen der fünf Cluster und der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Modelle entwickelt werden kann. Maßnahme 3: Verstärkung der Einwirkung des Sicherheitsrats auf die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und seiner Beziehungen zur Vollversammlung. 3. Weitere Verbesserung und Demokratisierung der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats und Stärkung seiner Beziehungen zur Vollversammlung in Übereinstimmung mit und unter voller Achtung ihrer jeweiligen Funktionen, Autoritäten, Befugnisse und Zuständigkeiten, wie sie in der Charta verankert sind, mit dem Verständnis, dass dies nicht an die Stelle der in Aktion 1 dargelegten Reform des UN-Sicherheitsrats treten darf. Wir beschließen: a) Die uneingeschränkte Umsetzung und Einhaltung aller Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen, soweit sie sich auf den Entscheidungsprozess im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, einschließlich des Artikels 27 Absatz 3 der UN-Charta, beziehen. b) Die Unterstützung eines glaubwürdigen, rechtzeitigen und entschlossenen Handelns des Sicherheitsrats in Ausübung seiner Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zur Verhütung oder Beendigung der Begehung von Völkermord, von Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder von Kriegsverbrechen. c) Die aktive Bestärkung der laufenden Anstrengungen des Sicherheitsrats zur Überprüfung und Verbesserung seiner Arbeitsmethoden, namentlich in Bezug auf die Federführung und die Mitfederführung, sowie der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen dem Sicherheitsrat und der Vollversammlung und ihren nachgeordneten Organen, namentlich der Kommission für Friedenskonsolidierung sowie dem Wirtschafts- und Sozialrat und den regionalen und subregionalen Vereinbarungen, unter anderem durch die weitere vollständige Umsetzung und Nutzung der Resolutionen 377A (V) („Uniting for Peace“) und 76/262 („Veto-Initiative“) der Vollversammlung. d) Die Verbesserung der Beteiligung an der Arbeit des Sicherheitsrats und seiner Nebenorgane und des Zugangs zu dieser Arbeit für alle Mitglieder der Vollversammlung, um die Rechenschaftspflicht des Rates gegenüber den Mitgliedern zu stärken und die Transparenz seiner Arbeit zu erhöhen."[88] Papier zur Integration in den Pakt für den „Zukunftsgipfel“ (Pact for the Summit of Future) vom 23. August 2024Am 24. August 2024 leiteten die beiden Sitzungsvositzenden der „Internationalen Verhandlungen zur Reform des Sicherheitsrats auf Regierungsebene“ ein praktisch mit dem Text von 21. August 2024 wortgleiches, aber als abgeschlossen in Hinsicht auf den „Zukunftspakt“ geltendes Papier an die beiden Sitzungsvorsitzenden des „Zukunftsgipfels der UN“ aus Deutschland und Namibia weiter.[89] „Pakt für die Zukunft“ (Pact for the Future) vom 22. September 2024Der Zukunftspakt[90] wurde am 22. September 2024 durch die Vollversammlung der UN angenommen. Ein Antrag der Russischen Föderation auf eine Textänderung[91] wurde auf Antrag Kongos als Sprecher der Afrikanischen Gruppe mit einer Mehrheit von 143 gegen sieben Stimmen[92] bei 15 Enthaltungen[93] und 28 nicht abstimmenden Ländern[94] nicht behandelt.[95] Zwischenstaatliche Verhandlungen auf Regierungsebene zur Reform des Sicherheitsrats (2024/25)Am 4. Oktober 2024 wurden Tareq M. A. M. Albanai, der Ständige Vertreuter von Kuwait, und Alexander Marschik, der Ständige Vertreter von Österreich bei den Vereinten Nationen, zu den Vorsitzenden der Zwischenstaatlichen Verhandlungen zur Reform des Sicherheitsrats im Rahmen der 79. Vollversammlung der UN eingesetzt.[96] Beide Vorsitzenden luden zu einem ersten informellen Treffen in die Niederlassung bei den UN von Kuwait am 22. Oktober 2024 ein.[97] Am 30. Oktober 2024 versandten die beiden Vorsitzenden der „Zwischenstaatlichen Verhandlungen“ den Zeitplan für die Sitzungen im Rahmen der 79. Vollversammlung der UN.[98] Revidiertes Modell von Liechtenstein vom 30. Oktober 2024Ebenfalls am 30. Oktober 2024 legte Liechtenstein ein revidiertes Modell zur Reform des Sicherheitsrats vor. Das Gremium soll von 15 auf ca. zwanzig Mitglieder erweitert werden. Es soll folgende Kategorien von Mitgliedern geben: Fünf permanente Mitglieder (dieselben wie bisher), sechs Sitze für 8–10 Jahre Dauer (je zwei für die Afrikanische Gruppe bzw. für die Asiatisch-Pazifische Gruppe, je einen für die Lateinamerikanisch-Karibische Gruppe bzw. die Europäische Gruppe). Kein Land, das einen längerfristigen Sitz innehat, darf in dieser Zeit für einen kurzfristigen Sitz kandidieren. Je ein Land aus der Arabischen Gruppe bzw. aus der Gruppe der Kleinen und Entwicklungsländer muss unter den jeweiligen Mitgliedern des Sicherheitsrats vertreten sein. Mindestens ein Sitz von zwei Jahren ist für ein Land aus der Osteuropäischen Gruppe bestimmt (nicht sofort wiederwählbar). Das Arbeitsjahr beginnt am jeweiligen 1. Januar und endet am 31. Dezember eines Kalenderjahres. Revision der Reform durch die Vollversammlung nach 16 bis zwanzig Jahren. Die zustimmende Mehrheit soll bei 3/5 der Mitglieder oder der ganzen Zahl an Sitzen, die dieser Mehrheit am nächsten kommt, liegen. Jedes gewählte Mitglied soll mindestens einmal während der Dauer seiner Mandatsausübung die Präsidentschaft im Sicherheitsrat wahrnehmen. Die Regeln für den Vorsitz und den Ko-Vorsitz sollen auch für alle subsidiären Organe des Sicherheitsrats gelten. Die Mitglieder des Sicherheitsrats sollen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung des Gremiums prüfen. Maßnahmen zur Beschränkung des Vetogebrauchs sind Gegenstand weiterer Diskussion. Die relevanten Artikel der UN-Charta werden zusammen mit der Resolution zur Reform des Sicherheitsrats in den Mitgliederländern ratifiziert. Dazu gehören die Artikel 23 (1), 27 (2), 109 (1) und (3).[99] Aussprache vom 19. November 2024Am 19. November 2024 kam es zur ersten Aussprache über das Modell aus Liechtenstein.[100] Dabei zeichnete sich ein Konsens über die Vergrößerung des Sicherheitsrats auf 25–27 Mitglieder ab, die die einzelnen geographischen Regionen angemessen repräsentieren sollten. Auch die Rotation von nicht ständigen Sitzen, vor allem im Fall der Kleinen Insel-Entwicklungsländer, wurden von vielen Mitgliedsstaaten befürwortet. Die Ausweitung der permanenten Sitze blieb hingegen ebenso umstritten wie die Beibehaltung des Vetos und die unterschiedliche Dauer nicht ständiger Sitze. Besonders intensiv wurde über die Sitze für überregionale Gruppen gesprochen.[101] Weitere Revision und Kommentare zu einzelnen Punkten vom 21. November 2024Am 21. November 2024 wurden die Vorschläge noch einmal vertieft debattiert.[102] Liechtenstein bedankte sich für den Wunsch nach textbasierten Verhandlungen, den Text des Zukunftspakts und die Aufnahme von Überprüfungsklauseln in die Vorschläge von L69 und G4. Neben technischen Anpassungen und Präzisierungen von einzelnen Formulierungen wurden folgende Gedanken eingebracht: 1) Aufnahme einer Mehrheitsklausel von 3/5 für Zustimmung und einer entsprechenden Mehrheit für Ablehnung, um die Größe des Gremiums offen zu halten und die Klärung der Vetofrage nicht außer Acht zu lassen; 2) Flexibilisierung der Dauer der Zugehörigkeit abhängig von der Größe des Sicherheitsrats und dem Bedürfnis, jedem Mitglied mindestens einmal die Präsidentschaft während seiner Mitgliedschaft zu ermöglichen; 3) Wunsch nach Klärung der Verteilung der Aufgaben in den nachgeordneten Organen des Sicherheitsrats; 4) Gruppenanträge als Möglichkeit, den Aufwand der Gremienarbeit zu reduzieren (nach Vorbild der Praxis der VV); 5) Notwengikeit der Kopplung der Vergabe weiterer Vetos an die Übereinstimmung mit der UN-Charta.[103] Die Kommentare vom 21.11.2024 lauteten unter anderem: 1) Befürwortung der in der UN-Charta niedergelegten gängigen terminologischen Unterscheidung zwischen permanenten und zeitlich befristeten Sitzen durch die Mehrzahl der Länder; 2) Sensibilisierung für den Zusammenhang zwischen Rotationsmechanismen und der Berücksichtigung überregionaler Gruppen als Mitglieder des Sicherheitsrats.[104] Die Insel-Entwicklungsländer, die Afrikanische Union, die Arabische Liga und die Europäische Union wurden besonders häufig als überregionale Gruppen genannt, dreimal war von der (mitgliederstarken) Union Islamischer Länder[105] und erstmals von der Organisation amerikanischer Staaten als überregionaler Gruppe die Rede.[106] Die Schweiz fragte nach dem spezifischen Beitrag der Kleinen Insel-Entwicklungsländer zur Meinungsbildung des Sicherheitsrats über Frieden und Sicherheit in der Welt.[107] Brasilien befürwortete eine Ausweitung der permanenten Sitze mit Veto, um die globalen Machtverhältnisse der Gegenwart besser abzubilden.[108] St. Vincent und die Grenadinen fragte für die L69 nach einem Überbrückungsmechanismus für das Veto, der kollektiv bewerkstelligt werden kann.[109], ähnlich auch Benelux mit Blick auf die Veto-Initiative 76/662 der Vollversammlung.[110] Timor Leste forderte die Vetomächte auf, auf die Intensivierung der Reform des Sicherheitsrats zu drängen, um auch die Russische Föderation zu überzeugen.[111] Mexiko richtete an die fünf Vetomächte die dringende Bitte, ein eigenes Reformmodell vorzulegen.[112] Sonderausschuss zur UN-Charta und zur Stärkung der Vereinten NationenDer „Sonderausschuss zur UN-Charta und zur Stärkung der Vereinten Nationen“ besteht seit 1982 und tritt alljährlich, zumeist im Februar, zusammen. Ihm kommt eine wesentliche Rolle bei der Reform der UN und ihrer Organe, vor allem auch des Sicherheitsrats, zu.[113] Der Sonderausschuss tagte zuletzt vom 20. bis 28. Februar 2024. Dabei befasste er sich vor dem Hintergrund der Konflikte um den Gazastreifen und auch des Einmarsches der Russischen Föderation in der Ukraine mit dem Stellenwert von Sanktionen. Für die einen sind sie ein klar zu definierendes letztes Mittel, das allerdings die Zivilbevölkerung oder Drittländer nicht verletzen soll; für andere sind sie zeitlich zu begrenzen, regelmäßig oder auch auf Antrag (beim Generalsekretär oder einem Ombudsman) zu überprüfen oder aufzuheben; für dritte sind selbst einzelne Staaten oder Staatenbünde berechtigt, ohne UN-Mandat Sanktionen gegen ein Land zu verhängen. Übereinstimmend wurden Diplomatie, Schlichtung und Vermittlung als friedliche Mittel zur Lösung von Konflikten hervorgehoben. Die Rolle des Internationalen Gerichtshofs als Ratgeber bei Angelegenheiten, die die UN-Charta betreffen, wird von den meisten Mitgliedsstaaten anerkannt. Viele Mitgliedsländer befürworten eine stärkere Stellung des Gerichtshofs zur Klärung von Streitigkeiten zwischen den Staaten. Eine große Übereinstimmung gab es auch über den Multilateralismus als Grundsatz der UN. Die Rolle des „Sonderausschusses“ als Klammer zwischen Sicherheitsrat und Vollversammlung wurde ausgehend von der „Erklärung von Manila“[114] übereinstimmend bejaht. Vor allem seine Rolle als regelmäßig tagendes Organ der Auslegung von Rechtsfragen (Costa Rica, Argentinien, Paraguay u. a.) in Hinsicht auf die Kapitel VI und VII der UN-Charta ermöglicht die Aufnahme neuer Themen, die der Vollversammlung künftig zur alljährlichen thematischen Debatte vorgelegt werden sollen. Solche Themen sind beispielsweise die Implementierung von Sanktionen (Europäische Union), das Selbstverteidigungsrecht der Völker (Ukraine, Moldau, Georgien; Mexiko), der Schutz von Handelsschiffen vor Piraterie (Mexiko), die Bekämpfung von Verarmung (Guinea), die Neudefinition „großer und kleiner Nationen“ in der Präambel der UN-Charta (Haiti), die Immunität der UN-Gesandten (Russische Föderation, Belarus), die Rolle von Nichtregierungsorganisation für die UN (Nicaragua, Belarus, Vereintes Königreich und Nordirland u. a.), die Ächtung von „kleinen Waffen“ und die umfassende Kontrolle der Waffenherstellung von der Produktion bis zum Einsatz (Haiti) oder der Wiederaufbau eines Landes nach Beendigung eines Konflikts (Uganda). Alle Mitglieder waren für die Erstellung des „Repositorium der Gewohnheiten des Sicherheitsrats“ (durch das Mitgliedsland Japan) dankbar.[115] Verbesserung der Verfahrensweisen des SicherheitsratsAm 11. März 2024 wurden die Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats in Hinsicht auf den Austausch mit dem Generalsekretär der UN vorgestellt und besprochen. Die Einschränkung des Vetos, die Verbesserung des Systems der Schriftführererschaft sowie klarere Verfahrensregeln für die Verhängung und Beendigung von Sanktionen wurde ebenso gewünscht wie eine größere Orientierung an den Fakten, eine bessere Berechenbarkeit der Entscheidungsprozesse und eine Zusammenarbeit mit den durch einen Konflikt betroffenen Ländern. Auch das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta wurde hervorgehoben.[116] Am 12. März 2024 ging es auf Antrag der Europäischen Union um eine Kooperation zwischen den UN und der EU.[117] Am 13. März 2024 stand die Rolle von Frauen und jungen Menschen bei der Prävention von Konflikten im Mittelpunkt der Debatte.[118] Am 19. März 2024 kam es vormittags auf Initiative Japans (als Ratspräsidentschaft) zu einer Aussprache über die Verbesserung der Verfahrensweisen des Sicherheitsrats. Es beteiligten sich sechs Ländergruppen[119], zwei Vetomöchte[120] und 16 Einzelstaaten.[121] Sondersitzung der Vollversammlung wegen Zunahme des Vetogebrauchs in der Gazafrage vom 23. April 2024Am 23. April 2024 trat die Vollversammlung der UN zusammen, um den immer häufigeren Vetogebrauch angesichts des Konflikts um den Gazastreifen zu debattieren. Der Präsident der Vollversammlung rief diese aufgrund der UN-Resolution 76/262 vom 26. April 2022[122] zusammen, die eine Aussprache über ein Veto ermöglicht, sofern sich der Sicherheitsrat in keiner Sitzung wegen einer Notlage befindet. Liechtenstein schlug vor, bei jedem Veto zusammenzutreten, damit alle Mitgliedsstaaten der UN die Chance haben, Empfehlungen zu dem jeweiligen Vetogebrauch auszusprechen. UN-Resolutionen seien im Gegensatz zu bestimmten Maßnahmen des Sicherheitsrats völkerrechtlich nicht bindend, aber eine starke Willensäußerung der Mitgliedsstaaten. Einige Vetomächte verteidigten den Vetogebrauch. So betrachtet die Russische Föderation das Veto als Grundstein der UN-Architektur. Die USA begrüßten hingegen die UN-Resolution 76/262. Sie hätten jedes Veto jeweils im Rahmen der „10. Sondersitzung aufgrund einer Notlage“ erläutert. Die USA erkennen an, dass der Vetogebrauch im Rahmen der Reform des Sicherheitsrats kontrovers debattiert wird, weil die Transparenz und die Berechenbarkeit des Sicherheitsrats verbessert werden müssen.[123] Modelle und StatistikenFriedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen UnionDer Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU PSC = African Union Peace and Security Council) besteht seit 20 Jahren. Er hat zehn Mitglieder mit Sitzen für zwei Jahre und fünf Mitglieder mit Sitzen für drei Jahre. Er verfolgt mehrere Ziele: 1. Prävention von Konflikten, die zur Auslöschung von Völkern führen können. 2. Einberufung der Vollversammlung der Afrikanischen Union als letztes Mittel. Er nutzt als Mittel: 1. Mediation. 2. Diplomatie. 3. Sanktionen bei Machtwechseln, die nicht verfassungsgemäß ablaufen. 4. Kontrolle aller Maßnahmen, die zur Förderung demokratischer Praktiken, gutem Verhalten von Regierungen, der Herrschaft des Rechts, der Verteidigung der Menschenrechte und grundlegender Freiheiten, der Achtung vor der Heiligung des Lebens und dem humanitären Völkerrecht dienen.[124] Der AU PSC und hat gerade zehn Mitglieder mit je zweijährigen Sitzen neu gewählt. In der letzten Legislaturperiode wurden nationale Bedürfnisse oft über gesamtafrikanische Fragen gestellt. Gespräche über Themen und Arbeitsweisen des Gremiums sollen die Effizienz des Gremiums steigern.[125] Neuere Presseberichte heben die regionale Konfliktregulierung durch ad hoc-Truppen und Initiativen für Neuwahlen in verschiedenen Staaten Afrikas hervor.[126] Die Beteiligung am "Gipfel" bzw. Pakt der Zukunft" ist aktuell ein besonders wichtiges Thema.[127] EU-Strategie für SicherheitsunionDie Strategie der Europäischen Union zur Sicherheit umfasst vier Säulen: 1. Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. 2. Verbesserungen des Schutzes von kritischer Infrastruktur, Cyberraum und Öffentlichem Raum. 3. Stärkung nach innen und außen. 4. Moderne Polizeimaßnahmen.[128] Sicherheitsrat als Gremium in Demokratien und AutokratienSowohl in Präsidialdemokratien als auch in Autokratien wird der Sicherheitsrat als Gremium der Exekutive zur Beratung und Meinungsfindung genutzt, wie zum Beispiel in China, der Russischen Föderation, Indien oder den Vereinigten Staaten, aber beispielsweise auch dem Vereinigten Königreich, in Frankreich, Deutschland oder der Ukraine. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es außerdem den Bundessicherheitsrat als Kabinettsausschuss, der vor allem über Rüstungsexporte berät. Vergleich von G4 und P5
PressemeldungenIndien forderte am 17. Februar 2024 im Namen von 188 Ländern die Aufgabe des Vetorechts.[130] Am 26. Februar 2024 Ortszeit beschloss die UN-Vollversammlung eine Resolution zur Regulierung des Vetogebrauchs: „Der von Liechtenstein eingebrachte und von Deutschland sowie einer Reihe weiterer Länder unterstützte Beschluss verlangt bei jedem Einsatz eines Vetos im 15-köpfigen Sicherheitsrat eine Sitzung der Vollversammlung innerhalb von zehn Tagen. In dem Gremium mit allen Vertretern der 193 Länder müssten sich der Staat oder die Staaten, die von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht haben, dann erklären. Bei der Debatte soll es um die Gründe für das Veto gehen.“ (Tagesschau)[131] Die Aussprache über die sogenannte „Veto-Initiative“ von 2023 mündete 2024 in die Folgerung des Präsidenten der Vollversammlung, dass das Veto nur noch als allerletztes Mittel eingesetzt werden solle.[132] Indien stellte am 7. März 2024 den Vorschlag der G4 vor.[133] Eine erste kritische Reaktion stammte aus Pakistan.[134] Die Konsensgruppe[135] schlug am 18. März 2024 einen Sicherheitsrat mit 26 Mitgliedern vor. Neun neue Mitglieder sollen für langfristige Sitze gewählt werden. Indien übte starke Kritik an diesem Vorschlag, nicht zuletzt deshalb, weil er Afrika weiterhin erheblich benachteilige.[136] Ein neuerer Artikel aus der Schweiz gibt eine Einschätzung drüber, warum und worin der aktuelle Sicherheitsrat versagt und was er leistet.[137] Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
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