Ravensbrück-ProzesseDie Ravensbrück-Prozesse umfassen eine Reihe von Gerichtsverfahren, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges unter britischer und französischer Gerichtsbarkeit eröffnet wurden. Angeklagt waren Angehörige des Lagerpersonals des Konzentrationslagers Ravensbrück. Es war das große Frauenlager der Nationalsozialisten, im KZ-Ravensbrück wurden aber auch Männer und Jungen inhaftiert und ermordet. Ein weiterer Prozess um das KZ Ravensbrück fand 1966 vor dem Bezirksgericht Rostock in der DDR statt. Die Prozesse unter britischer GerichtsbarkeitAb 1946 führten die britischen Behörden – teilweise parallel zum Nürnberger Ärzteprozess, bei dem die Menschenversuche in Ravensbrück behandelt wurden und die Ravensbrücker KZ-Ärzte Carl Clauberg, Fritz Fischer, Karl Gebhardt und Herta Oberheuser verurteilt wurden – sieben Ravensbrück-Prozesse durch. Hierzu wurde ein Militärgericht eingerichtet. Als Richter wurden drei, vier oder fünf britische Offiziere berufen, denen ein Justiziar assistierte. Der Kreis der Angeklagten setzte sich aus allen Rangstufen des Lagerpersonals zusammen: Lagerführer, Ärzte, Aufseherinnen und Aufseher und auch ehemalige Gefangene, die andere Häftlinge misshandelt hatten. Insgesamt wurden Prozesse gegen 38 Personen geführt, 21 von ihnen waren Frauen. Alle Prozesse fanden im Hamburger Curiohaus im Rahmen der Curiohaus-Prozesse statt. Erster Ravensbrück-ProzessDauer: 5. Dezember 1946 bis 3. Februar 1947 Den Tatkomplex des Verfahrens bildeten Kriegsverbrechen, Misshandlungen und Morde an Häftlingen, wobei Straftaten gegen deutsche Staatsangehörige in diesem Verfahren nicht berücksichtigt wurden. Den Vorsitz führte der Major-General Westropp, dem fünf beisitzende Offiziere der British Army sowie ein polnischer Major zur Seite standen. Die Anklage führte Major Stewart und als Justiziar war ein Mister Stirling anwesend. Die Angeklagten hatten Strafverteidiger ihrer Wahl zur Verfügung. Bei dem ersten Ravensbrück-Prozess waren offizielle Prozessbeobachter aus zehn Nationen, Presseberichterstatter und Vertreter der deutschen Justiz anwesend. Insgesamt mussten sich 16 Angeklagte vor Gericht verantworten, die allesamt bei Prozessbeginn auf „nicht schuldig“ plädierten.[1]
Alle zum Tode Verurteilten – ausgenommen Vera Salvequart, Carmen Mory und Percival Treite – wurden zwischen dem 2. und 3. Mai 1947 in Hameln von Albert Pierrepoint gehängt. Zwei weitere Angeklagte, Lagerkommandant Fritz Suhren und Arbeitsführer Hans Pflaum, waren vor Prozessbeginn aus der Haft geflohen und mit Hilfe falscher Namen untergetaucht. Sie wurden jedoch 1949 erneut verhaftet und den französischen Besatzungsbehörden übergeben, die in Rastatt einen weiteren Ravensbrück-Prozess eröffnet hatten. Beide Angeklagten wurden dort zum Tode verurteilt und am 12. Juni 1950 erschossen. Zweiter Ravensbrück-ProzessDauer: 5. November bis 27. November 1947 In diesem Verfahren wurde nur gegen einen Angeklagten verhandelt. Es handelte sich um Friedrich Opitz, dem die Fabrik innerhalb des Lagers unterstand. Vor Beginn des ersten Ravensbrück-Prozesses war Opitz die Flucht gelungen.
Dritter Ravensbrück-ProzessDauer: 14. April bis 27. April 1948 (auch Uckermark-Prozess genannt) Verhandelt wurde gegen fünf weibliche Lagerverantwortliche des KZ Ravensbrück sowie des Außenlagers KZ Uckermark wegen folgender Anklagepunkte:
Eineinhalb Kilometer östlich des KZ Ravensbrück befand sich ab Juni 1942 das Jugendkonzentrationslager Uckermark für Mädchen und junge Frauen. Die Inhaftierten galten unter anderem als kriminell oder schwer erziehbar. Mit Überschreiten der Altersgrenze von 21 Jahren wurden sie in das KZ Ravensbrück verlegt. Beide Lager standen unter einheitlicher Verwaltung. Ab Januar 1945 wurde das Jugendkonzentrationslager Uckermark aufgelöst. In der Folgezeit diente das Gelände als Sterbe- und Selektionslager für kranke, nicht mehr arbeitsfähige Frauen des KZ Ravensbrück, die älter als 52 Jahre waren.
Toberentz und Braach wurden freigesprochen, weil ihnen im Jugendkonzentrationslager keine Frauen alliierter Nationalität, sondern nur deutsche Gefangene unterstanden. Das Schicksal der deutschen Häftlinge war nicht Gegenstand des Verfahrens. Vierter Ravensbrück-ProzessDauer: 7. April[3] bis 8. Juni 1948 Alle Angeklagten gehörten zum medizinischen Personal des KZ Ravensbrück, darunter eine Gefangene, die als Krankenschwester eingesetzt wurde. Die Anklage konzentrierte sich auf Ermordung alliierter Häftlinge in den Gaskammern, Misshandlungen und Folter.
Ganzer war schon vor einem russischen Militärgericht angeklagt und freigesprochen worden. Das nunmehr über sie verhängte Todesurteil wurde später in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt, die man schließlich bis auf zwölf Jahre verminderte. Am 6. Juli 1957 wurde sie aus der Haft entlassen. Fünfter Ravensbrück-ProzessDauer: 16. Juni bis 29. Juni 1948; Urteilsverkündung am 15. Juli 1948. Angeklagt waren drei Mitglieder der SS, denen zur Last gelegt wurde, Häftlinge ermordet zu haben.
Sechster Ravensbrück-ProzessDauer: 1. Juli bis 26. Juli 1948 Den beiden Angeklagten wurde die Misshandlung alliierter Häftlinge im KZ Ravensbrück zur Last gelegt.
Siebter Ravensbrück-ProzessDauer: 2. Juli bis 21. Juli 1948 In diesem letzten Verfahren wurden sechs Aufseherinnen angeklagt, alliierte Häftlinge misshandelt zu haben und Gefangene für die Ermordung in einer Gaskammer selektiert zu haben.
Die Prozesse unter französischer GerichtsbarkeitVon April 1946 bis Oktober 1949 fanden Prozesse gegen Angehörige des Lagerpersonals vor dem französischen Militärgericht im Ahnensaal des Schloss Rastatt statt. In Rastatt wurden insbesondere Fälle abgeurteilt, welche im Bereich der französischen Besatzungszone verübt wurden, verhandelte aber auch Ausnahmen wie Denise Bloch, Germaine Tillion, Odette Sansom u. a.[4][5]
– Charles Fury, Leiter der Justizabteilung der französischen Militärregierung bei der Eröffnung des Gerichts.[6] Am 10. März 1950 verurteilte das Gericht den ehemaligen Lagerkommandanten Fritz Suhren (1908–1950) und den Arbeitseinsatzleiter Hans Pflaum (1902–1950) zum Tode. Beide hatten ursprünglich im ersten britischen Ravensbrück-Prozess angeklagt werden sollen. Ihnen gelang jedoch am 16. November 1946 die Flucht aus dem britischen Internierungslager im ehemaligen KZ Neuengamme. Nach ihrer erneuten Festnahme im März (oder Sommer)[4] 1949 wurden sie von den Amerikanern Ende Juli 1949 an die Franzosen ausgeliefert, in Rastatt wegen vielfachen Mordes vor ein Militärgericht gestellt und am 10. März 1950 zum Tode verurteilt. In der Haft leugnete Suhren jedoch jegliche Verbrechen im KZ. Die beiden am 13. Mai 1950 bestätigten Urteile wurden am 12. Juni 1950 in einer Kiesgrube bei Sandweier nahe Baden-Baden durch Erschießen vollstreckt. Es handelte sich um eine der letzten Hinrichtungen auf bundesdeutschem Boden, wo durch den Artikel 102 des Grundgesetzes seit dem 24. Mai 1949 „[d]ie Todesstrafe abgeschafft ist“. Des Weiteren fiel die Zuständigkeit für solche Verbrechen seit der Gründung der Bundesrepublik am 23. Mai 1949 in den Zuständigkeitsbereich eben jener, „jedoch fühlte sich das Tribunal géneral nicht [daran] gebunden“[4], das seinen Sitz bis März 1956 in Rastatt hatte. Die Prozessakten haben eine Sperrfrist von 100 Jahren, die bis 2046 andauert. Bisher konnten erst wenige Wissenschaftler Einblick nehmen.[4][5] Insgesamt verhandelte das französische Tribunal géneral 341 Fälle mit 890 Angeklagten. 117 wurden zum Tode verurteilt, 59 der verhängten Todesstrafen vollstreckt. Bei besonders abscheulichen Verbrechen erfolgte die Hinrichtung durch eine 1946 eigens dafür angefertigte Guillotine in der Bastion 12 der ehemaligen Bundesfestung, die anderen durch nächtliche Erschießungen in den umliegenden Wäldern; die Bastion 12 wurde 1960 abgerissen, die Guillotine befindet sich heute im Besitz des Badisches Landesmuseum und ist im Strafvollzugsmuseum Ludwigsburg zu sehen.[4][5] Literatur
WeblinksCommons: Ravensbrück-Prozesse – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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