Die Rafflesien (Rafflesia) sind eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Rafflesiengewächse (Rafflesiaceae). Sie gelten als die größten und übelriechendsten Blumen der Welt.[1] Die bekannteste Art, die Riesenrafflesie (Rafflesia arnoldii), bildet die größten Blüten im Pflanzenreich.
Die Pflanzen sind Vollschmarotzer, die mit Ausnahme der Blüten vollständig innerhalb ihrer Wirtspflanze leben. Dort bestehen sie lediglich aus einem myzelartigen, mit Haustorien durchsetzten Geflecht. Wurzeln, Sprosse und Laubblätter werden nicht ausgebildet. Die spezifischen Wirtspflanzen sind Arten der Lianen bildenden Gattung Tetrastigma aus der Familie der Weinrebengewächse (Vitaceae). Die Blüte ist nur kurzlebig und zerfällt nach ein paar Tagen zu schwarzem, zähem Schleim.
Rafflesien sind zweihäusig getrenntgeschlechtig (diözisch). Die außerhalb des Wirtes gebildeten Blüten liegen in der Regel dem Boden auf, erscheinen aber auch bis in etwa 1 Meter Höhe. Direkt unter ihnen befinden sich kleine Schuppen, die vielleicht reduzierte Hoch- oder Kelchblätter darstellen. Die Blütenhülle besteht aus fünf ledrigen, bis 1 Zentimeter dicken Kronblättern. Im voll entwickelten Zustand beträgt der Durchmesser der Blüten je nach Art zwischen 13 Zentimeter und knapp einem Meter. In Farbe und stinkendem Geruch ahmen sie Aas nach und locken so Insekten, vorwiegend Fliegen, zur Bestäubung an. Die zentrale Säule der männlichen Blüten hat Öffnungen, durch die Bestäuber in die Blüte gelangen können. Durch durchscheinende Fenster und reusenartig aufgestellte Haare geleitet, gelangen die Insekten dort in eine Position, in der ihnen die in einer zähen Flüssigkeit befindlichen Pollen angeheftet werden. Um in die weiblichen Blüten zu gelangen, müssen sich die Bestäuber durch einen Spalt zwängen, in dem die Pollen an der Narben abgestreift werden. Es sind also nur Insekten einer bestimmten Größe als Bestäuber geeignet. Früchte werden nur selten gebildet, benötigen etwa ein Jahr bis zur Reife und können mehrere tausend Samen enthalten. Ihre Ausbreitung erfolgt vermutlich durch Nagetiere (Hörnchen; Zoochorie).
Ökosystem
Die hoch spezialisierten Pflanzen sind nur selten in der Natur zu finden und gelten, da sie auf ein komplex funktionierendes Ökosystem angewiesen sind, mit allen Arten als gefährdet.
Sie sind, je nach Art, auf ganz bestimmte Wirtspflanzen angewiesen. Werden die Wirte durch Abholzung, durch „Aufräumen“ oder durch zu starke Begehung des Waldes beseitigt oder geschädigt, können sich die Rafflesien nicht entwickeln.
Die Blüten benötigen ein gleichmäßig warmes und feuchtes Klima. Zu geringe Feuchtigkeit lässt sie vorzeitig austrocknen, zu hohe Feuchtigkeit vorzeitig verfaulen.
Die Blüten benötigen mehrere Monate (bis zu einem Jahr) zur Entwicklung, halten dann jedoch nur wenige (4 bis 7) Tage. Hierdurch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine männliche Blüte und eine in der Nähe gelegene weibliche Blüte gleichzeitig geöffnet sind, sehr gering.
Die Blüten können nur durch Insekten einer bestimmten Größe bestäubt werden. Diese wiederum sind auch auf ein funktionierendes Ökosystem angewiesen, in dem (durch Raubtiere hinterlassenes) Aas vorkommt, das sie zu ihrer Fortpflanzung benötigen.
Auch die die Samen verbreitenden Nagetiere benötigen ein funktionierendes Ökosystem, in dem sie beispielsweise ausreichend Schutz und Futter finden.
Da die Blüten durch ihre Größe eine hohe Aufmerksamkeit erregen, ist inzwischen ein Rafflesien-Tourismus zu bekannten Standorten entstanden. In einigen Fällen hat diese dazu geführt, dass zur Erhaltung der durch den Tourismus entstanden Einkommensquelle Schutzmaßnahmen wie Einzäunungen und Abholzverbote getroffen wurden. Nach einer Studie unter Führung der Universität Oxford sind alle 42 bekannten Arten stark bedroht, 25 Arten seien vom Aussterben bedroht, 15 seien stark gefährdet und zwei seien gefährdet.[1][2]
Da die Pflanzen außer den Blüten keine Organe haben, die eine vergleichende Betrachtung zulassen, war die systematische Stellung der Gattung Rafflesia bisher unklar. Sie wird traditionell in einer eigenen Pflanzenfamilie Rafflesiaceae geführt. DNA-Analysen[4] haben ergeben, dass Rafflesia und ihre Verwandten an der Basis des Stammbaumes der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) abzweigen. Die Verwandtschaftsverhältnisse lassen sich durch das nachfolgende Kladogramm illustrieren:
Das Forschungsergebnis ist deshalb so überraschend, da im deutlichen Gegensatz zu den Rafflesiengewächsen bei den Wolfsmilchgewächsen eine Tendenz zur Verkleinerung der Blüten zu beobachten ist, die in der Gattung Euphorbia mit winzigen, einzelnen nackten Staubfäden und einzelnen nackten Fruchtknoten ein Extrem erreicht.
Arten
Die seit Meijer 1997 etwa 20 Arten unterscheiden sich durch Größe, Form, Farbe und Textur ihrer Blüten. Die übrigen Organe, also das in den Wirtspflanzen wachsende Geflecht, wurden bisher kaum vergleichend untersucht.
Hier eine Auswahl der Arten:
Rafflesia arnoldii (Riesenrafflesie) R.Br. (Syn. Rafflesia titanJack): Borneo: Sarawak, Malaysia und W Kalimantan, Indonesien
Ladislao V. Olah: Cytological and Morphological Investigations in Rafflesia arnoldi R. Br. In: Bulletin of the Torrey Botanical Club. Volume 87, Issue 6, 1960, S. 406–416, doi:10.2307/2482906.
Reed S. Beaman, Pamela J. Decker, John H. Beaman: Pollination of Rafflesia (Rafflesiaceae). In: American Journal of Botany. Volume 75, Issue 8, 1988, S. 1148–1162, doi:10.2307/2444098.
P. Simons: Rafflesia, the world's largest flower. In: Biological Sciences Review. Volume 5, Issue 1, ISSN0953-5365, 1992, S. 7–9
Willem Meijer: Rafflesiaceae. In: Cornelis Kalkman et al. (Hrsg.): Flora Malesiana. Series 1: Spermatophyta. Issue 13: Rafflesiaceae, Boraginaceae, Daphniphyllaceae, Illiciaceae, Schisandraceae, Loranthaceae, Viscaceae. Rijksherbarium – Hortus Botanicus, Leiden 1997, ISBN 90-71236-33-1, S. 1–42, (Digitalisat).
Jamili Nais: Rafflesia of the World. Sabah Parks, Kota Kinabalu 2001, ISBN 983-812-042-1.
Einzelnachweise
↑ abStinkend schön – und bedroht, in: DIE WELT vom 26. September 2023
↑Pastor Malabrigo Jr., Adriane B. Tobias, Joko Witono, Sofi Mursidawati, Agus Susatya, Mat Yunoh Siti-Munirah, Adhityo Wicaksono, Reza Raihandhany, Sarah Edwards and Chris J. Thorogood. 2023. Most of the World's Largest Flowers (Genus Rafflesia) are now on the Brink of Extinction. PLANTS, PEOPLE, PLANET. DOI: 10.1002/ppp3.10431
↑ C. C. Davis, M. Latvis, D. L. Nickrent, K. J. Wurdack, D. A. Baum: Floral gigantism in Rafflesiaceae. In: Science, online veröffentlicht am 11. Januar 2007.
↑Siti-Munirah Mat Yunoh, Salamah Ahmad & Razelan Mohd Shah: Rafflesia tiomanensis (Rafflesiaceae), a new species from Pulau Tioman, Pahang, Malaysia. In: Malayan Nature Journal, Band 73, Nummer 1, 2021, S. 19–26, (Digitalisat).