Planare Chiralität

Bestimmung der planaren Chiralität: Der grün markierte Teil des Moleküls liegt in der Chiralitätsebene. Man folgt den Regeln zur Bestimmung des Leitatoms (mit rotem Stern markiert) und beobachtet den Verlauf der ersten 3 Atome in Richtung Chiralitätsebene. Der Weg mit der höchsten Priorität bestimmt die Konfiguration.

Als planare Chiralität bezeichnet man einen Spezialfall der Chiralität, bei dem eine stereogene Einheit des Moleküls kein Chiralitätszentrum (zentrale Chiralität) oder Chiralitätsachse (axiale Chiralität), sondern eine Chiralitätsebene ist.[1][2] Das bedeutet nicht, dass das Molekül frei von Chiralitätszentren oder Chiralitätsachsen sein muss. Planare Chiralität entsteht aufgrund der Anordnung von Substituenten innerhalb einer Ebene des Moleküls, die Chiralitätsebene.[3][4] Die planare Chiralität wird durch die Stereodeskriptoren Rp oder Sp gekennzeichnet.[5][6][7] Früher wurden stattdessen auch dementsprechend die Deskriptoren pR und pS verwendet.[2] Um die Chiralität zu bestimmen, geht man wie folgt vor:[8]

  1. Man legt ein Pilotatom (Leitatom) fest und markiert dieses (alle Leitatome in den Abbildungen dieses Artikels mit einem roten Stern markiert). Dieses muss alle folgenden Bedingungen erfüllen:
    • Es liegt nicht selbst in der Ebene (Die Chiralitätsebenen aller Abbildungen dieses Artikels sind grün gefärbt).
    • Es ist an ein Atom gebunden, welches in der Ebene liegt.
    • Nach der Cahn-Ingold-Prelog-Konvention muss es die höchste Priorität aller infrage kommenden Atome außerhalb der Ebene besitzen.
  2. Man betrachtet nun ausgehend vom Leitatom den Verlauf der ersten 3 Atome in der Ebene entlang der Seite mit der höchsten Priorität nach CIP-Konvention: Im Uhrzeigersinn ist es Rp, entgegen dem Uhrzeigersinn Sp.

Beispiele

Aren-Komplexe

Auch in Aren-Komplexen wie z. B. Derivaten des Ferrocens kann planare Chiralität auftreten.[9][10] Die Chiralitätsebene liegt in diesem Fall in der Ebene des planaren Aren-Liganden. Die planare Chiralität ist das Resultat unterschiedlicher Anordnung der Substituenten im Aren-Liganden. Zur Bestimmung der Chiralität geht man in diesem Fall wie folgt vor:

  1. Man sucht innerhalb des Ringes des Aren-Liganden nach dem C-Atom, welches an einen Substituenten gebunden ist, der nach der Cahn-Ingold-Prelog-Konvention die höchste Priorität besitzt.
  2. Man bestimmt die Priorität der Nachbar-C-Atome im Ring des Liganden ebenfalls nach CIP-Konvention.
  3. Ein Modell-Tetraeder wird gezeichnet, welcher das Koordinationszentrum und die drei C-Atome enthält.
  4. Entsprechend der CIP-Priorität dreht man den Tetraeder so, dass der Substituent mit der niedrigsten Priorität nach hinten zeigt und liest die Reihenfolge der CIP-Priorität ab: Im Uhrzeigersinn ist es Rp, entgegen dem Uhrzeigersinn Sp.

Beispiele

Erklärung der Beispiele

Historie

Der Begriff planare Chiralität wurde 1966 von Robert Sidney Cahn, Christopher Kelk Ingold und Vladimir Prelog in ihrem Artikel Specification of Molecular Chirality eingeführt, der in Angewandte Chemie International Edition veröffentlicht wurde.[11]

Anwendungen

Liganden mit planarer Chiralität haben Anwendung in enantioselektiver Synthese gefunden.[12][13][14]

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Karl-Heinz Hellwich: Planare Chiralität. In: Stereochemie — Grundbegriffe. Springer Berlin Heidelberg, Berlin/ Heidelberg 2002, ISBN 3-540-42347-8, S. 61–62, doi:10.1007/978-3-662-10051-6_38.
  2. a b c Ernest L. Eliel: Stereochemistry of organic compounds. Wiley, New York 1994, ISBN 0-471-01670-5.
  3. The IUPAC Compendium of Chemical Terminology: The Gold Book. 4. Auflage. International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC), Research Triangle Park, NC 2019, doi:10.1351/goldbook (iupac.org [abgerufen am 24. Oktober 2021]).
  4. Karl Schlögl: Planar chiral molecular structures. In: Stereochemistry. Band 125. Springer, Berlin/ Heidelberg 1984, ISBN 3-540-13569-3, S. 27–62, doi:10.1007/3-540-13569-3_2.
  5. Stereochemie. 9. Februar 2012, abgerufen am 24. Oktober 2021.
  6. G. P. Moss: Basic terminology of stereochemistry (IUPAC Recommendations 1996). In: Pure and Applied Chemistry. Band 68, Nr. 12, 1. Januar 1996, S. 2193–2222, doi:10.1351/pac199668122193.
  7. Shaoze Yu, Hanyang Bao, Dekun Zhang, Xiaoyu Yang: Kinetic resolution of substituted amido[2.2]paracyclophanes via asymmetric electrophilic amination. In: Nature Communications. Band 14, Nr. 1, 28. August 2023, S. 5239, doi:10.1038/s41467-023-40718-8, PMID 37640717.
  8. a b Hans Beyer: Organische Chemie. 25., völlig neu bearbeitete Auflage. Stuttgart 2016, ISBN 978-3-7776-1673-5.
  9. Christoph Janiak, Hans-Jürgen Meyer, Dietrich Gudat, Philipp Kurz: Riedel Moderne Anorganische Chemie. De Gruyter, 2018, ISBN 978-3-11-044163-5, doi:10.1515/9783110441635.
  10. Hani Amouri: Chirality in transition metal chemistry : molecules, supramolecular assemblies and materials. Wiley, Chichester, U.K. 2008, ISBN 978-0-470-72160-5.
  11. R. S. Cahn, Christopher Ingold, V. Prelog: Specification of Molecular Chirality. In: Angewandte Chemie International Edition in English. Band 5, Nr. 4, April 1966, S. 385–415, doi:10.1002/anie.196603851.
  12. Ross A. Arthurs, David L. Hughes, Christopher J. Richards: Planar chiral palladacycle precatalysts for asymmetric synthesis. In: Organic & Biomolecular Chemistry. Band 18, Nr. 28, 2020, S. 5466–5472, doi:10.1039/D0OB01331E.
  13. Chong Tian, Stephen D. P. Fielden, Borja Pérez-Saavedra, Iñigo J. Vitorica-Yrezabal, David A. Leigh: Single-Step Enantioselective Synthesis of Mechanically Planar Chiral [2]Rotaxanes Using a Chiral Leaving Group Strategy. In: Journal of the American Chemical Society. Band 142, Nr. 21, 27. Mai 2020, S. 9803–9808, doi:10.1021/jacs.0c03447, PMID 32356978, PMC 7266371 (freier Volltext).
  14. L.-X. Dai, X.-L. Hou, W.-P. Peng, S.-L. You, Y.-G. Zhou: The application of ligands with planar chirality in asymmetric synthesis. In: Pure and Applied Chemistry. Band 71, Nr. 8, 30. August 1999, S. 1401–1405, doi:10.1351/pac199971081401.
  15. Michael B. Smith: March's advanced organic chemistry : reactions, mechanisms, and structure. 8. Auflage. Hoboken, New Jersey 2020, ISBN 978-1-119-37180-9.