Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).
Phenanthren (zusammengesetzt aus Phenyl und Anthracen) ist ein farbloser bis gelblicher, kristalliner Feststoff. Es ist ein polycyclischer aromatischer Kohlenwasserstoff, enthält drei anellierte Benzolringe und gehört zur Stoffgruppe der Phene. Der aromatische Charakter ist im Vergleich zum isomerenAnthracen etwas stärker ausgeprägt, was sich an einer höheren Delokalisierungsenergie von 387 kJ/mol im Vergleich zu 351,5 kJ/mol für Anthracen zeigt.[6] Phenanthren findet sich in der Fraktion des Anthracens im Steinkohlenteer, woraus es im Wesentlichen gewonnen wird. Ein Derivat des Phenanthren, das Steran, ist Grundgerüst für die Steroide. Phenanthren wird für die Synthese von Farbstoffen verwendet.
Natürlich kommt Phenanthren in Form des sehr seltenen MineralsRavatit vor.[7]
Synthese
Die Synthese von Phenanthren wurde 1932 erstmals von dem englischen Chemiker Robert Downs Haworth (1898–1990) vorgestellt und ist demnach auch als Haworth-Synthese bekannt.[8]
Die nachfolgenden Syntheseschritte werden in der Literatur[9][10] beschrieben:
Im ersten Schritt wird Naphthalin1 mittels Friedel-Crafts-Acylierung durch Bernsteinsäureanhydrid2 acyliert. Die dabei entstehende Ketosäure 3 wird anschließend durch eine Clemmensen-Reduktion mit Zinkamalgam und Salzsäure reduziert, sodass das Naphthalin-Derivat 4 gebildet wird. Durch Zugabe von Schwefelsäure kommt es dann zur Abspaltung von Wasser. Durch darauffolgende interne Elektronenumlagerungen, die zur Abspaltung eines Protons führen, entsteht das Keton 5. Dann folgt eine weitere Clemmensen-Reduktion, wobei der Kohlenwasserstoff 6 gebildet wird. Die Dehydrierung mit Selen im letzten Schritt liefert Phenanthren 7.
Die farblosen bis gelblichen Kristalle sind geruchlos und fluoreszieren, wenn sie in Benzol gelöst werden. Hochreines Phenanthren schmilzt bei 98,5 °C.[2] Die Schmelzenthalpie beträgt 18,13 kJ/mol.[2] Bei 72,8 °C wird ein Phasenübergang höherer Ordnung beobachtet, wobei eine polymorphe Umwandlung einer Tieftemperatur- in eine Hochtemperaturkristallform stattfindet.[2][11] Der Siedepunkt liegt bei 340 °C.[1] Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10(P) = A−(B/(T+C)) (P in bar, T in K) mit A = 4,51922, B = 2428,448 und C = −70.96 im Temperaturbereich von 373 K bis 423 K[12] bzw. mit A = 4,68940, B = 2673,320 und C = −40.7 im Temperaturbereich von 477 K bis 620 K.[13] In Wasser ist Phenanthren nahezu unlöslich (0,0011 g/l), in Tetrachlorkohlenstoff, Ether, Benzol, Toluol sowie weiteren unpolaren organischen Lösungsmitteln ist es gut löslich.
Das chemische Verhalten ist durch die besondere Reaktivität in der 9- und 10-Stellung geprägt. So führt die Bromierung zum 9,10-Dibrom-9,10-dihydrophenanthren. Beim Erhitzen dieser Verbindung wird unter HBr-Abspaltung mit 9-Bromphenanthren wieder ein aromatisches System gebildet.[6]
Kommerziell erhältliches Phenanthren enthält Anthracen-Verunreinigungen. Durch eine photochemische Reaktion von Anthracen mit N,N-Dimethylanilin gelingt es, hochreines (99,8 %) Phenanthren zu erhalten. Bei dieser Reaktion bildet sich 9-(4-Dimethylaminophenyl)-9,10-dihydroanthracen, das durch Salzsäure entfernt wird.[17]
Nomenklatur
Nach der IUPAC-Nomenklatur gibt es für Phenanthren, wie auch für das isomere Anthracen, einen speziellen Lokantensatz, der von der systematischen Bezifferung abweicht.[18] Dieser Lokantensatz wird teilweise auch auf heterocyclische Verbindungen mit derselben Grundstruktur (bei denen lediglich Kohlenstoffatome durch andere Atome ersetzt sind) übertragen.
Lokanten von Phenanthren gemäß IUPAC
Lokanten von Tricyclo[8.4.0.02,7]tetradeca-1,3,5,7,9,11,13-heptaen gemäß der Von-Baeyer-Nomenklatur
Nach der Von-Baeyer-Nomenklatur für polycyclische Verbindungen, die allerdings für aromatische Verbindungen nicht empfohlen wird,[19] wird Phenanthren als Tricyclo[8.4.0.02,7]tetradeca-1,3,5,7,9,11,13-heptaen bezeichnet.
Gefahren und Metabolismus
Phenanthren reizt die Augen und Haut, es ist wassergefährdend (WGK 3).[1] Im Körper wird Phenanthren zu Naphthalin-1,2-diol oxidiert.
↑ abcdU. Gloistein, M. Epple, H. K. Cammenga: Influencing the Solid-Solid Phase Transition in Phenanthrene by Suitable Doping. In: Zeitschrift für Physikalische Chemie. 214, Muenchen Germany 2000, S. 379–388.
↑ abcHauptmann, Graefe, Remane: Lehrbuch der Organischen Chemie. 2. Auflage, Deutscher Verlag der Grundstoffindustrie, Leipzig 1980, S. 268.
↑L. Nasdala, I.V. Pekov: Ravatite, C14H10, a new organic mineral species from Ravat, Tadzhikistan. In: European Journal of Mineralogy. 5, 1993, S. 699–705; Abstract In: New Mineral Names. (PDF; 611 kB), In: American Mineralogist. 1994, 79, S. 389.
↑J. Kroupa, J. Fousek, N. R. Ivanov, B. Brezina, V. Lhotska: In: Ferroelectrics. 79, 1988, S. 189.
↑A. G. Osborn, D. R. Douslin: Vapor Pressures and Derived Enthalpies of Vaporization for Some Condensed–Ring Hydrocarbons. In: Journal of Chemical & Engineering Data. 20, 1975, S. 229–231.