Patientengeschichte ist ein Teilgebiet der Sozialgeschichte der Medizin. Sie erforscht die Sichtweise von Patienten auf ihr Leiden und die in diesem Zusammenhang von Ärzten oder Angehörigen anderer Heilberufe vollzogenen medizinischen Handlungen. Aspekte der sozialen Wahrnehmung und Aushandlungsprozesse zwischen Experten und Laien stehen im Zentrum des Interesses der Patientengeschichtsschreibung.
Methodik und Geschichte des Fachgebietes
Patientengeschichte ist, so Burkhart Brückner, eine Geschichte der subjektiven Quellen. Patientengeschichtliche Arbeiten gründen insbesondere auf der Untersuchung von Selbstzeugnissen (Autobiografien, Tagebücher und Briefe), aber auch von Krankengeschichten, Krankenakten und Fremdzeugnissen wie ärztlichen Fallgeschichten. Herangezogen werden darüber hinaus Zeichnungen, Fotografien und Gegenstände des täglichen Gebrauchs.
Es war der britische Historiker Roy Porter, der 1985 forderte, Medizingeschichte aus Sicht der Patienten zu schreiben.[1] Überwunden werden sollte dadurch die bis dahin gegebene Ärztezentrierung und Festlegung auf eine Auswertung gelehrter Texte.[2]
Siehe auch
Narrative Medizin
Literatur
- Alexandra Bacopoulos-Viau, Aude Fauvel: The Patient’s Turn. Roy Porter and Psychiatry’s Tales, Thirty Years on. In: Medical History. Band 60, Nr. 1, 2016, S. 1–18.
- Burkhart Brückner, Thomas Röske, Maike Rotzoll, Thomas Müller: Geschichte der Psychiatrie „von unten“. Entwicklung und Stand der deutschsprachigen Forschung. In: Medizinhistorisches Journal. Band 54, Nr. 4, 2019, S. 347–376.
- Burkhart Brückner: Animal Magnetism, Psychiatry and Subjective Experience in Nineteenth-Century Germany: Friedrich Krauß and his „Nothschrei“. In: Medical History. Band 60, Nr. 1, 2016, S. 19–36.
- Burkhart Brückner: Delirium und Wahn – Geschichte, Selbstzeugnisse und Theorien von der Antike bis 1900. Band I: Vom Altertum bis zur Aufklärung, Band II: Das 19. Jahrhundert – Deutschland, Guido Pressler Verlag, Hürtgenwald 2007, ISBN 978-3-876-46099-4.
- Barbara Duden: Geschichte unter der Haut. Ein Eisenacher Arzt und seine Patientinnen um 1730. Klett-Cotta, Stuttgart 1987, ISBN 3-608-93113-9
- Rafael Huertas: Another history for another psychiatry. The patient’s view. In: Culture & History Digital Journal 2, 2013, e020.
- Philipp Osten (Hrsg.): Patientendokumente. Krankheit in Selbstzeugnissen. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-515-09717-8.
- Roy Porter: The Patient's View. Doing Medical History from Below. In: Theory and Society 14, (2), 1985, S. 175–198.
- Geoffrey Reaume: From the perspective of mad people. In: Greg Eghigian (Hg.): The Routledge History of Madness and Mental Health. London, New York 2017, 277–296.
- Melanie Ruff: Gesichter des Ersten Weltkrieges. Alltag, Biografien und Selbstdarstellungen von gesichtsverletzten Soldaten. In: Medizin, Gesellschaft und Geschichte – Beihefte, Band 55, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-515-11058-7.
- Florian Steger: Patientengeschichte – eine Perspektive für Quellen der Antiken Medizin? Überlegungen zu den Krankengeschichten der Epidemiebücher des Corpus Hippocraticum. In: Sudhoffs Archiv. Band 91, Nr. 2, 2007, S. 230–238.
- Michael Stolberg: Homo patiens. Körper- und Krankheitserfahrung in der Frühen Neuzeit. Böhlau-Verlag, Köln/Weimar 2003, ISBN 978-3-412-16202-3.
- Gunnar Stollberg, Christina Vanja, Florian Bruns, Fritz Dross (Hrsg.): Patientengeschichte in Hospital, Heilstätte und Krankenhaus (= Historia Hospitalium. Band 29). Lit Verlag, Berlin/Münster/Zürich/Wien/London 2016, ISBN 978-3-643-13174-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Roy Porter: The Patient’s View. Doing Medical History from Below. In: Theory and Society 14. Band 14, Nr. 2, 1985, S. 175–198.
- ↑ Gerhard Ammerer, Elke Schlenkrich, Sabine Veits-Falk, Alfred Stefan Weiß (Hrsg.): Armut auf dem Lande. Mitteleuropa vom Spätmittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Böhlau Verlag, Wien 2019, S. 159.
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