Der Osterhase ist im Osterbrauchtum ein vorgestellter Hase, der zu Ostern Eier bemalt und im Garten versteckt. Die Ostereier werden am Morgen des Ostersonntags von den Kindern gesucht. Das Motiv des Osterhasen hat sich in neuerer Zeit in der populären Kultur des Osterfestes auch durch seine kommerzielle Verwendung ausgebreitet und frühere Überbringer des Ostereies weithin verdrängt.
Der Osterhase wird – soweit bekannt – zum ersten Mal in der Dissertation des Frankfurter Arztes Johannes Richier[1] erwähnt, der bei dem angesehenen Heidelberger Medizinprofessor Georg Franck von Franckenau im Jahr 1682 mit der Abhandlung „De ovis paschalibus – von Oster-Eyern“ promoviert wurde.[2] Der Sohn des aus Glaubensgründen aus Frankreich geflüchteten Pastors Jean Richier[3] schildert für Oberdeutschland, Pfalz, Elsass und angrenzende Gebiete sowie Westfalen einen Brauch, wonach ein Oster-Hase die Eier lege (ova excludere) und in Gärten im Gras, Gesträuch usw. verstecke, wo sie unter Gelächter und zum Vergnügen der Erwachsenen (cum risu et iucunditate seniorum) von den Kindern eifrig gesucht würden. Dass der Osterhase die Eier verstecke, nennt er „eine Fabel, die man Einfältigen und Kindern aufbindet“ (fabula, que simplicioribus et infantibus imponunt).
Der Grund für den kräftigen Aufschwung, den der Osterhasen-Glaube schließlich im 19. Jahrhundert nahm, ist nach Auffassung der Kulturwissenschaft in der industriellen Herstellung von billigem Rübenzucker zu finden, wodurch die Produktion von erschwinglichen Schokoladenhasen und -eiern erst möglich wurde.[4]
Die Verbindung des christlichen Osterfestes mit dem Ei als Symbol ist für verschiedene europäische Länder spätestens aus dem Mittelalter bekannt, möglicherweise auch früher anzusetzen.[5] Es gibt daneben seit Ambrosius auch eine ältere Deutung des Hasen als Auferstehungssymbol.[6] Die vielfältige christliche Hasensymbolik fand im Mittelalter in vielen Bildwerken ihren Ausdruck, siehe Hase in der Kunst. Die Verbindung des Hasen mit dem österlichen Eierbrauch ist jedoch noch unklar, auch wenn die Fruchtbarkeit der Hasen für sich allein eine enge Verbindung zum Frühling hat. Folgende Hypothesen werden gerne angeführt:
Einige frühe bemalte Ostereier zeigen das Dreihasenbild – eine Darstellung von drei Hasen mit lediglich drei Ohren insgesamt, bei denen aufgrund der „Doppelverwendung“ von Ohren dennoch jeder Hase zwei Ohren hat; dies ist heute ein bekanntes Symbol für die Dreieinigkeit (die ursprüngliche Bedeutung ist unklar). Eventuell könnte man von dieser Darstellung auf den Hasen als Eierlieferant gekommen sein.
An einer Stelle der Bibel, dem Ps 104,18 EU, wird in älteren Übersetzungen von „Hasen“ gesprochen.[7] Grund dafür war die lateinische Übersetzung von Spr 30,26 EU, in der Hieronymus das hebräische „schafan“ (Klippschliefer) mit „lepusculus“ (Häschen) übersetzte.[8] Seit der Spätantike wurde diese Stelle als Symbol für den schwachen Menschen (Hase) interpretiert, der seine Zuflucht im Felsen (Christus) sucht. Diese Auslegung begründete die Hasensymbolik in der christlichen Ikonographie.
Glaube an den Osterhasen
Es gilt weithin als unschädlich, kleineren Kindern zu vermitteln, der Osterhase bringe Eier und Süßigkeiten zum Osterfest. Nach Auffassung von Psychologen rege diese Illusion die Fantasie an und unterstütze die kognitive Entwicklung. Allerdings sollten kritische Fragen und Zweifel der Kinder unterstützt werden, sodass der Glaube an den Hasen auch durch Austausch mit anderen Kindern schließlich von selbst verschwindet.[9]
Osterhase international
Durch deutschsprachige Auswanderer wurde der Osterhase auch außerhalb Europas verbreitet. Insbesondere in den USA hat er eine gewisse Popularität gewonnen. Im Englischen überwiegt dabei die Bezeichnung „Easter Bunny“ gegenüber der wörtlichen Übersetzung „Easter Hare“, sodass die Figur häufig als Kaninchen verstanden wird.
Osterhasenpostamt
In Deutschland gibt es, ähnlich wie zur Weihnachtszeit das Weihnachtspostamt, auch Ostern drei Orte, an denen Briefe an den Osterhasen beantwortet werden, wenn sie rechtzeitig an eine der folgenden Adressen gesendet werden:[10]
Liste der „Osterpostämter“/„Osterpostfilialen“ in Deutschland
In Australien wird seit den 1970er-Jahren dem „Easter Bunny“ ein „Easter Bilby“ zur Seite gestellt. Damit soll auf die – nicht zuletzt durch die Ausbreitung der europäischen Kaninchen – bedrohte Tierart Großer Kaninchennasenbeutler („Bilby“) hingewiesen und durch Verkauf von Schokoladenbilbies Geldmittel für einen Erhaltungsfonds gesammelt werden.[20][21]
Literatur
Max Höfler: Ostergebäcke. Eine vergleichende Studie der Gebildbrote zur Osterzeit (Zeitschrift für österreichische Volkskunde. Supplement-Heft IV zum XII. Jahrgang 1906). Verlag des Vereines für österr. Volkskunde, Wien 1906.
Hugo Hepding: Ostereier und Osterhase. In: Hessische Blätter für Volkskunde. Band XXIV. 1927, S. 127–141.
Albert Becker: Osterei und Osterhase. Vom Brauchtum der deutschen Osterzeit. Eugen Diederichs, Jena 1937.
Gustav Schmidt (Hrsg.): Oberfränkisches Brauchtum in alter und neuer Zeit. Bayerische Verlags-Anstalt, Bayreuth 1994, ISBN 3-87052-994-6. Darin: Osterbrauchtum, S. 202–222.
↑Als solcher zum 15. Dezember 1684 erwähnt von Achilles Augustus von Lersner: Chronica der weitberühmten freyen Reichs-, Wahl- und Handelsstadt Franckfurth am Mayn. Teil 2, Buch 2. Frankfurt am Main. 1734, S. 63 (online bei Google Books).
↑Johannes Richier: Disputatione ordinaria disquirens de ovis paschalibus / von Oster-Eyern. In: Satyrae Medicae. Nr.XVIII. Heidelberg 1682, S.6 (Online bei un.uni-heidelberg.de).
↑Jean (=Johannes) Richier war von März 1652 bis zu seinem Tod 1695 Pastor der Église réformée française de Francfort, s. Troisième jubilé séculaire de la fondation de l'Église Réformée Française de Francfort s/M. Frankfurt am Main 1854, S. 50 u. 54 (online bei Google Books). Ihm (D[omi]n[o] Joh[anni] Richier, ecclesiae reformatae Gallicae Francofurtensis pastori) ist die Dissertation seines gleichnamigen Sohnes gewidmet (Rückseite des Titelseite).
↑Helga Maria Wolf: Österreichische Feste und Bräuche im Jahreskreis. St. Pölten 2003, ISBN 978-3853262252, S. 77.
↑Ei. In: Lexikon der christlichen Ikonographie (LCI). Freiburg im Breisgau 1970, ISBN 3-451-21806-2, Band 1
↑In: Lexikon der christlichen Ikonographie (LCI). Freiburg im Breisgau 1970, ISBN 3-451-21806-2, Band 2, Sp. 221.
↑in neueren Ausgaben wird korrekt als „Klippdachs“ übersetzt
↑Übersetzung wird auch auf die älteren griechischen Übersetzungen zurückgeführt, in denen bereits das Wort Hase verwendet worden sein soll. Hieronymus dürfte genügend Hebräisch verstanden haben, um das Problem zu verstehen; entscheidend dürfte – ähnlich wie bei Luthers späterer Übersetzung – die Tatsache gewesen sein, dass Klippschliefer nördlich des Mittelmeeres nicht vorkommen und die Übersetzer mit bekannten Begriffen auskommen wollten.
↑Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands. Teil 2. Hrsg. von Adalbert Kuhn. Leipzig 1859, S. 143 (online bei Google Books).