Oskar LievenOskar Karl Joseph Lieven (* 3. Juni 1852 in Hasenpoth; † 17. November 1912 in Konstanz) war ein russischer Chemiker und Unternehmer deutsch-baltischer Herkunft. Er war von 1890 bis zu seinem Tod eine der prägenden Figuren der russischen Zementindustrie. LebenHerkunft, Ausbildung und PrivatlebenEr kam im Sommer 1852 als Sohn von Samuel Paul Lieven (1805–1855) und Elisabeth Louise Bergholtz (1816–1911) in der Kreisstadt Hasenpoth im Gouvernement Kurland zur Welt. Der Vater arbeitete dort als Stadtarzt und die Familie zählte zur Minderheit der Deutsch-Balten, die allerdings in den Ostseegouvernements des Russischen Kaiserreiches den Großteil des Bürgertums stellte. Oskar Lieven war das zweitjüngste von insgesamt 14 Geschwistern (elf Brüder und drei Schwestern), die auch alle das Erwachsenenalter erreichten. Von 1863 bis 1870 besuchte er das Gymnasium in Dorpat im Gouvernement Livland. Anschließend immatrikulierte er sich 1871 für ein Chemiestudium an der Kaiserlichen Universität Dorpat.[1][2] Dieses konnte er 1875 als Kandidat abschließen, woraufhin er seine Studien kurzzeitig in München (Königreich Bayern) fortsetzte, ehe er am 2. August 1876 an der Gießener Ludwigs-Universität (Großherzogtum Hessen) promoviert wurde. Berufliche KarriereNachdem er aus Deutschland wieder in seine Heimatregion zurückgekehrt war, fand Lieven seinen Einstieg ins Berufsleben als Chemiker bei der Portland-Cement-Fabrik J. J. Girard & Co. in Kunda (Gouvernement Estland). Anschließend war er stellvertretender Direktor der Zementfabrik in Podolsk bei Moskau. In den Jahren 1878 und 1879 arbeitete er als Gehilfe des Direktors der Russisch-Englischen Gummimanufaktur in der russischen Hauptstadt Sankt Petersburg und nachdem diese bei einem Brand zerstört worden war, kehrte er 1879 an die Zementfabrik in Kunda zurück. Dort war er nun zunächst ebenfalls als Gehilfe des Direktors tätig, ehe er das Werk ab 1890 dann selbst als Direktor leitete. Im Jahr 1895 ernannte man ihn zum Fabrikdirektor der Gesellschaft für Zementfabrikation am Schwarzen Meere in Noworossijsk, die sein Bruder Viktor (1841–1910) Anfang der 1880er Jahre gegründet hatte und die seit Dezember 1882 in Betrieb war.[3] Als die Gesellschaft 1900 eine weitere Fabrik in Lyssytschansk im Donezbecken eröffnete, wurde er Generaldirektor beider Werke, wobei sein Tätigkeitsschwerpunkt nach wie vor in Noworossijsk lag.[2] Dort wurde die Fabrik unter seiner Leitung mehrfach erweitert und es gelang ihm, die Jahresproduktion sukzessive von etwa 200.000 auf 1,5 Millionen Fässer zu steigern, womit sie die „bei weitem größte“[2] Zementfabrik Russlands und eine der bedeutendsten ganz Europas war. Das Werk umfasste – aufgrund der vergleichsweise isolierten Lage abseits großer Industriezentren – auch eine ausgedehnte eigene Fassherstellung mit Holzlagern und große Reparaturwerkstätten. Während Lievens Direktorat entstand um das Unternehmen herum eine eigene kleine Fabrikstadt für die Beamten und Arbeiter und deren Familien. So ließ er beispielsweise Werkssiedlungen, eine neue Volksschule und Läden für den täglichen Bedarf errichten. Darüber hinaus legte man einen Volksgarten an, erweiterte das lokale Badehaus und gliederte dem Krankenhaus eine chirurgische Abteilung an. Zudem entstand im Werk ein Andachtsraum für Angehörige der russisch-orthodoxen Kirche und über Spenden finanzierte die Zementgesellschaft auch den Bau einer evangelischen Kirche in der Stadt.[2] Weitere TätigkeitenIm Februar 1877 wurde Oskar Lieven auf Vorschlag von Carl Liebermann und Max Delbrück als außerordentliches Mitglied in die Deutsche Chemische Gesellschaft aufgenommen.[4] Zwischen 1903 und 1912 war er ferner Mitglied sowohl der Behörde für Fabrikwesen und Bergbau als auch des Waldschutzkomitees im Schwarzmeergebiet. Darüber hinaus amtierte er zwischen 1910 und 1912 als Präses des evangelisch-lutherischen Kirchenrates in Noworossijsk. Konservatorisches BemühenOskar Lieven war seit 1894 korrespondierendes Mitglied der in Jurjew (seit 1893 offizieller Name der Stadt Dorpat) ansässigen Gelehrten Estnischen Gesellschaft.[5] Im Jahr 1907 stellte er einem eigens gebildeten Komitee seine Ideen zur Konservierung der Dorpater Domruine vor. Im entsprechenden Sitzungsbericht heißt es:
Wenig später lieferte Lieven auch Ratschläge hinsichtlich der Beschaffung passender Birkenrinden:
Publikationen (Auswahl)
Einzelnachweise
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