Noosphäre

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Der Begriff der Noosphäre ([nooˈsfɛːrə] altgriechisch νοῦς nous, unkontrahiert νόος noos, „Geist“, „Verstand“, zusammen also „Sphäre des menschlichen Geistes/Verstandes“) stammt ursprünglich aus dem Kontext der Philosophie und der Naturwissenschaft; er stammt von dem sowjetischen Geologen, Geochemiker, Mineralogen und Begründer der Geochemie, Radiogeologie und Biogeochemie Wladimir Iwanowitsch Wernadski und wurde von Édouard Le Roy geprägt.

Geschichte

Laut einer anderen Quelle[1] hat Pierre Teilhard de Chardin den Begriff Noosphäre 1925 als erster in einem damals noch nicht veröffentlichten Aufsatz La vision du passe verwendet, Wernadski erstmals 1931:

„In den Jahren 1922 und 1923 nahm ich in meinen Vorlesungen an der Sorbonne in Paris als Grundlage der Biosphäre biogeochemische Erscheinungen an … Von meiner biogeochemischen Grundlage der Biosphäre ausgehend, führte der französische Mathematiker und Philosoph, der Bergsonianer E. Le Roy in seinen Vorlesungen am College de France in Paris 1927 den Begriff ‚Noosphäre‘ als das moderne Stadium, das die Biosphäre geologisch durchlebt, ein. Er betonte dabei, zu dieser Vorstellung sei er zusammen mit seinem Freund, dem bedeutenden Geologen und Paläontologen Teilhard de Chardin gelangt“[2]

Der Begriff Noosphäre erfuhr eine christliche Vereinnahmung und Umdeutung beginnend mit den Schriften des Theologen Pierre Teilhard de Chardin ab 1922 in seiner Kosmogenese.[3] Noosphäre bezeichnet in der christlichen Theologie des de Chardin, die infolge eine internationale christliche Nutzbarmachung und Verbreitung erfuhr, eine Phase der geistigen Entwicklung, in der die Menschheit zu einem Geist in oder mit Jesus Christus zusammenwächst, d. h. zur weltweiten Einheitsreligion Christentum. Teilhard de Chardin bezeichnet dies als Ziel der Christentumsgeschichte mit einer trinitären Gottesvorstellung. Le Roy und Teilhard de Chardin hörten beide 1922 Vorlesungen bei Wladimir Iwanowitsch Wernadski.

Der russische Geologe Wladimir Iwanowitsch Wernadski nutzte seinen Terminus erst wieder ab 1937, am ausführlichsten in der Arbeit Der wissenschaftliche Gedanke als planetare Erscheinung (Научная мысль как планетное явление). Dieser Artikel sollte Teil seines großen Lebenswerkes Der chemische Aufbau der Biosphäre der Erde und ihre Umgebung (Химическое строение биосферы Земли и ее окружения) werden. Bedingt durch die Unterdrückung bzw. Trennung der Philosophien und der Wissenschaften im Kalten Krieg, erschien sein Werk erst 1977 auf Russisch, wo er wieder die evolutionäre Umwandlung der Biosphäre in eine Sphäre der menschlichen Vernunft – die Noosphäre – beschreibt (Kosmologie).

In neuerer Zeit wurde der Begriff der Noosphäre von Medientheoretikern und Vordenkern der Open-Source-Bewegung revitalisiert und mit einer veränderten, enttheologisierten Bedeutung belegt, die sich inhaltlich eher an Wernadski als an de Chardin anlehnt.

Zur weiteren Entwicklung und Verwendung des Begriffs im Rang der Entwicklung:

  • Wladimir Iwanowitsch Wernadski (russischer[4][5][6] Geologe, Geochemiker und Mineraloge, einer der Geochemie-, Radiogeologie- und Biogeochemie-Begründer), (1863–1945)
  • Édouard Le Roy (1870–1954) (französischer Philosoph und Mathematiker), Les origines humaines et l'evolution de l'intelligence (Paris, 1928)
  • Pierre Teilhard de Chardin (katholischer Theologe, Geologe und Paläontologe), (1881–1955)
  • Medientheoretiker und Vordenker der Open-Source-Bewegung entwickeln den Begriff in neuerer Zeit weiter, inhaltlich an die Ursprünge bei Wernadski angelehnt und besonders wieder ent-christianisiert und ent-theologisiert.
    • Marshall McLuhan bezeichnet die Noosphäre als „kosmische Membran, die sich durch die elektrische Erweiterung unserer verschiedenen Sinne rund um den Globus gelegt hat“, also als „ein technisches Gehirn für die Welt“. McLuhan hat den Begriff der Noosphäre über den Jesuiten und Medienwissenschaftler Walter Ong von Teilhard de Chardin rezipiert (gemäß Krügers Analyse).
    • Eric S. Raymond verwendet den Begriff der Noosphäre in seinem Aufsatz Homesteading the Noosphere, in dem er Probleme des Projektmanagements bei Open Source diskutiert. Noosphäre beschreibt Raymond als „den Raum aller denkbaren Gedanken“; er unterscheidet dabei zusätzlich mit Faré Rideau zwischen Noosphäre (noosphere) und Ergosphäre (ergosphere).[7]

Siehe auch

Wiktionary: Noosphäre – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Elisabeth Hödl: Die Noosphäre als Bezugsrahmen für das Recht, In: Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer (Hrsg.): Transformation juristischer Sprachen, Tagungsband des 15. Internationalen Rechtsinformatik Symposions, 2012, S. 639–648.
  • Oliver Krüger: Gaia, God, and the Internet - revisited. The History of Evolution and the Utopia of Community in Media Society. In: Online – Heidelberg Journal for Religions on the Internet 8 (2015), online Text.
  • Georgy S. Levit: Biogeochemistry, Biosphere, Noosphere: The Growth of the Theoretical System of Vladimir Ivanovich Vernadsky (1863-1945) („Studien zur Theorie der Biologie“; Bd. 4; Hrsg. von Olaf Breidbach und Michael Weingarten). Berlin: VWB, 2001 online Katalog, ISBN 3-86135-351-2 - zugleich Oldenburg Univ. Dissertation 2000 online Text
  • Georgy S. Levit: The Biosphere and the Noosphere Theories of V. I. Vernadsky and P. Teilhard de Chardin: A Methodological Essay. International Archives on the History of Science/Archives Internationales D'Histoire des Sciences, 50 (144) - 2000: S. 160–176. online Text (Memento vom 11. Januar 2006 im Internet Archive)
  • Eric Steven Raymond: The Cathedral and the Bazaar. enthält unter anderem The Cathedral and the Bazaar, Homesteading the Noosphere (online Text), The Magic Cauldron und Revenge of the Hackers. O'Reilly: 2001. ISBN 0596001088
  • E. LeRoy: Les origines humaines et l'evolution de l'intelligence. Paris, 1928
  • Paul R. Samson, David Pitt (Hrsg.): The Biosphere and Noosphere Reader: Global Environment, Society and Change. ISBN 0-415-16644-6
  • Wladimir Iwanowitsch Wernadski: Biosphere. 1926
  • Wladimir Iwanowitsch Wernadski: Some words about noosphere. 1944

Quellen

  1. Vladimir I. Vernadskij: Der Mensch in der Biosphäre. Zur Naturgeschichte der Vernunft. Hrsg. v. Wolfgang Hofkirchner. Frankfurt, 1997
  2. Vladimir I. Vernadskij: Der Mensch in der Biosphäre. Zur Naturgeschichte der Vernunft. Hrsg. v. Wolfgang Hofkirchner. Frankfurt, 1997, S. 11f
  3. Tambov State Technical University: The Prominent Russian Scientist V.I.Vernadsky (Memento vom 30. April 2008 im Internet Archive), in Englisch, zuletzt abgerufen am 21. August 2007
  4. Vladimir Ivanovich Vernadsky — Encyclopædia Britannica
  5. Vernadsky, Vladimir Ivanovich — The Oxford Companion to the Earth
  6. Vernadsky, Vladímir Ivanovich — Environmental Encyclopedia
  7. homesteading catb.org Homesteading the Noosphere