Nicht versöhnt
Nicht versöhnt ist ein deutscher Spielfilm aus dem Jahr 1965 von Jean-Marie Straub nach dem Roman Billard um halb zehn (1959) von Heinrich Böll. HandlungIm Mittelpunkt der nicht ganz einstündigen Geschichte steht die Kölner Architektenfamilie Fähmel. Ihr Handeln und Nicht-Handeln, ihre Courage, Feigheit und ihre Fluchten vor der Verantwortung werden anhand dreier Generationen ab 1907 über den Zeitraum von rund einem halben Jahrhundert skizziert. Ausgangspunkt ist der 80. Geburtstag des Familienoberhaupts Heinrich Fähmel. Aus diesem Anlass treffen sich alle verbliebenen Fähmels in Köln. In Rückblenden werden ihre Geschichte, ihr vielfältiges Versagen wie auch ihre Verstrickungen nacherzählt. Heinrich erhielt 1907 den Auftrag, eine Abtei zu bauen und musste im Ersten Weltkrieg ins Feld ziehen. Diese Ereignisse berührten Heinrich kaum, hinterließen aber in der Seele seiner Frau tiefe Wunden. Beider Sohn Robert, der in der Anfangszeit des Nationalsozialismus als Jugendlicher in eine angeblich antifaschistische Verschwörung involviert war, musste sich daraufhin 1934 in die Niederlande absetzen. Aufgrund der engen Kontakte des Vaters zu den braunen Machthabern konnte Robert nach nur zwei Jahren ins Reich unbeschadet zurückkehren, wurde aber im Zweiten Weltkrieg eingezogen. Sein Freund und Verschwörungskumpan Schrella hingegen, kam nicht so glimpflich davon. Noch zwanzig Jahre später, zur Zeit der Bundesrepublik Deutschland, wird nach ihm wegen dieser Aktion in Nazi-Deutschland polizeilich gefahndet. Ausgerechnet Robert geriet kurz vor Kriegsende in die für ihn schreckliche Situation, als Sprengmeister der Wehrmacht die von Vater Heinrich errichtete Abtei aus strategischen Gründen in die Luft jagen zu müssen. Denunziant Nettlinger, der einst Robert und Schrella bei der braunen Staatsmacht anschwärzte, hatte hingegen weder in seinem Leben noch seiner Seele irgendeinen Schaden genommen. Stets schwamm er wie eine Fettperle oben auf und macht nun auch in der Bundesrepublik Karriere: Er wurde Minister. Schließlich kommt es am Ehrentag Heinrichs zu einem dramatischen Zwischenfall: Roberts Mutter Johanna, die aufgrund aggressiver Schübe und Depressionen mittlerweile geistig verwirrte Matriarchin des Hauses, zielt mit einer Pistole auf den gleichfalls eingetroffenen Dr. Nettlinger, um ihn für seinen Verrat an Sohn Robert zu richten. Doch dieser kommt mit dem Schrecken davon… ProduktionsnotizenNicht versöhnt bzw. Nicht versöhnt oder Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht entstand 1964 und 1965 und wurde am 4. Juli 1965 bei einer Sonderveranstaltung im Rahmen der Berlinale erstmals gezeigt. Massenstart war am 11. Februar 1966. Die Erstausstrahlung im Fernsehen erfolgte am 25. August 1969 in der ARD. VorgeschichteNachdem die experimentell ausgefallene Böll-Verfilmung Das Brot der frühen Jahre (1961) „weder Geld noch Prestige“[1] eingebracht hatte, war man vonseiten Heinrich Bölls und des Verlagshauses Kiepenheuer & Witsch mehr als vorsichtig und skeptisch, als Straub im Sommer 1962 mit seinem Filmprojekt an den berühmten Schriftsteller herantrat. Jean-Marie Straub erschien mit einem Rohentwurf für das „Billard“-Drehbuch bei Böll und überzeugte ihn vom Projekt einer Verfilmung. Böll schrieb am 12. Juli 1962 an Straub: „Machen Sie die Sache“ und bekräftigte am 2. August: „Von Dr. Witsch bekam ich inzwischen einen sehr freundlichen, ja wirklich guten Brief über Sie und ihr Vorhaben.“ Straub drehte Probematerial und stieß damit auf immer weniger Gegenliebe bei Verlag und Autor. Verleger Witsch beurteilte das Filmfragment als „dilettantisch und laienhaft“.[1] Nachfolgend sank die Stimmung zwischen den Parteien rapide, alldieweil Straub arrogant und mehrfach wortbrüchig geworden sei und schlussendlich mehrfach mit Selbstmord gedroht haben soll, wenn man sich seinen künstlerischen Vorstellungen nicht fügen würde.[1] Dennoch kam es zum Dreh, und das Resultat sollte die Kritiker spalten. KontroversenDer Film war in seiner Konzeption, Gestaltung und Präsentation bei seiner Erstaufführung bei den IFF in Berlin 1965 derart umstritten, dass er „Hohn und Spott der Filmkritiker“ erntete.[2] Die „etwa 250 im Kino versammelten Leute hatten die Sternstunde des Films offenbar nicht erkannt: sie lachten“, wie Der Spiegel zu berichten wusste.[1] Auch Heinrich Böll und sein Verleger Joseph Caspar waren von Straubs filmischer Umsetzung offenbar derart schockiert, dass „es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kam, die mit einem Vergleich endete.“[2] Ursprünglich hatten beide gefordert, sämtliche Kopien des Films vernichten zu lassen.[3] Bei einer späteren Ansicht änderten zahlreiche Kritiker jedoch ihre Meinung und wandelten sich von scharfen Ablehnern zu „hymnischen Fürsprechern“.[2] Dagegen waren andere Kontrahenten auch nach Jahren mit dieser Straub-Arbeit buchstäblich unversöhnt. Für diese Kritiker „ist das von Straub konsequent verwirklichte Stilprinzip eine Sackgasse. […] Angemessen wäre vielleicht die Feststellung, daß hier ein Experiment in Teilen gelungen ist, daß man es fruchtbar machen könnte, wenn man Vorzüge und Fehler des Films leidenschaftslos abzuwägen versuchte.“[2] Kritiken– Michel Delahaye in Cahiers du cinéma, Juli 1965
– Der Tagesspiegel, Juli 1965
– Die Zeit, vom 14. Oktober 1966
– Buchers Enzyklopädie des Films, Verlag C. J. Bucher, Luzern und Frankfurt am Main 1977, S. 551
– Reclams Filmführer, von Dieter Krusche, Mitarbeit: Jürgen Labenski, S. 433. Stuttgart 1973
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
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