Neurokutane Erkrankung
Die Neurokutanen Erkrankungen (Synonym: Phakomatosen, Neuroectodermale Erkrankungen) sind charakterisiert durch Manifestationen an den beiden Organen Haut und Nervensystem. Die Klassifikation dieser Erkrankungsgruppe variiert je nach Lehrbuchautor. Varianten der KlassifikationDas Lehrbuch der Neurologie von Mumenthaler (1979) definiert die Phakomatosen als Fehlbildungen an zentralem Nervensystem und Haut und zählt hierzu die Neurofibromatose Recklinghausen (NF), die Tuberöse Sklerose Bourneville-Pringle (TS), die Encephalo-Faciale Angiomatose Sturge-Weber (EFA) und die Retino-Zerebelläre Angiomatose Hippel-Lindau (RZA). Das Lehrbuch der Neurologie von Delank (1994) definiert die neurokutanen Erkrankungen aufgrund von histologischen und embryologischen Überlegungen. Dort heißt es, die Phakomatosen seien dysplastisch-blastomatöse Entwicklungsstörungen,[1] die ektodermale Strukturen betreffen und somit als neurokutane Erkrankungen auftreten. Dabei würden die ektodermalen Dysplasien zu Tumoren werden und hämangiomatösen Fehlbildungen seien mesenchymalen Ursprungs und somit sekundär aus ektodermalen Gewebe gebildet. Delank zählt zu den Phakomatosen ebenfalls NF, TS, EFA und RZA. In Merrits Textbook of Neurology (1996) werden in dem Kapitel Neurocutaneous Disorders lediglich die Neurofibromatose Recklinghausen (eine congenitale Tumorerkrankung), die Encephalofaciale-/trigeminale Angiomatose Sturge-Weber-(Krabbe/Dimitri) (eine congenitale Gefäßfehlbildung), die Incontinentia Pigmenti Bloch-Sulzberger (eine congenitale eruptive Hauterkrankung) und die Tuberöse Sklerose Bourneville-Pringle (wiederum eine congenitale Tumorerkrankung) abgehandelt. Der Kapitelautor Arnold P. Gold gibt dabei für die Auswahl der Erkrankungen keine nähere Begründung an. Das Lehrbuch der Neurogenetik von Rieß und Schöls (1998) diskutieren die Autoren V.F. Mautner und S.M. Pulst in dem Kapitel Phakomatosen die Neurofibromatose Typ 1 und Typ 2, die Tuberöse Sklerose und das von Hippel-Lindau-Syndrom mit dem Hinweis, bei den Phakomatosen handele es sich definitionsgemäß um Erkrankungen von Haut und Retina und die genannten Erkrankungen seien genetisch durch den Funktionsverlust von Tumorsuppressorgenen ausgezeichnet. Das Lehrbuch der Augenheilkunde von Reim ordnet die Phakomatosen unter den erblichen Tumoren der Retina ein und erwähnt neben dem Retinoblastom die sog. Maulbeertumoren der Tuberöse Sklerose Bourneville und die Angiomatosis retinae der Retino-Zerebelläre Angiomatose Hippel-Lindau. Die Encephalo-Faciale Angiomatose Sturge Weber wird wegen ihrer Hämangiomen des Ziliarkörpers erwähnt und die Neurofibromatose Recklinghausen wegen ihrer Iris-Naevi (Lisch-Knötchen), die pathologisch als melanozytäre Hamartome charakterisiert sind. Das Lehrbuch von Fitzgerald Dermatology in General Medicine (1987) macht dagegen eine großzügige Definition, sodass dort unter dem Stichwort Neurokutane Erkrankungen zahlreiche Störungen aufgelistet werden. Zunächst wird eine Einteilung vorgeschlagen, die möglichst wenig restriktiv ist. Die Ursachen für die Probleme bei der Katalogisierung der Erkrankung wird in diesem Artikel weiter unten diskutiert. HauptklassifikationenPragmatischerweise sollten Neurokutane Erkrankungen in vier Gruppen unterteilt werden:
Untergruppen der neurokutanen ErkrankungenDie erste Untergruppe ist die größte und wird wieder mehrfach untergliedert: Zu den kongenitalen, gutartigen Tumoren bei neurokutanen Erkrankungen zählen:
Zu den kongenitalen Gefäßfehlbildungen bei neurokutanen Erkrankungen zählen:
Zu den kongenitalen eruptive Erkrankungen der Haut mit Beteiligung des Nervensystems zählen:
Zu den kongenitalen Pigmentierungsstörungen mit unüblicher Entwicklung des Nervensystems zählen:
Zu den kongenitalen Ichthyosen, Xerodermien und Hyperkeratosen mit Beteiligung des Nervensystems zählen:
Zu den entwicklungsbedingten neurokutanen Störungen zählt man üblicherweise
Zu den kongenitalen somatischen Störungen mit chromosomalen Besonderheiten und Veränderungen von Haut und Nervensystem zählen unter anderem: GeschichteDer Name des Synonyms Phakomatose leitet sich von dem griechischen Wort phakos (Linsenfleck) ab. Er wurde eingeführt von I. van der Hoeve zur Beschreibung der Retina-Läsionen bei Patienten mit einer Tuberösen Sclerose. Prinzipien der KlassifikationIm Anschluss an die Überlegungen von Raymond Adams in Fitzgerald u. a. können im Prinzip vier verschiedene Gruppen von neurokutanen Erkrankungen unterschieden werden. Die erste Gruppe klassifiziert die Erkrankungen nach histologischen und pathogenetischen Beziehungen. Die Zweite geht von einem gemeinsamen Schädigungsmechanismus aus (Mangelzustände oder Stoffwechselstörungen, die gleichzeitig beide Organsysteme schädigen: Pellagra, Kretinismus). Die Dritte beschreibt Erkrankungen, bei denen eine primäre Störung des Nervensystems vorliegt und sekundäre Folgen an der Haut zeitigt (trophische Störungen der Haut bei einer PNP) und die Vierte beschreibt im Gegenzug Erkrankungen, bei denen eine primäre Störung der Haut vorliegt, die sekundäre Folgeschäden am Nervensystem nach sich zieht (ein virales Exanthem, das eine Enzephalitis verursacht). Pathogenetische MechanismenEs können sechs verschiedene pathogenetische Mechanismen unterschieden werden:
Die Gruppe der NeurofibromatosenEs gibt vier verschiedene Unterformen der Neurofibromatose:
Die Neurofibromatose Typ I war die erste erbliche Tumorerkrankung, deren molekularer Mechanismus aufgeklärt wurde. Das Gen konnte erst kloniert werden, nachdem man die Patientenpopulationen mithilfe des diagnostischen Kriteriums der Lisch-Knötchen homogenisiert hatte. Lisch-Knötchen gibt es nur bei der NF Typ I. Diese Tatsachen beeinflussen das klinische Bild und den Verlauf der Erkrankung. Siehe auchQuellen und Literatur
Anmerkungen
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