Narrativer Journalismus

Narrativer Journalismus (auch Erzähljournalismus) ist ein journalistisches Genre, das eine erzählende Vermittlung von Inhalten an das Publikum verfolgt.

Definition und Charakteristika

Als zentrales Merkmal des narrativen Journalismus kann aufgeführt werden, dass er narrative Texte produziert. Dem Kommunikationswissenschaftler Patrick Weber zufolge haben narrative Texte „ein konkretes Ereignis, ein raum-zeitlich abgrenzbares Geschehen, zum Inhalt, während nicht-narrative Texte auch statische Sachverhalte beschreiben, primär erklärend oder argumentativ sein können“.[1]

Charakteristisch für narrativen Journalismus ist ferner, dass Geschehnisse aus einer sehr persönlichen, subjektiven Perspektive beschrieben und schließlich in einer Geschichte verarbeitet werden.[2] Im Mittelpunkt des Genres stehen meist Geschichten von Menschen und ihren Emotionen, die in reale Gegebenheiten eingebettet sind.[3]

Verbreitung

In den USA bemüht sich vor allem die Nieman Foundation for Journalism an der Harvard University um narrativen Journalismus – sie hat zwischen 2002 und 2009 jährlich Konferenzen zu diesem Thema organisiert.

Ansonsten findet man Narrationen vor allem in journalistischen Langformen, zu nennen sind etwa US-amerikanische Printmedien wie The New Yorker oder Rolling Stone. Auch im Online-Journalismus wird unter dem Begriff des (digitalen) Storytellings vermehrt auf narrative Erzählweisen zurückgegriffen.[4] Zunehmend werden auch die langen Formen des Fernsehdokumentarismus und Fernsehmagazinjournalismus narrativ produziert.[5]

Im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich und Schweiz) nimmt vor allem die Autorengemeinschaft Hermes Baby eine Vorreiterrolle in der Verbreitung und Weiterentwicklung des Erzähljournalismus ein[6][7]. Neben den Textveröffentlichungen ihrer Mitglieder in journalistischer Langform, vornehmlich in Medien wie der ZEIT und dem Magazin der Süddeutschen Zeitung, äußern sich verschiedene Mitglieder auch immer wieder öffentlich zu erzählerischem Journalismus[8][9][10]. Außerdem bietet die Autorenagentur verschiedene Fortbildungen im Bereich des Narrativen Journalismus an[11], die unter Leitung renommierter Autorinnen und Autoren wie etwa Nora Bossong, Dimitrij Kapitelman, Katrin Langhans[12] oder Manuel Stark an der Reporter Akademie in Berlin stattfinden.

Einzelnachweise

  1. Patrick Weber: Narrative Journalism, in: Deutscher Fachjournalisten-Verband (Hg.): Journalistische Genres, UVK-Verlag, Konstanz 2016, S. 322.
  2. Wilfried Köpke: Narrativer Journalismus. Widerständig in unübersichtlicher Lage. In: Hans-Jörg Kapp und Friedrich Weltzien (Hrsg.): Widerspenstiges Design. Gestalterische Praxis und gesellschaftliche Verantwortung. Reimer 2017, Berlin 2017, ISBN 978-3-496-01583-3, S. 94–105.
  3. Vgl. zu den Ausführungen DFJV Deutsches Journalistenkolleg: Narrativer Journalismus.
  4. Martin Eiermann: Die unendliche Geschichte: Die Zukunft gehört dem Erzähljournalismus.
  5. Wilfried Köpke: Narrativer Fernsehjournalismus: rezeptions- und kommunikatorbezogene Begründung einer journalistischen Neuorientierung. In: Annika Schach (Hrsg.): Storytelling - Geschichten in Text, Bild und Film. Springer Gabler, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-15231-4, S. 193–203.
  6. oe1.orf.at: Hermes Baby: Geschichtenerzählen im deutschsprachigen Journalismus. Abgerufen am 27. April 2023.
  7. Q21 Backstage: Hermes Baby. Abgerufen am 27. April 2023.
  8. Spotify: Die besten deutschsprachigen Reportagen: #27 "Der letzte Mohikaner" von Manuel Stark. 17. November 2022, abgerufen am 27. April 2023.
  9. Literaturhaus Dortmund: Alexander Rupflin und Marlene Knobloch über Schreiben und Arbeit auf dem Günter Wallraff Symposium. Abgerufen am 27. April 2023 (deutsch).
  10. Redaktion: Reportagen: Schluss mit dem journalistischen Selbstbetrug! In: medium magazin. 25. Oktober 2021, abgerufen am 27. April 2023 (deutsch).
  11. Über uns. In: reporter-akademie.de. Abgerufen am 27. April 2023 (deutsch).
  12. Seminare. In: reporter-akademie.de. Abgerufen am 27. April 2023 (deutsch).