Mordfall Hammersmith-GeistDer Mordfall Hammersmith-Geist von 1804 ist ein Präzedenzfall im Vereinigten Königreich hinsichtlich des Rechts auf Selbstverteidigung: Ist jemand für seine Handlungen verantwortlich, auch wenn sie die Folge eines irrtümlichen Glaubens sind? Ende des Jahres 1803 behaupteten mehrere Personen, sie hätten im Londoner Stadtteil Hammersmith einen Geist gesehen oder seien sogar von ihm angegriffen worden. Anwohner glaubten, es handele sich dabei um den Geist eines Selbstmörders. Am 3. Januar 1804 erschoss ein Mitglied einer der bewaffneten Bürgerwehren, die infolge der Berichterstattung eingerichtet worden waren, den Maurer Thomas Millwood, den er aufgrund seiner weißen Berufsbekleidung für eine Geistererscheinung hielt. Der Schütze, ein 29-jähriger Steuerbeamter namens Francis Smith, wurde des Mordes für schuldig befunden und zum Tode verurteilt, danach zu einem Jahr Zwangsarbeit begnadigt. Die Rechtsfragen, die der Fall aufwarf, wurden erst 1984, 180 Jahre später, durch den Court of Appeal abschließend geklärt.[1][2][3] Der Tod von Thomas MillwoodEnde des Jahres 1803 behauptete eine Reihe von Personen, in der Gegend von Hammersmith einen Geist gesehen zu haben; einige wollten sogar von ihm angegriffen worden sein.[1] Anwohner erklärten, es handele sich um den Geist eines Mannes, der im vergangenen Jahr Suizid begangen hatte und auf dem Kirchhof von Hammersmith begraben worden war. Nach dem damaligen Volksglauben durften Selbstmörder nicht in geweihtem Grund begraben werden, da ihre Seelen dann keine Ruhe fänden.[4] Am 3. Januar 1804 erschoss der 29-jährige Steuerbeamte Francis Smith, Mitglied einer bewaffneten Bürgerwehr, eine weiße Gestalt in der Black Lion Lane. Es war der Maurer Thomas Millwood, der die übliche Arbeitskleidung seines Gewerbes trug: „linen trowsers [sic] entirely white, washed very clean, a waistcoat of flannel, apparently new, very white, and an apron, which he wore round him“[5] („Leinenhosen ganz weiß, sehr sauber gewaschen, eine Flanellweste, offenbar neu, sehr weiß, und einen Schurz, den er umgebunden hatte“). Das Gerichtsverfahren gegen Francis SmithSmith wurde wegen Mordes angeklagt. Eine Zeugin, Mrs. Fulbrooke, erklärte, sie habe den später Getöteten gewarnt und ihm geraten, seine weiße Kleidung mit einem Mantel zu bedecken, da er schon einmal für einen Geist gehalten worden war.[6]
– Mrs. Fulbrooke im Old-Bailey-Prozess Millwoods Schwester sagte aus, dass Smith zwar ihrem Bruder zugerufen habe, stehenzubleiben, oder er werde schießen, aber unmittelbar darauf bereits geschossen habe. Ungeachtet einer Reihe positiver Leumundszeugnisse über Smith belehrte der Richter, Lord Chief Baron Macdonald, die Jury, dass der Tatbestand des Mordes keine Böswilligkeit, sondern lediglich eine Tötungsabsicht erfordere:
– Lord Chief Baron Macdonald[7] Der Angeklagte war weder provoziert worden, noch hatte er den Versuch gemacht, den vermeintlichen Geist zu ergreifen; daher wies Macdonald die Jury an, den Angeklagten des Mordes für schuldig zu befinden, wenn sie die von den Zeugen vorgetragenen Sachverhalte für glaubwürdig hielte. Nach einer Stunde Beratung verkündete die Jury ihren Spruch, der auf Totschlag lautete. Macdonald informierte die Jury, dass „das Gericht einen solchen Spruch nicht akzeptieren könne“ und dass sie Smith entweder des Mordes für schuldig befinden oder freisprechen müsse. Dass er Millwood für einen Geist gehalten habe, sei irrelevant. Danach kehrte die Jury mit dem Schuldspruch zurück. Macdonald sprach das herkömmliche Todesurteil aus, erklärte aber, dass er den Fall König Georg III. vorlegen werde, der das Recht zur Begnadigung hatte. Das ursprüngliche Urteil, Tod durch Hängen und Auslieferung des Leichnams an die Anatomie, wurde in ein Jahr Zwangsarbeit umgewandelt.[1] In der Zwischenzeit hatte die große öffentliche Aufmerksamkeit, die der Fall erregte, dazu geführt, dass der wahre Schuldige sich offenbarte. Es handelte sich um John Graham, einen älteren Schuhmacher, der sich mit einem weißen Tuch als Geist verkleidet hatte, um seinen Lehrling zu erschrecken, weil dieser Grahams Kindern mit Geistergeschichten Angst gemacht hatte.[8][9] Juristische NachwirkungenDie Frage, ob es ein Schuldausschließungsgrund ist, wenn ein Täter sich in einem Tatbestandsirrtum befunden hat, wurde im Rechtswesen des Vereinigten Königreichs über ein Jahrhundert lang diskutiert, bis sie vom Court of Appeal im Fall R v Williams (Gladstone) geklärt wurde. Das Revisionsverfahren wurde von Gladstone Williams angestrengt, der wegen Körperverletzung verurteilt worden war, nachdem er gesehen hatte, wie ein Mann einen anderen jüngeren Mann gewaltsam über die Straße schleppte, während der jüngere Mann um Hilfe rief. In dem irrigen Glauben, es handele sich um einen Überfall, griff er ein und verletzte den vermeintlichen Angreifer, der in Wirklichkeit versucht hatte, einen des Diebstahls Verdächtigen festzuhalten. In der Revision bezog sich der Lord Chief Justice of England and Wales Geoffrey Lane, Baron Lane auf die frühere Debatte:[10]
– Lord Chief Justice Lane Im Weiteren führte Lane aus:[10]
– Lord Chief Justice Lane Die Revision wurde zugelassen und das Urteil aufgehoben. Die Entscheidung wurde vom Privy Council im Fall Beckford v R (1988) bestätigt und erhielt schließlich im Criminal Justice and Immigration Act 2008, § 76, Gesetzesform.[11] Siehe auchWeblinks
Einzelnachweise
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