Die von den Moldauern gesprochene Umgangssprache unterscheidet sich von der im östlichen Teil Rumäniens in der Region Moldau gesprochenen geringfügig, hauptsächlich durch einige aus dem Russischen übernommene Neologismen. Im östlichen Teil Rumäniens, also westlich des Pruth, kommen die neuen Ausdrücke hingegen hauptsächlich aus dem Französischen.
In der abtrünnigen Region Transnistrien ist Moldauisch (weiterhin in kyrillischer Schrift geschrieben) eine der Amtssprachen, hier aber zusammen mit Russisch und Ukrainisch. In Gagausien sind neben Rumänisch auch Gagausisch und Russisch offizielle Amtssprachen.
Die Aufteilung der rumänischen Sprache gilt als Beispiel für politischen Separatismus in der Sprache. Fast alle westlichen Sprachwissenschaftler sind sich einig, dass es sich beim Moldauischen um die aus politischen Gründen umbenannte rumänische Sprache handelt. Die moldauische Sprache ist auch nicht, wie oft vermutet, die geschriebene Form der moldauischen Mundart (graiul moldovenesc), sondern dieselbe Form der rumänischen Sprache, die auch in Rumänien als Amtssprache dient.
Auch in der Moldauischen Akademie wird die Existenz einer distinkten moldauischen Sprache bestritten.[4] Es gibt aber auch vereinzelte gegensätzliche Meinungen. Kraft Abschnitt I, Artikel XIII des Grundgesetzes der Republik Moldau ist Moldauisch „Staatssprache“.[5] Die Bezeichnung „Moldauisch“ beschränkte sich aber auf einige staatliche Bereiche, wobei die Bezeichnung „Rumänisch“ auf allen anderen Ebenen verwendet wurde. Das geltende Gesetz in Moldau bestätigt die Gleichheit beider Sprachen,[6] so wird beispielsweise in Schulen und Medien sowie in einigen Verwaltungs- und Staatsbereichen die Bezeichnung „Rumänisch“ verwendet.[7]
Etwa 60 % der Staatsbürger Moldaus bezeichneten im Jahre 2004 ihre Muttersprache als „Moldauisch“. Die Gruppe derjenigen, die ihre Muttersprache als „Rumänisch“ bezeichneten, bildete einen Anteil von 16,5 % der gesamten Bevölkerung in Moldau, bei der städtischen Bevölkerung waren es knapp 40 %.[8] Dabei wird die Identität der moldauischen und rumänischen Sprachen selten in Frage gestellt, es geht vielmehr um die Daseinsberechtigung der Bezeichnung „moldauische Sprache“. Dabei wird unter anderem argumentiert, dass der Begriff „moldauische Sprache“ älter sei als der Begriff „rumänische Sprache“.[9]
Hintergründe
Im Jahr 1812 wurde vom Fürstentum Moldau die östliche Hälfte an Russland abgetreten und verblieb dort bis 1918 als Bessarabien. Die Umorientierung des Schriftrumänischen im Jahre 1868 von der kyrillischen zur Lateinschrift blieb in diesem Gebiet praktisch ohne Auswirkungen, wobei es ohnehin nur spärliches Schrifttum gab.[10] Nach der Annexion 1812 gewann die russische Sprache allmählich an Bedeutung. Seit 1828 wurde der offizielle Verkehr ausschließlich im Russischen durchgeführt. Um 1835 wurde eine siebenjährige Frist bestimmt, nach der staatliche Behörden Akten in rumänischer Sprache nicht mehr akzeptieren sollten.[11]
Zwischen 1856 und 1878 gehörten Cahul, Bolgrad und Ismail (ein kleiner Teil im Süden Bessarabiens) als Folge des Krimkriegs erneut zur westlichen Moldau (bzw. Rumänien), was zu einer zeitweiligen Umkehrung der Sprachpolitik in dieser Region führte.
Von 1918 bis 1940 gehörte das damalige Bessarabien zu Rumänien, wo der Begriff „moldauische Sprache“ nicht verwendet wurde. 1924 wurde die Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik am Ostufer des Dnister gegründet. Dort wurde für das Moldauische zunächst das lateinische Alphabet eingeführt, 1930 allerdings von einem kyrillischen (nach dem Vorbild des Russischen) ersetzt, das nach einer neuerlichen Periode der Lateinschrift (ab 1933) im Jahre 1937 endgültig verbindlich wurde.
Nachdem die Sowjetunion 1940 im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes Bessarabien annektiert und mit der Hälfte der Moldauischen ASSR zur Moldauischen SSR vereinigt hatte, wurde die Bezeichnung „Moldauisch“ auch hier offiziell eingeführt, um alle Bande zu Rumänien zu trennen. Das lateinische Alphabet wurde durch das in der Moldauischen ASSR geltende kyrillische ersetzt. Außerdem wurde während der Sowjetherrschaft die rumänischsprachige Bevölkerung darin bestärkt, Russisch zu sprechen, was eine Voraussetzung für höhere Bildung, gesellschaftliches Ansehen und politische Ämter war.
1989 wurde die moldauische Sprache zur einzigen offiziellen Sprache der Moldauischen SSR erklärt und die rumänische Variante des lateinischen Alphabets wieder eingeführt. Die Unabhängigkeitsdeklaration Moldaus 1991 nannte Rumänisch als Amtssprache. 1994 wurde der Name der Amtssprache in der neulich verabschiedeten Verfassung als „Moldauisch“ festgelegt. 1996 lehnte das moldauische Parlament einen Antrag des Präsidenten Mircea Snegur ab, den Namen der Sprache in „Rumänisch“ zu ändern. In Transnistrien gilt das kyrillisch geschriebene Moldauisch offiziell weiterhin als Amtssprache.
2003 veröffentlichte Vasile Stati ein moldauisch-rumänisches Wörterbuch. In der Einführung des Wörterbuches wird von einer „moldauischen Sprache“ gesprochen, die angeblich parallel zur rumänischen Sprache entstanden sei. Stati führte dort die Regionalismen aus dem gesamten Verbreitungsareal der moldauischen Mundart aus, als ob sie kein Bestandteil des rumänischen Wortschatzes wären, und übersetzte sie danach mit Synonymen ins Rumänische, die außerhalb des moldauischen Areals entstanden sind. Dies führte zu Kritik aus beiden Ländern, denn die moldauischen Regionalismen sind Bestandteil des gesamten rumänischen Wortschatzes.
Der internationale Standard ISO 639 hatte ursprünglich der moldauischen Sprache die Codes mol und mo zugeordnet. Allerdings wurden diese im November 2008 wieder aufgehoben und durch die der rumänischen Sprache ersetzt, ro, ron und rum.[12]
Im Dezember 2013 beschloss das Verfassungsgericht Moldaus, dass die Unabhängigkeitserklärung des Landes, die „Rumänisch“ als Landessprache nennt, ein integraler Teil der Verfassung sei und bei Inhaltswidersprüchen Vorrang vor dem Text der Verfassung hat. Dadurch wurde die Bezeichnung der Landessprache zu Rumänisch geändert.[3]
Am 2. März 2023 beschloss das Parlament, im Verfassungstext und allen Gesetzen die Bezeichnung „moldauische Sprache“ durch „rumänische Sprache“ zu ersetzen.
Schließung von unbetontem [e] zu [i] im Inlaut und Auslaut
prieten [prieten]
carte [karte]
prieten [prietin]
carte [karti]
Freund
Buch
Schließung [i] zu [ɨ] im Präfix in-/im-
intrare [intrare]
intrare [ɨntrare]
eintreten
Monophthongierung von betontem [ea] in Endposition zu [e]
grea [grea]
grea [gre]
schwer
Palatalisierung von [e] im Anlaut von Neologismen
element [element]
Europa [europa]
element [jelement]
Europa [jeuropa]
Element
Europa
Schließung von Diphthongen: z. B. [ea] zu [ia]
seară [searə]
seară [siarə]
Abend
Reduktion von unbetontem [i] und [u]
situație [situatsie]
situație [situatsie]
Situation
Konsonanten
Merkmale
Standardrumänisch
Moldauisches Rumänisch
Übersetzung
Velarisierung von [l] zu [ɫ]
loc [lɔk]
mult [mult]
acolo [akɔlo]
fotbal [fuodbal]
loc [ɫɔk]
mult [muɫt]
acolo [akɔɫo]
fotbal [fuodbaɫ]
Ort
viel
dort
Fußball
Frikativierung von [tʃ] zu [ʃ]
atunci [atuntʃ]
cine [tʃine]
atunci [atunʃ]
cine [ʃine]
dann
wer
Sonorisierung von [s] zu [z] im Suffix -ism
jurnalism [ʒurnalism]
jurnalism [ʒurnaɫizm]
Journalismus
Wortakzent
Neben der Aussprache einzelner Laute gibt es auch Unterschiede beim Wortakzent, die vor allem Neologismen betreffen. Dieser Umstand lässt sich in der Regel auf den Einfluss des Russischen zurückführen:
Im moldauischen Rumänisch treten ferner Neologismen auf.[14]:S. 114 So kommt es unter anderem zu Kontaminationen (etwa a cadona: cadou + a dona, Standardrumänisch a dărui [dt. „schenken“] oder auch solemnificație:solemn + semnificație, Standardrumänisch solemnitate [dt. „Festlichkeit“]) und zu falschen Analogien (egalism nach dem Muster von concretism statt Standardrumänisch egalitarism [dt. „Egalitarismus“]).
Literatur
Lenore A. Grenoble: Language Policy in the Soviet Union. (Springer 2003), ISBN 1-4020-1298-5; S. 89–93.
Valeria Guțu-Romalo: Evoluția limbii române în Republica Moldova. In: Adriana Grecu: Unitatea limbii române cu privire specială la Basarabia și Bucovina. Editura Academică, Bukarest 2004, ISBN 973-27-0985-5; S. 33–48
Klaus Heitmann: Das Moldauische im Zeichen von Glasnost’ und Perestrojka. In: Wolfgang Dahmen u. a. (Hrsg.): Romanistisches Kolloquium V. Fink-Verlag, München 1991, ISBN 3-7705-2674-0
Klaus Heitmann: Rumänisch: Moldauisch. In: Günter Holtus u. a. (Hrsg.): Lexikon der romanischen Linguistik. Bd. 3, Niemeyer-Verlag, Tübingen 1989, ISBN 3-484-50234-7; S. 508–521
Marinella Lörinczi: La sconfitta del buon senso linguistico: il primo dizionario moldavo-romeno, a oltre un anno dalla sua pubblicazione. In: Cristina Guardiano u. a. (Hrsg.): Lingue, istituzioni, territori: riflessioni teoriche, proposte metodologiche ed esperienze di politica linguistica. Atti del XXXVIII Congresso internazionale di studi della Società di Linguistica Italiana (SLI), Modena, 23–25 settembre 2004. Bulzoni, Rom 2005 (= Pubblicazioni della Società di Linguistica Italiana, 49; ISBN 88-7870-056-8), S. 175–191
Carolina Popușoi: Greșeli de limbă în româna actuală din Basarabia. In: Studii și cercetări lingvistice 63.1 (2012), S. 107–120.
Carolina Popușoi: Calcuri nerecomandate în limba română actuală din Basarabia. In: Studii și cercetări lingvistice 62.2 (2011), S. 253–263.
Ariadna Ștefănescu: Variație și unitate în limba română standard din Basarabia. Editura Universităţii din Bucureşti, Bukarest 2017, ISBN 978-606-16-0741-9.
Klaus Steinke: Rumänien und Moldau/Romania and Moldavia. In: Ulrich Ammon u. a. (Hrsg.): Sociolinguistics / Soziolinguistik: An International Handbook of the Science of Language and Society. 2. Aufl., 3. Teilband, de Gruyter, Berlin/New York 2006 (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft, 3; ISBN 3-11-018418-4), S. 1818–1823
↑Europe Review 2003/2004. Kogan Page. 2004. S. 242 – „A Field Guide to the Main Languages of Europe – Spot that language and how to tell them apart“ (englisch). Europäische Kommission.
↑Silviu Berejan, Wissenschaftlicher Hauptforscher des Sprachinstitutes der Moldauischen Akademie: rumän.„Limba română exemplară nu poate fi numită moldovenească, pentru că limba literară moldovenească nu există. Există numai vorbire dialectală moldovenească. Ceea ce ani în șir am numit noi în RSSM impropriu «limbă literară moldovenească» nu era altceva decât limbă română exemplară, doar că era scrisă cu alfabet rusesc. E de ajuns însă ca orice text publicat în acea perioadă să fie transcris cu alfabet latin, ca oricine sa să convingă că el nu a avut și nu are nici o particularitate specifică pentru vorbirea actuală moldovenească“. (Mitteilung auf der Konferenz zur Benennung der Amtssprache Moldaus).
↑K. Heitmann (1989): Moldauisch. In: G. Holtus, M. Metzeltin und C. Schmitt (Hrsg.): Lexikon der Romanistischen Linguistik, Tübingen, Bd. 3, S. 508–521.
↑ abcdeAriadna Ștefănescu: Variație și unitate în limba română standard din Basarabia. 1. Auflage. Editura Universităţii din Bucureşti, Bukarest 2017, ISBN 978-6-06160741-9.
↑ abcdeCarolina Popușoi: Greșeli de limbă în româna actuală din Basarabia. In: Studii și cercetări lingvistice. Band63, Nr.1, 2012.
↑ abcCarolina Popușoi: Calcuri nerecomandate în limba română actuală din Basarabia. In: Studii și cercetări lingvistice. Band62, Nr.2, 2011.