Mittelthurgaubahn
Die Mittelthurgaubahn (abgekürzt MThB) mit Sitz in Weinfelden war eine Schweizer Privatbahn. Sie wurde 2003 einschliesslich ihrer Gütertochter Lokoop freihändig liquidiert, ihre Aktivitäten sowie das Infrastruktureigentum wurden hauptsächlich von der SBB-Tochter Thurbo übernommen, die ursprünglich eine Allianz zwischen der MThB und den SBB bilden sollte. GeschichtePlanungNachdem am 11. August 1890 ein Initiativkomitee zum Bau der Mittel-Thurgau-Bahn (MThB) in Kreuzlingen gegründet worden war, knüpfte dieses 1899 die ersten Kontakte zur Westdeutschen Eisenbahn-Gesellschaft AG (WeEG) mit Sitz in Köln. 1901 wurde dem Bundesrat ein Konzessionsgesuch für eine Normalspurbahn eingereicht, das von Ingenieur Jakob Ehrensperger aus Winterthur ausgearbeitet worden war. Die Schweizerische Bundesversammlung erteilte am 19. Dezember 1902 die Konzession für eine Eisenbahn von Wil über Weinfelden bis zur Landesgrenze bei Konstanz. 1903 wurde vom Großherzoglich Badischen Staatsministerium die Einführung der Bahnstrecke in den Bahnhof Konstanz zugelassen. 1906 schloss das Initiativkomitee einen für 15 Jahre unkündbaren Vertrag über den Bau und den Betrieb einer normalspurigen Eisenbahn Wil-Weinfelden-Konstanz mit der WeEG. In diesem Vertrag erschien erstmals der Name "Mittel-Thurgau-Bahn - MThB", unter welchem Namen am 28. April 1908 eine Aktiengesellschaft gegründet wurde. Die Aktienzeichnung begann am 26. November 1906. Das grösste Aktienpaket übernahm der Kanton Thurgau, weitere namhafte Beträge zeichneten die drei Städte Konstanz, Weinfelden und Wil SG sowie der Kanton St. Gallen. Weiter stiessen 27 Gemeinden sowie private Interessenten zum Aktionärskreis. Die WeEG steuerte ein pfandrechtlich gesichertes Obligationenkapital von 3 Mio. Franken bei. Bau und erste JahreAm 10. September 1909 erfolgte zwischen Weinfelden und der Thur der erste Spatenstich. 60'000 Kubikmeter Erdmassen wurden bewegt; unter den sieben zu erstellenden Kunstbauten waren vier grössere Objekte. Der Bussnanger Viadukt wurde erst spät in Angriff genommen, zuletzt der Abschnitt vom Weinfelden-Berg hinunter nach Weinfelden, weil Detailzulassungen auf sich warten liessen. 1911 begannen die Abnahmen der eisernen Brücken. Die Thurbrücke wurde mit drei Schlepptenderloks vom Typ B 3/4 der SBB durch je etwa 85 Tonnen Fahrmasse belastet. Weitere Untersuchungen des Unter- und Oberbaus, der Kreuzungen der Bahn mit Starkstromleitungen, der baulichen Anlagen und des Rollmaterials erlaubten schliesslich am 16. Dezember 1911 die Eröffnung der Stammstrecke Wil-Weinfelden-Kreuzlingen-Konstanz. Vertragsgemäss führte die WeEG den Betrieb. 1931 ging der Vertrag auf die Vereinigte Kleinbahnen AG (VKA) in Frankfurt am Main über. Diese veräusserte ihre Beteiligung, insbesondere die verzinslichen Obligationen an die AG für Verkehrswesen in Berlin-Wilmersdorf und zu einem kleinen Teil an die Overseas Trust Corporation Ltd. in Johannesburg. Ein Paket Inhaberaktien wurde an die Midland Bank Ltd. in London verkauft, kam aber von dort 1938 an die VKA zurück. In den Kriegsjahren wurde der Vertrag zeitweise sistiert. Nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg war die MThB in den Inflationszeiten für die deutschen Vertragspartner eine wichtige Einnahmequelle von harter Währung. Auf Ende 1950 wurde der Vertrag aufgelöst, und die MThB ging definitiv in Eigenbetrieb über. Die 41 Kilometer lange, normalspurige und zu Zeiten der MThB eingleisige Stammstrecke von Kreuzlingen über Weinfelden nach Wil liegt überwiegend im Kanton Thurgau, nur der letzte, vier Kilometer lange Abschnitt gehört zum Kanton St. Gallen. Sie wurde am 20. Dezember 1911 für den Personen- und Güterverkehr eröffnet und mit Dampfzügen und ab 1938 auch mit zunächst gemieteten Dieseltriebwagen befahren. Als letzte nennenswerte Privatbahn der Schweiz führte sie am 24. September 1965 den elektrischen Betrieb ein. 1969 wurde das Reisebüro Mittelthurgau als Tochtergesellschaft gegründet. Die Züge begannen und endeten regelmässig in Konstanz, wo Anschluss an das deutsche Staatsbahnnetz bestand. Sie benutzten dabei die 1 km lange Strecke Kreuzlingen – Konstanz, die schon am 17. Juli 1875 von der Schweizerischen Nationalbahn (SNB) in Betrieb genommen worden war und später auf die SBB überging. Diese Verbindung liess sich auch gut vermarkten. Ab Sommer 1985 gab es in enger Kooperation mit der damaligen Schweizerischen Südostbahn (SOB) den Konstanz–Rigi-Express. Dieser verkehrte bis 1993 Konstanz – Wil – Wattwil – Rapperswil – Arth-Goldau.[1] Erweiterung nach DeutschlandMit der Deutschen Bundesbahn (DB) konzipierte man 1992 das Nahverkehrsangebot Seehas (Konstanz – Singen (Hohentwiel) – Engen), welches Mitte 1993 vom Landkreis Konstanz abgesegnet wurde. Für die schnelle Umsetzung per Fahrplanwechsel am 29. Mai 1994 benötigte man dringend Rollmaterial, welches man in Absprache mit der Industrie und den SBB der laufenden Produktion der vierten Serie der «Neuen Pendelzüge» (NPZ) für die SBB entnahm. Im Hinblick auf die Betriebsaufnahme des Seehäsle mit drei Diesel-GTW von Stadler wurde im August 1996 das Tochterunternehmen Mittelthurgaubahn (Deutschland) GmbH in Konstanz gegründet. Wachstum und EndeDie versuchsweise Ausschreibung der Seelinie der SBB auf vorerst maximal 10 Jahre gewann die MThB im Jahre 1996 und setzte die Betriebsaufnahme bereits per Fahrplanwechsel am 1. Juni 1997 durch. Allerdings unterschätzte man die Kosten für die Investitionen in Infrastruktur und Rollmaterial deutlich, so erkaufte man sich namhafte Anteile am Binnengüterverkehr und am Wagenladungsverkehr mit fremdfinanziertem Rollmaterial. Dies führte zu einer erheblichen Überschuldung, und die Mittelthurgaubahn AG wurde schliesslich am 11. Oktober 2002 liquidiert. Als Hauptverantwortliche traten der langjährige Direktor Peter Joss und Verwaltungsratspräsident Hermann Lei (damals Regierungsrat) zurück. Das Rollmaterial und die Anlagen wurden von den SBB übernommen und an die Thurbo AG übertragen.[2] Erweiterte BetriebsführungAusser ihrer Stammstrecke übernahm die MThB in den 1990er Jahren die Betriebsführung auf folgenden Strecken in Deutschland und der Schweiz:
Diese Aufgaben haben die SBB-Tochterfirmen SBB GmbH (Deutschland) und Thurbo (Schweiz) übernommen, letztere ist jetzt auch Eigentümerin der Stammstrecke Kreuzlingen–Tägermoos–Weinfelden–Wil. Der Infrastrukturbetrieb der Seelinie ging zurück zu den SBB, die auch die Infrastruktur der Stammstrecke im Auftrag der Thurbo betreiben. Ein Teil des historischen Rollmaterials, wie der «Mostindien-Express» mit der Dampflokomotive Ec 3/5 Nummer 3 (Baujahr 1912) mitsamt den zugehörigen Wagen, ein Triebwagen (ABDe 4/4 Nummer 12, siehe «Thurgauer Zug») und einzelne weitere Fahrzeuge werden vom Verein Historische Mittel-Thurgau-Bahn für Nostalgie-, Gesellschafts- und Ausflugsfahrten unterhalten und betrieben. Diese werden in der Bahn-Erlebniswelt Locorama in Romanshorn ausgestellt. Rollmaterial
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
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