Methylhydrazin

Strukturformel
Struktur von Monomethylhydrazin
Allgemeines
Name Methylhydrazin
Andere Namen
  • Monomethylhydrazin
  • MMH
  • Methyldiazan
Summenformel CH6N2
Kurzbeschreibung

farblose, hygroskopische Flüssigkeit mit ammoniakartigem Geruch[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 60-34-4
EG-Nummer 200-471-4
ECHA-InfoCard 100.000.429
PubChem 6061
ChemSpider 5837
Wikidata Q417347
Eigenschaften
Molare Masse 46,07 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig[1]

Dichte

0,88 g·cm−3 [1]

Schmelzpunkt

−52 °C[1]

Siedepunkt

87 °C[1]

Dampfdruck
Löslichkeit

sehr leicht in Wasser (1000 g·l−1 bei 25 °C)[1]

Brechungsindex

1,4325 (20 °C)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[3] ggf. erweitert[1]
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Gefahr

H- und P-Sätze H: 225​‐​300+310+330​‐​314​‐​350​‐​410
P: 202​‐​210​‐​273​‐​280​‐​284​‐​303+361+353​‐​305+351+338​‐​308+313[1]
MAK

Schweiz: 0,2 ml·m−3 bzw. 0,35 mg·m−3[4]

Toxikologische Daten
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0

54,2 kJ/mol[5]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Monomethylhydrazin abk. MMH ist eine chemische Verbindung, die aus einem Hydrazingrundkörper besteht, der einfach methyliert ist. Es besitzt die Summenformel CH6N2.

Geschichte

Monomethylhydrazin wird seit den 1990er-Jahren aufgrund seiner etwas größeren Dichte und dadurch auch etwas höheren Leistungsfähigkeit vermehrt an Stelle von 1,1-Dimethylhydrazin als lagerfähiger Raketentreibstoff zusammen mit dem Oxidator Distickstofftetroxid verwendet. In Satelliten wird es hingegen schon seit den 1980er-Jahren als Treibstoff verwendet.

Vorkommen und Verhalten in der Umwelt

Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta)

Es sind natürliche Quellen von Monomethylhydrazin bekannt. Das in der Frühjahrslorchel (Gyromitra esculenta) und einigen anderen Ascomyceten als Giftstoff vorhandene Gyromitrin ist ein Derivat des Monomethylhydrazins. Aufgrund seiner hohen Reaktivität (insbesondere gegenüber Ozon) ist eine weiträumige Verteilung bei Eintrag in die Umwelt nicht zu erwarten, und es erfolgt ein schneller Abbau.

Gewinnung und Darstellung

Aus Methylamin und Ammoniak (dehydrierende Kondensation über Katalysatoren) oder Methylierung von Hydrazin.

Eigenschaften

Monomethylhydrazin ist eine farblose, fischartig riechende Flüssigkeit, die an der Luft raucht. Die Dämpfe von Monomethylhydrazin können die Haut und die Schleimhäute (Augen, Atemwege) reizen bzw. bei starker Belastung verätzen. Die Verdampfungsenthalpie beträgt 875 kJ/kg, die spezifische Wärmekapazität 2,921 kJ/kg·K bei 20 °C und 3,077 kJ/kg·K bei 119,85 °C. Die dynamische Viskosität liegt bei 0,855·10−3 Pa·s (20 °C) und 0,40·10−3 Pa·s (70,8 °C). Der Flammpunkt von Monomethylhydrazin liegt bei −8 °C, die Zündtemperatur bei 190 °C und die Explosionsgrenzen zwischen 2,5 % (untere Explosionsgrenze) und 100 % (obere Explosionsgrenze).[1]

Verwendung

Monomethylhydrazin ist die brennbare Komponente von flüssigen hypergolischen Raketentreibstoffen, wobei es in Kombination mit Distickstofftetroxid als Oxidationsmittel eingesetzt wird. Das Aestus-Triebwerk der EPS-Oberstufe der Ariane 5 verwendet diese Treibstoffkombination. Sehr häufig wird es in Satelliten und Raumsonden zur Lageregelung eingesetzt.

Neue EU-Regularien zielen darauf ab, viele bisherige Raketentreibstoffe durch weniger giftige Treibstoffe aus erneuerbaren Quellen zu ersetzen. Inzwischen wurde mit Ammoniak ein Ersatz für MMH gefunden, der zusammen mit dem Oxidator gleichwertig oder in manchen Fällen sogar besser ist. Die Technologie wurde von Nammo, UK zusammen mit ESA entwickelt.[6]

Physiologie

Monomethylhydrazin wird leicht über die Haut aufgenommen und hat sich im Tierversuch als eindeutig krebserzeugend erwiesen.

Sicherheitshinweise

Auf Vorschlag der niederländischen Chemikalienbehörde wurde 2015 die chemikalienrechtliche Einstufung von Methylhydrazin überarbeitet. Der Ausschuss für Risikobewertung (RAC) der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) hat am 11. September 2015 die Einstufung für Methylhydrazin wie folgt geändert: Methylhydrazin wird als krebserzeugend Carc 1B eingestuft. Der Warnhinweis wurde festgelegt auf H350.[7]

Literatur

  • George P. Sutton und Oscar Biblarz: Rocket Propulsion Elements. 7. Auflage, Wiley-Interscience Publication, 2001; ISBN 0-471-32642-9; S. 244, 258

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m n o Eintrag zu Methylhydrazin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 3. Januar 2023. (JavaScript erforderlich)
  2. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Physical Constants of Organic Compounds, S. 3-356.
  3. Eintrag zu Methylhydrazine im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 30. Dezember 2019. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  4. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 60-34-4 bzw. Methylhydrazin), abgerufen am 2. November 2015.
  5. David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-20.
  6. Less Toxic Propellant Could Make Hybrid Propulsion System Reality. Abgerufen am 2. Oktober 2022 (englisch).
  7. RAC-Entscheidung vom 11. September 2015