Als Meister von Rabenden wird einer der bedeutendsten süddeutschen Bildhauer des frühen 16. Jahrhunderts bezeichnet. Der namentlich nicht bekannte gotische Künstler erhielt seinen Notnamen nach dem von ihm geschaffenen Hochaltar in der Filialkirche St. Jakobus der Ältere in Rabenden bei Altenmarkt an der Alz, einem spätgotischen Flügelretabel. Die Werke des Meisters und seiner Werkstatt finden sich hauptsächlich im heutigen Oberbayern und im tirolischenInntal.
Der sechs Meter hohe Hochaltar des Meisters von Rabenden in der Kirche in Rabenden zählt zu den bedeutendsten spätmittelalterlichen Bildwerken im süddeutschen Raum.[1] Der Mittelteil zeigt Holzskulpturen des Kirchenpatrons Jakobus und weiterer Heiliger, auf den Flügeln sind Bilder von Heiligen, den vier lateinischen Kirchenvätern und Szenen zu Maria, der Mutter Jesu zu sehen. Das dem Meister namensgebende Werk insgesamt ist ein Flügelaltar von „vollendeter Harmonie und reicher Ausstattung“ mit ausdrucksstarkem Figurenschmuck.[2][3]
Identifizierung
Früher wurde angenommen, der Meister von Rabenden habe in Rosenheim seine Werkstatt gehabt. Bis in die jüngste Forschung wird vorgeschlagen, ihn mit dem Bildhauer Wolfgang Leb zu identifizieren, der in Wasserburg am Inn tätig war. Auch wird sein Name als Andreas Taubenbeck für möglich gehalten, da man ein mit A. T. 1514 signiertes Relief der Beschneidung Christi, das unter dem Namen des Monogrammisten AT im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck geführt wird, durch Stilvergleich auch dem Meister von Rabenden zuschreiben könnte.[4] Daniel Rimsl und andere vermuten, dass es sich bei dem Meister um den archivalisch mehrfach in München belegten Bildschnitzer Sigmund Haffner (ca. 1465/70 bis 1529) handeln könnte, der dort eine angesehene Werkstatt unterhalten und den Altar um 1510/1515 geschaffen habe.[5]
Stil
Die Werke des Meisters von Rabenden sind von großer Gestaltungskraft, die von ihm geschnitzten Figuren zeigen die dargestellten Personen mit für seine Zeit großer Individualität und hoher Ausdruckskraft. Diese ist besonders bei Plastiken des heiligen Jakobus zu bemerken, die alle große eindringliche Augen unter ausdrucksstark herausgearbeiteten Brauen sowie einen detailreichen strähnigen Bart besitzen.
Neben Hans Leinberger war der Meister von Rabenden wohl der bedeutendste Skulpteure des frühen 16. Jahrhunderts im süddeutschen Raum.
Im Musée d’Unterlinden in Colmar befindet sich eine Statue der Heiligen Anna Selbdritt von 1520, die der Werkstatt des Meisters von Rabenden zugerechnet wird.[8] Eine ähnliche Annen-Figur aus der Werkstatt des Meisters befindet sich im Museum The Cloisters in New York,[9] aus den Beständen des Bayerischen Nationalmuseums aufgekauft. Des Weiteren wurden dem Meister und seinem Umfeld häufiger Figuren von Anna oder anderen Heiligen[10] oder Passionsszenen[11] in Privatbesitz zugeschrieben.
Der moderne Maler Lovis Corinth studierte die expressionistischen Figuren von Bildhauern des Mittelalters und deren Komposition und zeichnete 1909 mehrere Farbbilder mit Schnitzwerken des Meisters von Rabenden.[12]
Literatur
Philipp Maria Halm: Der Meister von Rabenden und die Holzplastik des Chiemgaues. In: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstsammlungen, 32. Bd., 1911, S. 59–84 (Digitalisat).
Jürgen Rohmeder: Der Meister des Hochaltars in Rabenden. Verlag Schnell & Steiner, München 1971.
Otto Heichele (Pfarrer): Kirchenführer Rabenden. Hannes Oefele Verlag, Ottobeuren 1982.
Johannes Goldner, Wilfried Bahnmüller: Meister von Rabenden. Pannonia-Verlag, Freilassing 1993.
Hermann Beham: Der Meister von Rabenden und der Landkreis Ebersberg. In: Land um den Ebersberger Forst – Beiträge zur Geschichte und Kultur. Jahrbuch des Historischen Vereins für den Landkreis Ebersberg e. V. Band2 (1999). Verlag Lutz Garnies, Neukeferloh/München 2000, ISBN 3-926163-20-8, S.36–55 (ebersberger-historie.de [PDF]).
Albrecht Miller: Der Meister von Rabenden. In: Um Leinberger. Schüler und Zeitgenossen. Ausstellungskatalog, Landshut 2007, S. 88–102.
Daniel Rimsl: Sigmund Haffner und der Hochaltar zu Rabenden. Bildschnitzerei zwischen Spätgotik und Renaissance. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2015, ISBN 978-3-7954-2890-7.
↑Otto Wutzel (Hrsg.): Die Kunst der Donauschule 1490 – 1540. (Katalog der Oberösterreichischen Landesausstellung Linz 1965). Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1965, S. 257, Nr. 585, Abb. 50 (Text von Anton Legner)
↑Sigmund Benker: Mittelalterliche Bildwerke der Münchner Frauenkirche im Freisinger Diözesanmuseum, in: Das Münster, 1977, Heft 2, S. 122–126; Kathrin Brandmair: Kruzifixe und Kreuzigungsgruppen aus dem Bereich der Donauschule. Petersberg 2015, S. 38, 74–82; Daniel Rimsl: Sigmund Haffner und der Hochaltar zu Rabenden. Bildschnitzerei zwischen Spätgotik und Renaissance. Schnell & Steiner, Regensburg 2015, ISBN 978-3-7954-2890-7.
↑Franz Caramelle: Kitzbühel, Katharinenkirche. In: Eva Schubert (Hrsg.): Die Gotik (= Tiroler Ausstellungsstraßen). Edizioni Charta, Mailand 1994, ISBN 88-86158-61-0, S.119.
↑Abbildung, Abbildung. – Ernst Götz u. a. (Bearbeiter): Bayern IV: München und Oberbayern (= Georg Dehio [Begründer], Dehio-Vereinigung [Hrsg.]: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler). 3. Auflage. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2006, ISBN 978-3-422-03115-9, S.1174: „Zuschreibung an Erasmus Grasser oder den Meister von Rabenden nicht haltbar.“ So auch schon in der 1. Auflage 1990, S. 1078.
↑Virginia Nixon: Mary's mother: Saint Anne in late medieval Europe. Pennsylvania State University Press 2005, Abbildung 33
↑beispielsweise Muttergottes mit Kind, Neumeister Kunstauktionen, Dezember 1993, Los 16 oder Anbetung der Könige, Neumeister Kunstauktionen, Mai 2010, Los 1
↑beispielsweise Beweinung Christi (The Lamentation), Auktionshaus Sotheby’s Amsterdam, Mai 1999, Los 258
↑Horst Uhr: Lovis Corinth. University of California Press, Berkeley 1990, S. 158 (englisch).