Mechthild LeutnerMechthild Leutner (* 17. November 1948 in Silbach, Nordrhein-Westfalen) ist eine deutsche Sinologin, Historikerin und Hochschullehrerin. Sie gilt als Begründerin der chinabezogenen Frauenforschung. Leutner leitete von 2006 bis 2019[1] das chinanahe Konfuzius-Institut an der FU Berlin. Als chinesischen Namen verwendet Leutner Luo Meijun (chinesisch 羅梅君 / 罗梅君, Pinyin Luó Méijūn).[2] BiografieLeutner studierte Sinologie und Geschichte an der Universität Peking und der Universität Bochum, wo sie 1978 promovierte. Dabei gehörte Leutner im Jahr 1974 zur ersten Gruppe von Austauschstudenten aus der Bundesrepublik, die nach der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen China und der Bundesrepublik Deutschland in Peking studierten. 1989 wurde Leutner an der Freien Universität Berlin habilitiert, wo sie 1990 zur Professorin berufen wurde. Von 2006 wurde das durch China finanzierten Konfuzius-Instituts als An-Institut an der Freien Universität Berlin gegründet. Leutner ist seit dessen Gründung deutsche Direktorin des Konfuzius-Instituts Berlin.[3][4] Seit 2014 ist sie im Ruhestand. Die Russische Akademie der Wissenschaften verlieh Leutner 2002 eine Ehrendoktorwürde. Sie ist zudem Ehrenprofessorin der Peking-Universität sowie der Historischen Fakultät der Universität Nanjing. WerkIn ihrer 1982 erschienenen Monographie zur Herausbildung der chinesischen marxistischen Geschichtswissenschaft wird das spezifische Verhältnis von Politik und Wissenschaft vor 1949 ausgelotet und „die Problematik der Marxismus-Rezeption in China (so) gut thematisiert“.[5] Die politischen Entwicklungen dieser Periode stehen auch im Zentrum der von 1994 bis 2006 mit herausgegebenen vierbändigen Quellenedition zu den Beziehungen der KPdSU, Komintern und China von 1921 bis 1937, ein Ergebnis des gemeinsamen Projektes mit dem Institut für den Fernen Osten der Russischen Akademie der Wissenschaften, Moskau. Die teils zweiteiligen Quellenbände, jeweils auf Russisch und Deutsch, nachfolgend auch auf Chinesisch erschienen, erweiterten „die Quellenbasis nicht nur zur Chinapolitik der RKP bzw. KPdSU und der Komintern in den 20er bis 40er Jahren, sondern auch zur allgemeinen politischen Entwicklung in der Republik China im genannten Zeitraum.“[6] Mit ihrer Arbeit Geburt, Heirat und Tod in Peking, die Pierre Bourdieus’ Konzept der Praxis modifizierte, legte Mechthild Leutner eine „äußerst differenzierte und in ihren Schlussfolgerungen weitreichende Studie zum Übergang der chinesischen Gesellschaft von der vormodernen, familienökonomisch bestimmten agrarischen Produktionsweise des ausgehenden 19. Jh. zur modernen, etatistisch geprägten, industriellen Produktionsweise des 20 Jh. vor.“[7] Sozialgeschichtliche Ansätze prägen auch ihre Werke zur chinabezogenen Frauen- und Geschlechterforschung sowie Kindheitsforschung. Die sechsbändige Sammlung „Quellen zur Geschichte der deutsch-chinesischen Beziehungen, 1897-1995“, deren Gesamtherausgeberin Mechthild Leutner war, sucht „den deutschen Blick auf China und den chinesischen Blick auf Deutschland, die politischen, wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Beziehungen als interkulturelles Geschehen zu dokumentieren.“[8] 2007, beim Erscheinen des letzten Bandes schrieb Jürgen Osterhammel: „Die verdienstvolle Reihe [...] kommt mit diesem Band zum Abschluss. Es liegt nun eine Quellensammlung vor, wie man sie sich für die Beziehungen zwischen anderen Ländern nur wünschen kann.“[9] Mechthild Leutners Werk Carl Arendt (1838-1902) und die Entwicklung der Chinawissenschaft wurde von Susanne Kuß gewertet als „viel mehr (ist) als die Lebensgeschichte eines bisher unbekannten Übersetzers und Sinologen. Denn sie kann, zumal mit viel Sachkenntnis und vielen Spannungsmomenten geschrieben, auf sehr unterschiedlichen Ebenen mit großem Gewinn gelesen werden. Es ist gleichermaßen ein Beitrag zur Kolonialgeschichte in China wie zu den deutsch-chinesischen Beziehungen und der Geschichte der Sinologie in Deutschland. Vor allem aber veranschaulicht diese Studie die Bedeutung, den Ablauf und die Folgen von sprachlichen und kulturellen Übersetzungsprozessen. In dieser Vielschichtigkeit zeigt sich nicht zuletzt auch die manchmal verkannte Bedeutung der wissenschaftlichen Biographie, die als einzige Textsorte derart unterschiedliche Felder miteinander verbinden kann.“[10] Ulrich van der Heyden sah „das beeindruckende Werk“ „als eine für die folgenden Kolonialhistoriker-Generationen richtungsweisende Forschungsleistung“ an, wird doch„die Verflechtung von Kolonial- und Wissensgeschichte auf neuartige Weise analysiert“.[11] Position zu XinjiangIm November 2020 erklärte Leutner im Ausschuss für Menschenrechte des Deutschen Bundestages, die Umerziehungslager in Xinjiang seien lediglich „berufliche Ausbildungszentren“, und sprach von „Deradikalisierungszentren“. Die Zeitung die „Welt“ warf ihr vor, hiermit das „Propagandavokabular des chinesischen Parteistaats“ zu verwenden.[12] Schriften (Auswahl)Monographien
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Einzelnachweise
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