Die Marburger Tapetenfabrik ist ein Hersteller von Tapeten vorwiegend im gehobenen Segment und eine der ältesten Tapetenfabriken in Europa. Das Familienunternehmen wird seit 1979[1] von Ullrich Eitel in fünfter Generation geleitet, der viele Innovationen in den Markt einführte: die ersten rapportlosen Textil-Tapeten, Schaumvinyl-Tapeten, Vliestapeten,[2] Crush-Tapeten,[3] Veredlungen mit Schiefergranulat, Spezialpigmente und Lichtapplikationen mit organischen Leuchtdioden. Darüber hinaus konnte er die Mitarbeit von namhaften Designern wie Ulf Moritz, Zaha Hadid, Luigi Colani, Karim Rashid gewinnen.
Johann Bertram Schaefer eröffnete 1845 in Marburg ein Fachgeschäft für Möbel und Innenausstattung und begann 1879, Tapeten zu fertigen. Bis zum Zweiten Weltkrieg war das Unternehmen in Marburg beheimatet. Seit den 1950er Jahren ist der Firmensitz in Kirchhain. Die Tapeten und Wandbeläge werden ausschließlich dort produziert.
Anfang der 1970er Jahre brachte das Unternehmen die „X-Art-Wall“-Serie heraus, die 1972 auf der Documenta 5 gezeigt wurde. Die Ausstellung wurde von Arnold Bode kuratiert und in der Turnhalle der Gerhart-Hauptmann-Schule (heutiges Dock 4) präsentiert.[4] Zeitgenössische Künstler gestalteten dafür Motive, die auf Tapeten übertragen wurden. Zu diesen Künstlern gehörten Allen Jones („Right-Hand-Lady“), Getulio Alviani, Werner Berges („Beauty“) und Niki de Saint Phalle („Nana“). Bereits zuvor arbeitete das Unternehmen mit Künstlern zusammen, wie mit Rupprecht Geiger, der es von 1958 bis 1961 künstlerisch beriet[5].
Das Unternehmen bietet heute (2017) über 4000 verschiedene Tapeten an und verschickt etwa 60.000 Rollen täglich.[1] Der Schwerpunkt der Kollektionen liegt im mittleren bis gehobenen Preissegment.[2]
Bekannt ist das Unternehmen darüber hinaus für technische Wandbeläge, die niederfrequente elektromagnetische Strahlung abschirmen. Weiterentwickelt wurde dieses Konzept zur abhörsicheren Tapete.[2]
2016 wurden in über 90 Länder Marburg Wallcoverings exportiert.[1] Wichtigste Exportländer sind neben den Ländern der Europäischen Gemeinschaft die USA, Russland und China.
Zum Milleniumswechsel wurde auf Initiative von Geschäftsführer und Maschinenbauingenieur Ullrich Eitel[6] die erste Tapetenkollektion von dem Textildesigner Ulf Moritz präsentiert. Es folgten weitere Künstlereditionen von Luigi Colani (Tapeten mit drei-dimensionalen Deko-Elementen 2007, Tsavo – Thema „Elefant“ 2010, Visions – Themen „Wasser“, „Baumrinde“ 2012, Legend 2017),[7]Werner Berges, Karim Rashid, Zaha Hadid (Art Borders, 2010;[8]Hommage, 2015[9]) und Harald Glööckler.[10]
Johann Bertram Schaefer
Johann Conrad Schaefer
Tapetenfabrik in Marburg vor dem Zweiten Weltkrieg
Umweltschutz und Nachhaltigkeit
Seit 1991 werden alle Marburg-Tapeten nach RAL-GZ-479 produziert.[11] Die RAL-Kriterien wurden unter Führung der Marburger Tapetenfabrik beim Verband der Deutschen Tapetenindustrie entwickelt.[12]
Eine thermische Nachverbrennung sorgt für saubere, nahezu rückstandsfreie Abgase. Seit 1998 wird in der Marburger Tapetenfabrik mit Abwärme geheizt (Kreislaufwirtschaft). Für die Entsorgung der Abfälle werden externe Spezialfirmen eingesetzt.[12]
Großbrand am 2. Dezember 2021
Am 2. Dezember 2021 gegen 20:15 Uhr kam es durch eine Explosion bei der Nachverbrennungsanlage zu einem Großbrand in der Schlosserei der Tapetenfabrik, dabei wurden drei Menschen verletzt und ein Großteil des Fabrikgebäudes schwer beschädigt, ein Teil des Gebäudes stürzte ein. Ein Übergreifen auf benachbarte Gebäude konnte verhindert werden. Der Schaden beziffert sich wohl auf mehrere Millionen Euro.[13][14][15]
Innovationen
1990
Patent – Strukturdekor auf Vlies zum Überstreichen, erster Vlieswandbelag[1]
1993
SuproNova – Strukturprofil, PVC- und weichmacherfrei (patentiert)[1]
1996
EMV-Abschirmtapete – Untertapete zur Abschirmung elektromagnetischer Felder, TÜV-geprüft[1]
2007 – Beste Musterkarte [= Musterkatalog] für die Kollektionen von Luigi Colani und Ulf Moritz (Pearl) vom internationalen Tapetenverband I.G.I. in Monaco.[20]
2009 – Großer Preis des Mittelstandes (Oskar-Patzelt-Stiftung)
2010 – Innovationspreis der Architekturzeitschrift AIT