Mahbuba Elham Maqsoodi wuchs in Afghanistan auf. Ihr Vater gründete eine Schule für Mädchen. Für die Eltern war eine liberale und offene Erziehung sehr wichtig, ebenso wie eine gute Schulbildung. Die Schule schloss sie mit dem Abitur ab. Nach einem zweijährigen Studium der Chemie und Biologie arbeitete sie als Gymnasiallehrerin an einem Mädchengymnasium in Herat. Mit ihrer älteren Schwester Afifa war sie politisch aktiv. Sie waren Mitglieder in der Jugendorganisation einer politischen Partei und setzten sich intensiv für die Stärkung der Frauenrechte in Afghanistan ein. Als 1979 Afifa von einem islamistischenTerroristen auf offener Straße erschossen wurde, verließ Maqsoodi 1980 zusammen mit ihrem Mann, dem Künstler Fazl Maqsoodi, das Land. Ein Kunststipendium führte sie und ihren Mann nach Sankt Petersburg, Russland. Nach dem Diplomabschluss und anschließender Promotion verhinderte der Bürgerkrieg ihre Rückkehr nach Afghanistan. 1994 erhielt die Familie in Deutschland politisches Asyl. 2010 starb ihr Mann im Alter von sechzig Jahren an Krebs.
Maqsoodi ist Mutter von zwei Söhnen. Ihr Künstleratelier befindet sich in München.[1][2][3]
Künstlerisches Wirken
In Herat begann Maqsoodi mit sechzehn Jahren (1973) schulbegleitend eine Ausbildung in der persischen Miniaturmalerei bei dem Künstler Fazl Maqsoodi. Er war Meisterschüler vom Ustad Mohammad Sayed, genannt Mashal, der in Iran und Afghanistan, als Vertreter der behzadischen Miniaturkunst bzw. als „Fackel der Behzadischen Miniaturtradition“ bekannt wurde. Das Paar nahm gemeinsam an Gruppenausstellungen in Herat und Kabul teil. Mit ihrem künstlerischen Beitrag erweckte Maqsoodi Aufmerksamkeit. Eine ihrer preisgekrönten Miniaturarbeiten wurde in die Sammlung der Kabuler Nationalgalerie aufgenommen.
Mahbuba Maqsoodi und ihr Mann Fazl Maqsoodi wurden von dem afghanischen Kultusministerium in ein Stipendienprogramm aufgenommen, das talentierte, junge Künstler unterstützte. 1979 erhielten beide Künstler die Bewilligung für ein Studium an einer ausländischen Kunstakademie mit dem Ziel eines erfolgreichen Diplomexamens. Maqsoodi belegte als Stipendiatin einen Platz an der Muchina-Kunstakademie (der früheren und jetzigen Stieglitz Kunstakademie).
Die offizielle Kunstdoktrin der damaligen sozialistischen Länder war der Sozialistische Realismus. Eine freie Kulturausübung wurde als zu bekämpfende „imperialistische Unkultur“ definiert. Ähnlich wie in der DDR-Verfassung galt: „Das künstlerische Schaffen beruht auf einer engen Verbindung der Kulturschaffenden mit dem Leben des Volkes“.[4] Welche Kunst diesem Anspruch genügte, hing von der Entscheidung des Regimes ab. Trotz dieser Maxime und daraus resultierten künstlerischen Restriktion beendete sie ihr Studium mit einer Diplomarbeit im Jahr 1987 an der Fakultät für Keramik und Glas. Die Abschlussarbeit (Motive aus Herat) erhielt die Bestnote und wurde in die Akademiesammlung aufgenommen. Infolgedessen wurde eine Ausstellung von Arbeiten des Ehepaars Maqsoodi in Moskau realisiert. Am 3. Dezember 1987 wurde sie in der Arseniy´s Morozov Villa, dem damaligen Sitz des „Hauses der Freundschaft mit Völkern des Auslands“[5] eröffnet.
Durch den erlangten Abschluss endete das Kunststipendium der beiden Künstler. Allerdings war die Rückkehr nach Afghanistan zum damaligen Zeitpunkt (1987) unvorstellbar. Es drohte der Beginn eines Bürgerkrieges. Beide Künstler Maqsoodi beantragten eine Weiterförderung. Das Kultusministerium bewilligte diese Förderung zum Zwecke einer wissenschaftlichen Forschungsarbeit. 1993 promovierte Maqsoodi in Kunstgeschichte an der Stieglitz Kunstgakademie mit der Arbeit „Die Ornamenttradition in der zeitgenössischen afghanischen Keramik“. Da ihr Ehemann Fazl schon etwas früher promoviert hatte, verlor er das Aufenthaltsrecht in Russland und beantragte Asyl in Deutschland. Erst zwei Jahre später konnte ihm Mahbuba mit den beiden Kindern nach Deutschland folgen. Dort lebten sie zunächst in einem Asylantenheim.[6]
Im Jahr 1994 wurde eine Einzelausstellung „Afghanistan in Flammen“ vom Fazl Maqsoodi in der Galerie Goethe 53 in München realisiert.[7]
Zwischen 2001 und 2012 konzentrierte sich Mahbuba Maqsoodi überwiegend auf architekturgebundene Auftragsarbeit. Die Arbeiten erfolgten überwiegend im künstlerischen Stil des 19. Jahrhunderts (Nazarener-Stil, neoromanische Kunstrichtung des 19. Jahrhunderts). In Folgejahren entstand ein Zyklus von Arbeiten in ihrem persönlichen Duktus, der in der Einzelausstellung „GlasKlar“ im Münchener Maximilianeum im Jahr 2017 präsentiert wurde. Dies markierte den Beginn einer öffentlichen Wahrnehmung von Maqsoodis Werk.
Ende 2018 wurde bekannt, dass Mahbuba Elham Maqsoodi neue Künstlerfenster für die saarländischeBenediktinerabtei St. Mauritius Tholey gestalten würde. Maqsoodi setzte sich bei einem geschlossenen Kunstwettbewerb durch. Das Projekt, zu dem auch drei neue Fenster von Gerhard Richter zählen, ist eines der derzeit größten und kunsthistorisch bedeutendsten Glasmalereiprojekte. Umgesetzt wurden die Fenster in der Bayerischen Hofglasmalerei Gustav van Treeck in München sowie in der Glasmalerei Frese aus Saarbrücken.[8]
Begleitet und dokumentiert wurde die Arbeit durch zahlreiche Publikationen. Unter anderem entstanden zwei Filmdokumentation von öffentlich rechtlichen Sendeanstalten, SR, „Das undurchdringliche Licht Gottes“,[9] und der DW, „Neues Licht in alten Mauern“[10].
Mahbuba Maqsoodi ist nach ihrem Selbstverständnis und in ihrer künstlerischen Praxis Malerin und Zeichnerin. Ihre Malerei und Bilder auf Glas empfindet sie stets als Teil eines sehr viel umfassenderen künstlerischen Gesamtwerks. „Die Vorliebe der Künstlerin für Glas zeigt sich in ihren Arbeiten. Die Komplexität, die Vielfalt des Materials und die erschaffene Dreidimensionalität unterstreichen die Aussagen Ihrer Werke.“[11]
Seit ihrer Jugend ist Maqsoodi sozial engagiert und setzt sich für die Rechte der Frauen ein. 2003 gründete sie den Verein „Afghanische Frauen in München e. V.“, der für seien Einsatz schon öfters geehrt wurde.[13][14] Der Verein hat das Ziel, geflüchteten Frauen und ihren Familien mehr Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe und Informationen über ihre Rechte und Pflichten zu geben.[15]
Die Aufmerksamkeit für die Bedeutsamkeit von Frauen herzustellen und zu schärfen, ist ihr besonders wichtig: „Wenn mir etwas nicht gefällt, dann ändere ich das. Manchmal unbewusst, ganz selbstverständlich. Ich habe mich in Afghanistan emanzipiert und will das Leben für afghanische Frauen leichter machen.“[16] Ebenfalls als langjährige Mitgliedsfrau des Stadtbunds Münchner Frauenverbände und durch die Mitarbeit im Münchner Ausländerbeirat, sowie in der Münchner Stadtratskommission für Integration leistet sie einen Beitrag zur kulturellen und gesellschaftlichen Integration.[17][18] Für ihr soziales Engagement wurde ihr am 16. Dezember 2013 die Bayerische Verfassungsmedaille in Silber verliehen.[19]
Am 12. September 2017 wurde im Münchner Literaturhaus das Buch Der Tropfen weiß nichts vom Meer präsentiert, das Maqsoodi zusammen mit einer engen Freundin, der Lektorin Hanna Diederichs, geschrieben hatte. Insgesamt umfasst die Autobiografie 77 Kurzgeschichten, welche sich in drei Episoden aufteilen: Afghanistan, Russland und Deutschland.
2020: Kunstraum van Treeck, Malereien und Glasbilder im Rahmen des „First View Neue Künstlerfenster“ Mahbuba Maqsoodi und Gerhard Richter für die Benediktinerabtei Tholey, München[26]
2023: Museen der Stadt Calw, Fragiles Sein, Hirsau
Publikationen
mit Hanna Diederichs: Der Tropfen weiß nichts vom Meer. Eine Geschichte von Liebe, Kraft und Freiheit. Mein afghanisches Herz. Heyne Verlag, München 2017, ISBN 978-3-453-20156-9.
Literatur
Greta Tüllmann: Mahbuba Maqsoodi – meine Sprache ist die Kunst, die Sprache der Seele. In: ab 40. Zeitschrift von, für, über Frauen. Wie sie leben, was sie denken, wer sie sind. 2004, Nr. 4, ISSN0937-6887.
Eine Afghanische Künstlerin und ihr Leben in München. In: Haidhauser Nachrichten. Nr. 11, 2004.
Angelika Irgens-Defregger: Die afghanische Künstlerin verknüpft Poesie mit Glasmalerei. In: Sonntagsblatt. 360° EVANGELISCH, 16. November 2017 (sonntagsblatt.de).
Cathrin Elss-Seringhaus: Frauenkunst für Tholeyer Mönche. Afghanin soll Abteifenster für Tholey gestalten. In: Saarbrücker Zeitung. 28. Dezember 2018 (saarbruecker-zeitung.de).
Cathrin Elss-Seringhaus: Künstlerin Mahbuba Maqsoodi. Muslima gestaltet Kirchenfenster für Tholey. In: Saarbrücker Zeitung. 22. August 2019 (saarbruecker-zeitung.de).
Cathrin Elss-Seringhaus: Weltkunst für Tholey. Diese Fenster zieren künftig die Abtei in Tholey. In: Saarbrücker Zeitung. 3. September 2019 (saarbruecker-zeitung.de).
Johannes Schleuning: Afghanische Künstlerin Maqsoodi malt Kirchenfenster für Tholey. „Gleichberechtigung ist ein Apfel auch für Adam“. In: Saarbrücker Zeitung. 11. September 2019 (saarbruecker-zeitung.de, Artikelanfang frei abrufbar).
Cathrin Elss-Seringhaus: Frauen-Kunst für Kloster. Eine Frau für die Tholeyer Mönche. In: Saarbrücker Zeitung. 28. Dezember 2019 (saarbruecker-zeitung.de).
dpa/lrs: Richter – Fenster kommen. Mönche stellen sich auf Besucher ein. In: Die Welt. 19. Februar 2020 (welt.de).
dpa: Abstrakte Glasmalerei. Richter-Kirchenfenster für die Abtei Tholey in München vorgestellt. In: MONOPOL. Magazin für Kunst und Leben. 6. März 2020 (monopol-magazin.de).
Ralph Stanger: Die ersten neuen Fenster für die Abtei Tholey sind fertig. Farben-Rausch in Klosterkirche. In: Bild. 23. März 2020 (bild.de).
Auf der Suche nach Höherem? Die neuen Künstlerfenster von Gerhard Richter und Mahbuba Maqsoodi – First View in den Werkstätten Gustav van Treeck. In: ARTIMA.de, 12. März 2020
Catherine Hickley: A Stained-Glass Gift, From God and Gerhard Richter. In: The New York Times. 18. September 2020 (nytimes.com).
Michael Bremmer, Sabine Buchwald, Sonja Niesmann: Fünf für München: Auf der Wiese, an den Wänden. Glas als Brücke. In: Süddeutsche Zeitung. 29. Mai 2022 (süddeutsche.de).
↑Mahbuba Maqsoodi, Hanna Diederichs: Der Tropfen weiß nichts vom Meer. Eine Geschichte von Liebe, Kraft und Freiheit. Mein afghanisches Herz. Wilhelm Heyne Verlag, München 2017, ISBN 978-3-453-20156-9.
↑DDR-Verfassung vom 6. April 1968 (in der Fassung vom 7. Oktober 1974). (documentarchiv.de).
↑Arseny Morozov Mansion. In: ruslanguage.ru. Ruslanguage School Moscow, abgerufen am 24. März 2020 (englisch).
↑Mahbuba Maqsoodi, Hanna Diederichs: Der Tropfen weiß nichts vom Meer. Eine Geschichte von Liebe, Kraft und Freiheit. Mein afghanisches Herz. Wilhelm Heyne Verlag, München 2017, ISBN 978-3-453-20156-9, S.236–250.
↑Ost-westliche Lebenslinien. Werke des afghanischen Künstlers Fazl Ahmed Maqsoodi. In: Süddeutsche Zeitung. 12. April 1994.
↑Veranstaltungen. Ausstellung „Und ICH!“ – Glasbilder von Mahbuba E. Maqsoodi. Fr, 15.3.2019 – So, 12.5.2019. Nazarethkirche Bogenhausen. München. Evang.-Luth. Kirchengemeinde Immanuel-Nazareth, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 2. November 2020; abgerufen am 26. März 2020.
↑… und alles, weil ich eine Frau bin… Erster Condrobs Frauensalon beleuchtet den Grad der Gleichstellung von Frau und Mann heute. In: condrobs.de. 8. März 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. März 2020; abgerufen am 26. März 2020.