Der Mönch von Salzburg war ein Liederdichter und Komponist des Spätmittelalters von europäischer Bedeutung. Mit über 100 Handschriften ist er derjenige Lyriker aus dem Mittelalter mit der größten Überlieferungsbreite.
Am Hof des Salzburger FürsterzbischofsPilgrim II. von Puchheim (1365–1396) wirkte der anonym gebliebene Mönch von Salzburg, von dem 50 frühneuhochdeutsche Liebeslieder, sieben weitere weltliche, vor allem Trinklieder, und rund 50 geistliche Lieder überliefert sind. Die Autorenschaft ist dabei nicht überall geklärt. Seine Lieder waren und sind teilweise bis heute sehr populär, sie liegen in mehr als hundert Abschriften vor. Drei dieser Abschriften der weltlichen Lieder nennen jeweils einen anderen Namen als Autor der Lieder: den Benediktinermönch „Herman“, den Dominikaner „Mayster Hanns“ und den „gelerrten herr her Johans ain Munich“, drei Sammlungen geistlicher Lieder nennen einen Jakob von Mühldorf, einen Peter von Sachsen und einen Leutpriester Martin.
Es bleibt sehr unwahrscheinlich, dass es sich beim Mönch von Salzburg um Pilgrim selbst handelt, auch wenn ein von ihm verfasster Minnebrief aus dem Jahre 1392 darauf hinzudeuten scheint.[1]
Franz Viktor Spechtler, ehemaliger Professor für Ältere Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Salzburg, stellt in seinem Buch über die geistlichen Lieder fest: „Wir werden den gelehrten Dichter und Komponisten, dessen Verbindungen zum Landesfürst und zu einem kunstbeflissenen Kreis von Klerikern klar zu erweisen ist, bei künftigen Arbeiten eher am erzbischöflichen Hof und im Domkloster (seit 1122 mit der Tradition eines Augustiner-Chorherrenstiftes) zu suchen haben als beim Benediktinerstift St. Peter.“ Er begründet dies auch damit, dass sich alle vom Mönch übertragenen Sequenzen im Graduale des Augustiner-Kollegiatstiftes St. Castulus zu Moosburg des Jahres 1360 wiederfinden. Der germanistische MediävistBurghart Wachinger siedelt den Mönch dagegen nicht bei den Domherren, sondern bei den Benediktinern an und ordnet der These, der Mönch könne im Domkloster gelebt haben, nur eine geringe Wahrscheinlichkeit zu.
Tatsächlich ist das geistliche Liedschaffen des Mönchs von Salzburg als das wichtigste Zeugnis des volkssprachlichen geistlichen Gesanges im Spätmittelalter für den gesamten deutschen Sprachraum anzusehen, so Hans Waechter. Die vorherrschenden Formen sind dabei der Hymnus, die Sequenz und das geistliche Gemeindelied. Diese volkssprachlichen Gesänge zählten im Spätmittelalter mit zum festen Bestandteil der kirchlichen Liturgie.
Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg stehen unter Verwendung älterer deutscher Liedtraditionen (Töne) und folgen den großen Festen des Kirchenjahres, dem Weihnachtskreis und dem Osterkreis, sowie dem Dreifaltigkeitssonntag und Fronleichnam, oder aber befassen sich mit Heiligenfesten sowie dem Liederkreis um Maria. Lateinische Hymnen und Sequenzen wurden dabei vom Mönch von Salzburg eingedeutscht, ein einziges Lied ist in lateinischer Sprache verfasst (O Maria pia). Öfters bilden die Dichtungen Akrosticha, bei denen die Anfangsbuchstaben der Zeilen sinnvolle Wörter ergeben.
Die Liebeslieder stehen nicht mehr in der Tradition der klassischen Minneliedern der Hohen Minne, die Liebe zwischen Mann und Frau ist nicht unerreichbar. Sehnsucht, Angst und Eifersucht werden ebenso genannt, Hass auf die Nebenbuhler und Wut über Schwätzer und Neider. Spaß und Sorgen sind beide gegenwärtig.
Der Mönch von Salzburg griff als erster deutscher Komponist die Mehrstimmigkeit für seine Lieder auf. Er schrieb den ersten deutschsprachigen KanonMartin, lieber Herre mein (im Original: Martein, lieber herre, „ain radel von drein stymmen“). Durch ihn ist das WeihnachtsliedJoseph, lieber Joseph mein (im Original: Joseph, lieber nefe mein, hilf mir wiegen mein kindelein) auf die Melodie des älteren lateinischen Liedes Resonet in laudibus überliefert, dessen deutscher Text möglicherweise von ihm stammt. Er ist auch der Verfasser des so genannten Planetenkinderliedes. Seine Melodie eines Tischsegens verwendete Martin Luther in seinem Lied Vater unser im Himmelreich.[2] Die wichtigste Handschriftensammlung mit den meisten Dichtungen ist die Mondsee-Wiener-Liederhandschrift[3] des Salzburger Goldschmieds Peter Spörl, die sich heute in der Österreichischen Nationalbibliothek befindet.
Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg
Weihnachtskreis
Maria keusche muter zart
Von anegeng der sunne klar
Joseph, lieber nefe mein
Mein trost, Maria, raine mait
Besniten wirdigkleichen
Eia herre got, was mag das gesein
Vom Sonntag nach Epiphanias zur Passionszeit
Ave, meres sterne
Maria pis gegrüsset
Des menschen liebhaber
Do got in dem throne sas
Maidleich pluem, der jungkfrawn kron
Von unnser vrawen mitleiden
Osterkreis
Die nacht wirt schir des himels gast ("Des Munichz passion")
Maria stuend mit swidem smerzen
Eia der grossen liebe
Kunig Christe, macher aller ding
Heiligs kreuz, ein paum gar aine
Schepher und weiser pist
Sälig sei der selden zeit
Aller werlde gelegenhait
Sig und säld ist zu bedewten
Christus erstuend mit siges van
Grüest seist, heiliger tag
Kum hochfeierliche zeit
Kum senfter trost heiliger geist
Kum her schepher heiliger geist
Kum heiliger geist
Dreifaltigkeitstag bis Kirchenjahr-Ende
Herr, got allmechtig, drei person
Git in drivaldikait ainvalt
In gotes namen
Ave, lebendes oblat
Lobt all zungen des ernreichen
Lob, o Sion, deinen hailer
Das hell aufklimmen deiner diener stimmen
Uns kunden all zwelf poten gar
Muter guter sach die pest
Wir süllen loben all die raine
Magd hochgeporen
Freu dich Sion, das augangen
Allgemeine Marienlieder
Ave, Balsams Creatur
Pluom gezartet, ros an doren
Richer schatz der höchsten freuden
Ave, grüest pist, magtleich frome
Ich gruss dich gerne
Salve grüest pist, mueter hailes
Got grüeß dich, meuter unsers herren
O Maria pia
Allgemeine Lieder zu den Tageszeiten
Allmächtig got herr Jesu Christ
Christe du bis liecht und der tag
O du selige drifaltikait
Literatur
Werkausgaben
Franz Viktor Spechtler (Hrsg.): Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. De Gruyter, Berlin 1972 (= QF NF 51), ISBN 3-11-001847-0.
Franz Viktor Spechtler (Hrsg.), Christoph Wilhelm Aigner (Übers.): Der Mönch von Salzburg. Die weltliche Dichtung. Otto Müller, Salzburg 1995, ISBN 3-7013-0900-0.
Franz Viktor Spechtler (Hrsg.): Der Mönch von Salzburg. Sämtliche Lieder. Wieser, Klagenfurt / Celovec 2004, ISBN 3-85129-424-6.
Margarete Payer: Das religiöse Weltbild des Mönchs von Salzburg in den geistlichen Liedern G 33, G 34, G 37 und G 46. Kümmerle, Göppingen 2000, ISBN 3-87452-915-0.
Franz Viktor Spechtler: Mittelalterliche Liedforschung. In: Jahrbuch der Oswald-von-Wolkenstein-Gesellschaft 1, 1981, ISSN0722-4311.
Burghart Wachinger: Der Mönch von Salzburg. Zur Überlieferung geistlicher Lieder im späten Mittelalter (= Hermaea. Germanistische Forschungen, Neue Folge, 57). Niemeyer, Tübingen 1989, ISBN 3-484-15057-2.
Hans Waechter: Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung der Melodien. Kümmerle, Göppingen 2005, ISBN 3-87452-976-2 (unter dem Titel Untersuchungen zu den geistlichen Liedern des Mönch von Salzburg zugleich Dissertation der Universität Salzburg, 2003).
Tonträger
Der Mönch von Salzburg.Eberhard Kummer, Elisabeth Guy-Kummer u. a./ Cesar Bresgen, Help Austria Records HAS 174 (1978).
Ich bin du und du bist ich. Der Mönch von Salzburg.Bärengässlin, Johannes Heimrath, Michael Korth. pläne LP 88171 (1980). Wiederveröffentlichung unter dem Titel: Der Mönch von Salzburg. Lieder des Mittelalters. pläne CD 88852.
Mönch von Salzburg. Weltliche Lieder. Ensemble für frühe Musik Augsburg. Christophorus CHR 77176 (1995).
Mönch von Salzburg. Lieder. Paul Hofhaimer Consort Salzburg. arte nova 74321 37316 2 (1996).
Mönch von Salzburg. Nicodemus Passion. A medieval adaptation. Duo Enßle-Lamprecht, Susanne Ansorg. Audax Records ADX 11212 (2024).[4]
Peter Dürmüller: Das Didaktische in den geistlichen Liedern des Mönchs von Salzburg. (pdf; 99 kB) Hausarbeit im Seminar von Max Schiendorfer: ‚Geistliche Lieddichtung des Spätmittelalters‘. 31. März 2009, archiviert vom Original am 2. September 2009; abgerufen am 20. Oktober 2024 (veröffentlicht auf 50webs.org).[5]