Lux Guyer, eigentlich Louise Guyer, (* 20. August1894 in Zürich; † 26. Mai1955 ebenda) war die erste selbständig arbeitende SchweizerArchitektin. Bekannt wurde sie als leitende Architektin der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit, SAFFA, im Jahre 1928 in Bern. Zu ihren wichtigen Werken zählen die 1927 gebaute Wohnkolonie im Lettenhof in der Stadt Zürich für alleinstehende, berufstätige Frauen und das SAFFA-Haus.
Guyer wurde als Tochter eines Primarlehrers in Zürich geboren und wuchs mit zwei Schwestern auf. Sie absolvierte die Höhere Töchterschule der Stadt Zürich (die jetzige Kantonsschule Hohe Promenade KSHP) und besuchte 1916/17 Kurse für Innenarchitektur bei Wilhelm Kienzle an der Kunstgewerbeschule Zürich und war 1917/18 Fachhörerin am Polytechnikum (ETH Zürich). Weshalb sie sich nicht an der ETH immatrikulierte, ist nicht bekannt.[1] Nebenbei arbeitete sie als Teilzeitmitarbeiterin im Büro von Gustav Gull in Zürich.
Von 1918 bis 1924 erweiterte sie ihr architektonisches Wissen und Können auf Studienreisen nach Paris, Florenz, Berlin (im Büro der ersten deutschen promovierten Architektin Marie Frommer) und London. Sie eröffnete 1924 in der Schweiz ein eigenes Architekturbüro und ist die bekannteste der selbständigen Schweizer Architektinnen des frühen 20. Jahrhunderts.[2][3][4][5]
1930 heiratete Guyer den ETH-Bauingenieur Hans Studer und wurde Mutter eines Sohnes (Urs, 1933).[6] Trotz der Krise nach dem Zweiten Weltkrieg führte sie das Architekturbüro unter ihrem Namen weiter.[7]
Nach ihrem Tod 1955 übernahm ihre Nichte Beate Schnitter (1929–2023) das Büro.[8]
Bauten
Lettenhof West, Wohnkolonie für alleinstehende, berufstätige Frauen, 1926
Lux Guyers Eigenheim «Sunnebüel», Am Itschnacherstich 1, Küsnacht-Itschnach, 1928/29
«Haus Mendel», 1931, Küsnacht Itschnach
Susenbergstrasse Nr. 101 in Fluntern, Zürich, circa 1937
Werk
Zu Guyers Werken gehören sowohl private Einfamilienhäuser wie städtische Siedlungsbauten, Wohnheime, beispielsweise 1926/27 die Frauenwohnkolonie Lettenhof für alleinstehende, berufstätige Frauen oder 1927/28 das Studentinnenheim Fluntern, und Wohnhäuser in Vorortslage. Guyer war 1928 leitende Architektin der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit, SAFFA in Bern[9] und schuf das HolzfertighausSAFFA-Haus. Einen gewichtigen Teil ihrer Bauten realisierte sie zwischen 1925 und 1935, dem Jahrzehnt, in dem die klassische Moderne ihren Höhepunkt erreichte.[10] Nach 1935 baute sie traditionellere und handwerklichere Häuser. Guyers Eigenheim in Küsnacht, das «Sunnebüel», ist heute ein Schutzobjekt von nationaler Bedeutung.
«Lux Guyer war eine Architektin, der es um Modernität im Sinne der Freiheit von gesellschaftlichen und kulturellen Vorurteilen, um Freiheit von einengenden Dogmen gleich welcher Art ging.» Selbst für ihre Zeit waren die Bauten durchaus unkonventionell und mussten beispielhaft bewohnt werden, bevor sie Käufer fanden. Guyers Architektur war anti-repräsentativ und nicht-hierarchisch, sie war eine Collage unterschiedlicher Module. Die Räume sind locker verbunden, oft mehrfach erschlossen und können damit verschiedene Funktionen erfüllen, ohne unbestimmt zu bleiben. Lichtführung und Blickachsen spielen eine zentrale Rolle, ebenso die ganz bewusste, variantenreiche Gestaltung der Oberflächen und Farben, der Fussböden, Wände und Decken. «Diese beiden Kriterien – Atmosphäre und Beweglichkeit – scheinen den Kern dessen auszumachen, was Lux Guyer als ihren Zugang zum modernen Wohnen […] begriff.»[11]
Lux Guyers architektonisches Werk sei absolut prägend für die Wohnkultur und die lokale Identität aller Goldküstengemeinden, sagt Emanuel Christ, der an einer Renovation des Guyer-Hauses «Obere Schiedhalde» beteiligt war. Sie habe die bürgerliche Häuslichkeit der Moderne geprägt. «Guyer kann aber nicht nur als Ikone der schweizerischen Architektur, sondern auch als Vorkämpferin für Gleichberechtigung betrachtet werden», führt Christ aus, weil sie ein selbständiges Frauenleben repräsentierte.[12]
Lux Guyer wurde für ihr Schaffen anlässlich des Sechseläutens 1997 von der Gesellschaft zu Fraumünster geehrt. Eine Gedenktafel befindet sich an der Bahnhofstrasse 71 in Zürich.
Am 14. Juni 2011 wurde der zentrale Verkehrskreisel der Gemeinde Muttenz nach der Schweizer Architekturpionierin neu Lux Guyer-Kreisel benannt.[13]
Schriften
Autobiografie, in: Elga Kern (Hrsg.): Führende Frauen Europas. In 25 Selbstschilderungen. Neue Folge. E.Reinhardt, München 1930, S. 64–69.
Ludovic Balland, Emanuel Christ, Christoph Gantenbein, Sven Reichter: Lux Guyer - Obere Schiedhalde: die Wiederbelebung eines Wohnhauses von 1929. Park Books, Zürich 2023, ISBN 978-3-03860-253-8, S.208.
Film
Frauen Bauen – Schweizer Architektinnen, Regie: Renate Münzel, Zürich 2006[15]
↑Hörer haben keinen Studentenstatus und können deshalb keinen ETH-Abschluss bzw. kein ETH-Diplom erwerben. Die erste Architektin, die Schottin Flora Steiger-Crawford, schloss ihr Studium 1923 an der ETH ab. Geschichte der Frauen an der ETH (Memento des Originals vom 8. März 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.ethz.ch
↑Verena Bodmer-Gessner: Die Zürcherinnen. Kleine Kulturgeschichte der Zürcher Frauen. Berichthaus, Zürich 1961, S. 121.
↑Bettina Köhler: Das japanische Maiensäss. Lux Guyer, die Reform und die Atmosphäre(n). In: Sylvia Claus, Dorothee Huber, Beate Schnitter (Hrsg.): Lux Guyer (1894–1955). Architektin. gta Verlag, Zürich 2009, ISBN 978-3-85676-240-7, S. 25–41, hier S. 25.
↑Absatz nach Bettina Köhler: Das japanische Maiensäss. Lux Guyer, die Reform und die Atmosphäre(n). In: Sylvia Claus, Dorothee Huber, Beate Schnitter (Hrsg.): Lux Guyer (1894–1955). Architektin. gta Verlag, Zürich 2009, ISBN 978-3-85676-240-7, S. 25–41; wörtliche Zitate auf den Seiten 31 und 37 f.