Ludwig Bechstein wurde als unehelicher Sohn der Johanna Carolina Dorothea Bechstein und eines französischen Emigranten unter dem Namen Louis Dupontreau geboren. 1810 adoptierte ihn sein Onkel Johann Matthäus Bechstein. Seither trug er den Namen Ludwig Bechstein. Sein Onkel ermöglichte ihm den Besuch des Gymnasiums in Meiningen und von 1818 bis 1821 eine Apothekerlehre in Arnstadt, wo er dann bis 1824 als Gehilfe tätig war. Schon 1823 legte er als C. Bechstein die Thüringischen Volksmärchen vor. Anschließend war er bis 1826 als Apothekergehilfe in Meiningen und bis 1828 als Provisor an der Schwan-Apotheke in Salzungen tätig. Jedoch befriedigte ihn diese Tätigkeit beruflich nicht.
1831 wurde Bechstein zum herzoglichen Kabinettsbibliothekar in Meiningen und 1833 zum Leiter der Herzoglichen öffentlichen Bibliothek ernannt. Er gründete 1832 den Hennebergisch altertumsforschenden Verein, dem er bis 1857 als Direktor vorstand. Ludwig Bechstein gab 1834 die „Chronik der Stadt Meiningen 1676–1834“ heraus. 1840 bekam er den Titel Hofrat verliehen und bezog sein eigenes Haus in der Halbestadtstraße. Im Jahr 1842 trat er in die Meininger FreimaurerlogeCharlotte zu den drei Nelken ein. 1848 übernahm Bechstein als Leiter und Archivar das Gemeinschaftliche Hennebergische Archiv.
Bechsteins patriotische Lyrik und seine historischen Erzählungen und Romane wie z. B. Der Dunkelgraf sind heute kaum noch bekannt. Geblieben sind seine Märchensammlungen, unter anderem veröffentlicht unter dem Titel Deutsches Märchenbuch (1845). Mit dem Ziel, pädagogisch zu wirken, nahm er vielfach Veränderungen an den überlieferten Geschichten vor. Seine Sammlung von Volksdichtungen sollte auch ein Beitrag zur Förderung der nationalen Einheit Deutschlands sein. Bechstein sammelte auch Sagen. Sein umfangreiches Deutsches Sagenbuch (1853) wurde zwar nicht so populär wie seine Märchensammlung, wird aber bis heute als Kompendium des deutschen Sagenschatzes genutzt. Auch Bechsteins Veröffentlichungen über Thüringen erlebten immer wieder Neuausgaben, beispielsweise sein Band in der Reihe Das malerische und romantische Deutschland. Mit der Biographie über seinen Adoptivvater, Dr. Johann Matthäus Bechstein und die Forstacademie Dreißigacker. Ein Doppel-Denkmal von Ludwig Bechstein, schuf er 1855 die erste eigenständige Lebensbeschreibung eines deutschen Forstmannes in Buchform. Mit dem Band Deutsches Mythenbuch wollte Bechstein seine Sammlung volkstümlicher Dichtung vollenden, doch sein früher Tod verhinderte dieses Vorhaben.
Nach einer langen „Gedicht-Not“ zwischen 1835 und 1843 setzt die lyrische Produktion Bechsteins erneut ein, nach der Begegnung mit der jungen Dichterin Wilhelmine Mylius,[2] die er aus Gründen der Diskretion „Waldrose“, später sein „Waldröschen“ nannte.[3] Er verehrte seine Mitarbeiterin Mylius romantisch und förderte die Näherin schriftstellerisch.[4]
Bechstein war zweimal verheiratet. 1832 schloss er die Ehe mit Caroline Wiskemann (1808–1834) aus Oechsen. Aus dieser Ehe ging als einziges Kind der Sohn Reinhold Bechstein hervor, der später Philologe und Germanist wurde. Nach nur zwei Jahren Ehe starb Caroline. Im Jahr 1836 heiratete Bechstein seine zweite Frau Therese Schulz (* 7. April 1806; † 26. Februar 1876) aus Untermaßfeld. Aus dieser Ehe gingen sieben Kinder hervor, darunter Adolf Emil Ludwig Bechstein (1843–1914), ein bekannter Zeichner und Illustrator seiner Zeit.
Das Familiengrab von Ludwig Bechstein mit seiner Frau Therese befindet sich auf dem Meininger Parkfriedhof.[5]
Ehrungen
Bechsteinbrunnen in Meiningen
An Ludwig Bechstein erinnern heute in Meiningen neben der Gedenktafel an seinem Haus die Bechstein-Straße, die Grundschule „Ludwig Bechstein“, der Bechsteinbrunnen, sowie die „Bechstein Apotheke“ in Untermaßfeld. Weitere nach Ludwig Bechstein benannte Grundschulen befinden sich in Arnstadt, Bad Liebenstein und Erfurt.
2001 wurde der Asteroid(23520) Ludwigbechstein nach ihm benannt.[6]
Ebenfalls seit 2001 wird zu Ehren von Ludwig Bechstein der Thüringer Märchen- und Sagenpreis „Ludwig Bechstein“ an verdienstvolle Märchenerzähler, Illustratoren, Verleger und andere mit besonderem Bezug zu Märchen und Sagen verliehen.
Werke
Erzählungen
Aus Heimat und Fremde. Erzählungen. 2 Bände. Taubert, Leipzig 1839.
Hainsterne. Berg-, Wald- und Wander-Geschichten. 4 Bände. Pfeffer, Halle 1853.
Band: Der Heerwurm und die Wildschützen. (Digitalisat im Münchener Digitalisierungszentrum)
Band: Der Spielmann vom Thüringer Walde. (Digitalisat im Münchener Digitalisierungszentrum)
Band: Eine Nacht im Spessartwalde. (Digitalisat im Münchener Digitalisierungszentrum)
Ein dunkles Loos. Volkserzählung. 3 Bände. Korn, Nürnberg 1850 (Digitalisate von Band 1, Band 2 und Band 3 bei Google Books; Reprint im Verlag Rockstuhl, ISBN 3-936030-92-8)
Gedichte
Die Haimons-Kinder. Ein Gedicht aus dem Sagenkreise Karls des Grossen in vier Sängen. Hartmann, Leipzig 1830.
Luther. Ein Gedicht. Sauerländer, Frankfurt am Main 1834. Verlag Rockstuhl, Reprint, ISBN 978-3-936030-94-5
Gedichte. Sauerländer, Frankfurt am Main 1836.
Neue Naturgeschichte der Stubenvögel. Ein Lehrgedicht. Hahn, Hannover 1846.
Schloß Wartburg in Liedern und Romanzen gefeiert. Voigt & Günther, Leipzig 1859.
Landeskunde und Reiseliteratur
Chronik der Stadt Meiningen 1676–1834. 2 Theile. Keyßner, Meiningen 1834.
Meiningen und seine Umgebungen. Ein Führer für Fremde und Einheimische. Kesselring, Hildburghausen 1842.
Thüringen und der Harz. Historisch-romantische Beschreibung aller in Thüringen und auf dem Harz vorhanden gewesenen und noch vorhandenen Schlösser, Burgen, Klöster, merkwürdigen Kirchen und anderer Gebäude; Fabrikörter, Bergwerke, Ruinen, Höhlen, Denkmäler, malerischen Gegenden und sonst beachtenswerther Gegenstände aus dem Reiche der Geschichte und Natur. Eupel, Sondershausen 1842.
Erzählungen und Phantasiestücke. 13 Novellen in 4 Bänden. Hallberger, Stuttgart 1831.
Arabesken. Novellen. Hallberger, Stuttgart 1832.
Novellen und Phantasiegemälde. 2 Bände. Kesselring, Hildburghausen 1832.
Novellen und Phantasieblüthen. 2 Theile. Leo, Leipzig 1835.
Die Manuscripte Peter Schlemihl’s. Kosmologisch-literarische Novelle. Allgemeine Deutsche Verlags-Anstalt, Berlin, 1851 (Digitalisate von Band 1 und Band 2 bei Google Books).
Romane
Die Weissagung der Libussa. Franckh, Stuttgart 1829 (Digitalisat von Band 1 und Band 2 bei Google Books; Reprint im Verlag Rockstuhl, ISBN 3-936030-91-X)
Grimmenthal. Romantisches Zeitbild aus dem sechzehnten Jahrhundert. Kesselringsche Hofbuchhandlung, Hildburghausen 1833 (Digitalisat bei Google Books; Reprint im Verlag Rockstuhl, 2003, ISBN 3-936030-84-7)
Das tolle Jahr. Historisch-romantisches Gemälde aus dem sechzehnten Jahrhundert. Hallberger, Stuttgart 1833 (Digitalisat von Band 1, Band 2 und Band 3 bei Google Books)
Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. 1854 (Digitalisierte Ausgabe unter: urn:nbn:de:s2w-7093)
Fahrten eines Musikanten (die abenteuerliche Lebensgeschichte des Johann Daniel Elster), herausgegeben von Ludwig Bechstein, Zweite verbesserte, und mit viertem Band vermehrte Auflage in zwei Theilen 1854
Hexengeschichten. 1854, Georg Olms Verlag, Reprint 1984, ISBN 3-487-08260-8
Romantische Sagen und Märchen. 1855, Verlag Rockstuhl, Reprint 2003, ISBN 3-936030-93-6
Freimaurerische Schriften. Hrsg. von G. v. Goeckingk-Farnbach. Meiningen (1926)
Werner Bellmann: Ludwig Bechstein. In: Enzyklopädie des Märchens. Hrsg. von Kurt Ranke. Bd. 2. Berlin/New York 1977. Sp. 15–19.
Rainer Bens: Einige „Aussteiger aus der Pharmazie“ (= Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie, Bd. 53). Deutscher Apotheker-Verlag, Stuttgart 1989, ISBN 3-7692-1226-6.
Alfred Erck, Hannelore Schneider: Aus unveröffentlichten Briefen Ludwig Bechsteins. In: Palmbaum. Bd. 9, Nr. 1/2, 2001, ISSN0943-545X, S. 21–28.
Hans Graetz, Andreas Seifert: Ludwig Bechsteins Briefe an Catharina und Wilhelm Sattler. In: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins. Bd. 19, 2004, ISSN0940-8940, S. 289–314.
Silke Hermann: Ludwig Bechstein als Bibliothekar in Meiningen. In: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins. Bd. 16, Nr. 1, 2001, S. 71–90.
Karin Richter, Rainer Schlundt (Hrsg.): Lebendige Märchen- und Sagenwelt. Ludwig Bechsteins Werk im Wandel der Zeiten. Schneider-Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2003, ISBN 3-89676-739-9.
Ludwig Bechstein: Le livre des contes (= Collection Merveilleux, Nr. 45). Présenté, traduit et annoté de l’allemand par Corinne et Claude Lecouteux. José Corti, Paris 2010, ISBN 978-2-7143-1045-3.
Harald Lönnecker: „In Leipzig angekommen, als Füchslein aufgenommen“ – Verbindungen und Vereine an der Universität Leipzig im langen 19. Jahrhundert. In: Jens Blecher, Gerald Wiemers (Hrsg.): Die Matrikel der Universität Leipzig. Teilband 2: Die Jahre 1833 bis 1863. Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2007, ISBN 978-3-89739-589-3, S. 13–48.
Harald Lönnecker: Zwischen Völkerschlacht und Erstem Weltkrieg. Verbindungen und Vereine an der Universität Leipzig im 19. Jahrhundert (= Jahresgabe der Gesellschaft für Burschenschaftliche Geschichtsforschung e. V. (GfbG), 2007). Gesellschaft für Burschenschaftliche Geschichtsforschung e. V., Koblenz 2008, ISBN 3-9807164-6-5.
Konrad Marwinski: Bechstein, Ludwig. Dichter, Märchen- und Sagensammler, Archivar, Bibliothekar, Landeshistoriker, 24. Nov. 1801 Weimar – 14. Mai 1860 Meiningen. In: Lebenswege in Thüringen. 2, 2002, ISSN0943-9846, S. 20–24.
Hanns-Peter Mederer: Stoffe aus Mythen. Ludwig Bechstein als Kulturhistoriker, Novellist und Romanautor. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3-8244-4497-6.
Johannes Mötsch: Ludwig Bechstein als Archivar. In: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins. Bd. 16, Nr. 1, 2001, S. 53–70.
Heiko Postma: Märchenblumen und der süße Reiz der Sage. Über den Forscher und Sammler, Poeten und Erzähler Ludwig Bechstein (1801–1860). jmb-Verlag, Hannover 2008, ISBN 978-3-940970-06-0.
Burghart Schmidt: Ludwig Bechstein und die literarische Rezeption frühneuzeitlicher Hexenverfolgung im 19. Jahrhundert (= Veröffentlichungen des Arbeitskreises für Historische Hexen- und Kriminalitätsforschung in Norddeutschland, Bd. 4). DOBU-Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-934632-09-2 (Zugleich: Hamburg, Universität, Habilitations-Schrift, 2004).
Klaus Schmidt: Untersuchungen zu den Märchensammlungen von Ludwig Bechstein (= Form und Geist. Bd. 37, ZDB-ID 533299-0). Eichblatt, Leipzig 1935 (Zugleich: Greifswald, Universität, Dissertation, 1935), (Nachdruck: (= Volkskundliche Quellen 3 Märchen und Schwank). Olms, Hildesheim u. a. 1984, ISBN 3-487-07520-2).
Susanne Schmidt-Knaebel: Textlinguistik der einfachen Form. (Die Abgrenzung von Märchen, Sage und Legende zur literarischen Kunstform der Novelle). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1999, ISBN 3-631-31191-5.
Susanne Schmidt-Knaebel: „Man muß doch jemand haben, gegen den man sich ausspricht“. Ludwig Bechsteins Briefe an Dr. Ludwig Storch. Shaker, Aachen 2000, ISBN 3-8265-7952-6.
Heinrich Wagner: Ludwig Bechstein als Historiker. In: Jahrbuch des Hennebergisch-Fränkischen Geschichtsvereins. Bd. 16, Nr. 1, 2001, S. 21–32.
Heinrich Wagner: Ludwig Bechstein. Eine biographische Skizze. In: Frankenbund (Hrsg.) Frankenland – Zeitschrift für fränkische Landeskunde und Kulturpflege. Jahrgang 2001. Frankenbund, Würzburg 2001, ISSN0015-9905, S. 356–360 (PDF).
Heinrich Weigel: Der „Wartburg-Poet“ Ludwig Bechstein (1801–1860). In: Wartburg-Jahrbuch. Bd. 10, 2001 (2002), ISSN1617-0059, S. 119–142.
Heinrich Weigel: Ludwig Bechstein in Briefen an Zeitgenossen. Lang, Frankfurt am Main u. a. 2007, ISBN 978-3-631-54270-5.
↑Susanne Schmidt: "Man muss doch jemand haben, gegen den man sich ausspricht": Ludwig Bechsteins Briefe an Dr. Ludwig Storch. Shaker, 2000, ISBN 978-3-8265-7952-3, S.63.
↑Walter Scherf: Die Herausforderung des Dämons: Form u. Funktion grausiger Kindermärchen ; eine volkskundliche und tiefenpsychologische Darstellung der Struktur, Motivik u. Rezeption von 27 untereinander verwandten Erzähltypen. Walter de Gruyter, 2011, ISBN 978-3-11-169305-7, S.194.