Hähnle wurde als Tochter des HallerSalineninspektors Johannes Hähnle (1801–1866) und seiner Ehefrau Karoline Friederike Rettig (1823–1900) aus Balingen geboren. 1871 heiratete sie ihren Cousin, den Fabrikanten und späteren Reichstagsabgeordneten Hans Hähnle, Inhaber der Vereinigten Filzfabriken in Giengen. Im Unternehmen ihres Mannes kümmerte sie sich um soziale Belange. In ihrem ehemaligen Wohnhaus richtete sie eine Krippe für die Kinder der Arbeiter ein.
Am 1. Februar 1899 gründete sie in der StuttgarterLiederhalle den Bund für Vogelschutz[2] und übernahm dessen Vorsitz. Wichtig war ihr dabei, den Verein auf eine breite gesellschaftliche Basis zu stellen. Der Mitgliedsbeitrag wurde auf 50 Pfennig im Jahr festgelegt, um jedermann den Beitritt zu ermöglichen. Mit Hilfe guter Kontakte zu Abgeordneten des Reichstages gelang es ihr, 1908 eine Verschärfung des Reichsvogelschutzgesetzes zu erreichen. Sie erwarb „eine Neckarinsel, um dort den schon seltenen Nachtigallen eine dauernde Brut- und Heimstätte zu bieten“.[3]
Sie nutzte die Verbindungen ihrer großbürgerlichen Herkunft und ihre Beziehungen in die Textilindustrie, um die in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts verbreitete Hutmode mit riesigen Vogelfedern zu bekämpfen, und erreichte, dass Federhüte démodé (unmodern) wurden. Dabei richtete sie ihre Forderungen auch über die Grenzen hinaus an die gehobene Gesellschaft und die Modisten in Frankreich und den USA. US-Präsident Woodrow Wilson trat dem Bund für Vogelschutz bei.
Lina Hähnle entwickelte die noch heute vom Naturschutzbund Deutschland und anderen Verbänden praktizierte Strategie, Lebensräume von Vögeln durch den Ankauf von Landstücken zu bewahren. Das erste private Schutzgebiet Deutschlands wurde der Federsee in Oberschwaben.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten bekundete sie auf einer Mitgliederversammlung des Bundes im November 1933: „Ein sieghaftes 'Heil' auf unseren Volkskanzler, der die Deutschen aus der Verbundenheit mit der Natur heraus gesunden lassen will.“[4] Seit Ende 1933 war sie Mitglied der NS-Frauenschaft.[5] Auch die Satzungsänderung des Verbandes 1934, nach der nur „deutsche Staatsbürger und Menschen artverwandten Blutes“ Mitglieder werden durften und Juden aus dem Verband ausgeschlossen wurden, fiel noch in ihre Amtszeit.[4] Ende 1938 übergab sie den Vorsitz des BfV an den bisherigen Vizepräsidenten Reinhard Wendehorst.
Im Jahr 1940 feierte die Ehrenvorsitzende des Reichsbundes für Vogelschutz ihren 89. Geburtstag „in geistiger und körperlicher Frische“.[6]
Lina Hähnle starb am 1. Februar 1941, zwei Tage vor ihrem 90. Geburtstag.[7]
Der Fraktionssaal der Grünen im baden-württembergischen Landtag trägt ihren Namen. Der NABU vergibt für den besonderen Einsatz für den Naturschutz an Mitglieder die Lina-Hähnle-Medaille.[11]
Die Stadt Sulz enthüllte am 23. Juni 2000 an der Stelle ihres Geburtshauses eine Bronzetafel. Dort stand bis zum Jahr 1972 das Salinengebäude, inzwischen ein Gesundheitszentrum (Bahnhofstraße 5).[12]
Familie
Lina Hähnles Sohn Hermann Hähnle baute nach dem Zweiten Weltkrieg den jetzt „Deutscher Bund für Vogelschutz“ benannten Verein neu auf. Ein weiterer Sohn Lina Hähnles wurde Opfer der NS-Euthanasie.[4] Ihr Sohn Eugen Hähnle (1873–1936) war Jurist und Mitglied des Deutschen Reichstags.
Anna Katharina Wöbse: Lina Hähnle und der Reichsbund für Vogelschutz: Soziale Bewegung im Gleichschritt. In: Joachim Radkau, Frank Uekötter (Hrsg.): Naturschutz und Nationalsozialismus. Frankfurt/New York (Campus Verlag) 2003, S. 324 ff.
↑Naturschutz. In: Oesterreichische Forst-Zeitung / Oesterreichische Forst- und Jagd-Zeitung / Wiener Allgemeine Forst- und Jagd-Zeitung, 10. September 1909, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/ftz
↑ abctaz am 5. März 2016: Andreas Speit: Braune Vogelschützerin, S. 36 (online)
↑Landeshauptstadt Stuttgart Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung Untere Denkmalschutzbehörde (Hrsg.): Liste der Kulturdenkmale. Unbewegliche Bau- und Kunstdenkmale. Stuttgart 25. April 2008, S.120 (www.ags-s.de/pdf/Liste_Denkmaeler_Stuttgart.pdf [PDF]).