Cavani studierte nach dem Besuch des Gymnasiums klassische Literatur und Linguistik an der Universität Bologna. Schon zu dieser Zeit war sie aktiv im dortigen Filmclub tätig. Nach ihrer Promotion ebenda in Linguistik und Altphilologie[1] mit der Monografie La figura di Giovanni Marsiglio Pio e le sue rime in testo critico (1959)[2], betreut durch Raffaele Spongano, ging sie 1960 nach Rom und belegte den Regiekurs an der dortigen Filmakademie.
Cavani inszenierte hier zwei Kurzfilme, Il contro notturno über die Freundschaft zwischen einem Weißen und einem Senegalesen und L'evento über eine Gruppe von Touristen, die aus Spaß einen Italiener umbringt. 1961 gewann sie bei einem Wettbewerb der RAI unter 10.000 Kandidaten einen der drei Preise.
Zwischen 1962 und 1965 arbeitete sie für die RAI und drehte mehrere Dokumentarfilme. Ihr Beitrag Philippe Pétain – Processo a Vichy erhielt 1965 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig eine Auszeichnung als beste Fernsehproduktion.
1966 wechselte sie zum Kino und debütierte mit ihrer Biografie Francesco d’Assisi über Franz von Assisi. Mit diesem Film, laut Cavani ein „Film über den ersten Hippie in der Geschichte“,[3] erregte sie einiges Aufsehen, das sich nach ihrer kirchenkritischen Galilei-Biografie Galileo fortsetzte.
Weltweite Wirkung erzielte 1974 ihr Film Der Nachtportier über die sexuelle Beziehung einer ehemaligen KZ-Insassin zu ihrem SS-Peiniger. Der Skandalfilm wurde nach gerichtlichen Auseinandersetzungen schließlich offiziell zum Kunstwerk erklärt und ohne Schnitte freigegeben. In ihrem nächsten Werk Jenseits von Gut und Böse standen der Philosoph Friedrich Nietzsche und sein Liebesleben im Mittelpunkt. Zu ihrem Film Leidenschaften wählte sie wieder das „Dritte Reich“ als Hintergrund, diesmal für eine lesbische Beziehung. 1989 erschien mit Franziskus ihre zweite Filmbiografie über Franz von Assisi. 2014 drehte sie dann ihre dritte Franziskus-Verfilmung Sein Name war Franziskus.
Alfons Maria Arns: Liliana Cavanis Der Nachtportier. In: Die Ästhetik des Bösen im Film. GEP u. Evangelischer Akademie Arnoldshain (Hg.). Frankfurt am Main 1987, S. 18–25 (Arnoldshainer Filmgespräche, Bd. 4).
Flavio De Bernardinis: Cavani, Liliana. In: Enciclopedia del Cinema, Rom 2003.
Anne-Berenike Binder: „Mon ombre est restée là-bas.“ Literarische und mediale Formen des Erinnerns in Raum und Zeit. (Reihe: Romania Judaica. Studien zur jüdischen Kultur in den romanischen Ländern ISSN1435-098X) Niemeyer, Tübingen 2008 ISBN 978-3-484-57008-5 Über ihren Film „Il portiere di notte“ von 1973 (ferner über Bücher und Filme von Romain Gary, Soazig Aaron, Alain Resnais’ Nacht und Nebel und Charlotte Delbo)