Der Senator Libius Severus, über dessen Herkunft fast nichts bekannt ist, wurde am 7. Juli[3] oder eher am 19. November 461[4] auf Betreiben des HeermeistersRicimer, des eigentlichen Herrschers des Westreiches, nach der Hinrichtung Majorians zum weströmischen Kaiser erhoben. Sowohl der oströmische KaiserLeo als auch die Heermeister in Gallien und Dalmatien, Aegidius und Marcellinus, verweigerten ihm jedoch die Anerkennung.[5] Aegidius schuf sich im nördlichen Gallien ein eigenes Herrschaftsgebiet, während die Vandalen von ihrem Reich in Nordafrika aus wiederholt die Küstengebiete Italiens plünderten. In Südgallien wurde Severus hingegen als Kaiser anerkannt; in Arles wurden Münzen mit seinem Abbild geprägt, und 464 konnte der Kaiser Arvandus als neuen praefectus praetorio per Gallias einsetzen. Unterdessen konnte Ricimer einen alanischen Angriff auf Italien abwehren. Für 464 ernannte Severus (bzw. Ricimer) keinen eigenen Konsul, sondern ließ zu, dass der Ostkaiser Leo gleich zwei Kandidaten benannte, nach denen dann auch im Westen datiert wurde. Wenn dies ein Versuch war, sich an Konstantinopel anzunähern, so war er wohl nicht von Erfolg gekrönt.
Severus war offenbar nie mehr als ein Schattenkaiser, der nicht selbst herrschte, sondern lediglich der Militärregierung unter Ricimer zusätzliche Legitimität verleihen sollte. Spätere Geschichtsschreiber nahmen an, dass Ricimer ihn schließlich vergiftet habe, während ein Zeitgenosse des Kaisers, Sidonius Apollinaris, von einem natürlichen Tod spricht.[6]
Literatur
Henning Börm: Westrom. Von Honorius bis Justinian. Stuttgart 2013, S. 106f.
Dirk Henning: Periclitans res Publica. Kaisertum und Eliten in der Krise des Weströmischen Reiches 454/5-493 n. Chr. Stuttgart 1999, ISBN 3-515-07485-6.
Stewart Irvin Oost: D. N. Libivs Severvs P. F. Avg. In: Classical Philology. Band 65, 1970, S. 228–240.
↑Flavius ist lediglich aus einem 462 datierten ägyptischen Papyrus (Memento vom 25. März 2016 im Internet Archive) erschließbar. Jordanes, Historia Romana 335, hat Severianus statt Severus. Außerdem trug Severus vielleicht zusätzlich zu seinem Namen das Signum Serpentius, dessen Herkunft und Sinngehalt nicht mehr festgestellt werden können. Theophanes, Annus mundi (AM) 5955.
↑Vgl. Dirk Henning: Periclitans res Publica. Kaisertum und Eliten in der Krise des Weströmischen Reiches 454/5-493 n. Chr. Stuttgart 1999, S. 41. In den Fasti Vindobonenses Priores wird als Todesdatum der 15. August 465 genannt: „Herminerico et Basilio. His consulibus defunctus est imp. Severus Rome XVIII kal. Septembris“. Dies ist mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch, da im Namen des Severus noch am 25. September 465 ein Gesetz erlassen wurde; siehe dazu auch Ralf Scharf: Zu einigen Daten der Kaiser Libius Severus und Maiorian. In: Rheinisches Museum für Philologie. Band 139, 1996, S. 180–188, hier S. 188.
↑Theophanes, AM 5955: „καί ἐπήρθη εἰς βασιλέα Σευήρος (ὁ) καί Σερπέντιος νώναις Ίουλίαις“ und auch Victor von Tunnuna, Chronica sub anno 461: „Maiorianus Romae occiditur et Severus imperium non. Iul. sumit“, vielleicht benutzen die beiden Autoren dieselbe Quelle.
↑Fasti Vindobonenses Priores sub anno 461: „et levatus est imp. do. n. Severus XIII kal. Decembr.“ Da Majorian erst Anfang August gestürzt wurde und zudem bekannt ist, dass Ricimer zwischenzeitlich ohne Kaiser agierte, ist dieses Datum deutlich wahrscheinlicher als das frühere.
↑Vgl. Dirk Henning: Periclitans res Publica. Kaisertum und Eliten in der Krise des Weströmischen Reiches 454/5-493 n. Chr. Stuttgart 1999, S. 198. Der Annahme Hennings, das Konsulat des Libius Severus 462 sei im Osten unberücksichtigt geblieben, scheint allerdings der unter Anm. 1 genannte Papyrustext zu widersprechen.