Liber DiurnusLiber diurnus Romanorum pontificum ist die (bereits mittelalterliche) Bezeichnung für eine Sammlung von Formeln der päpstlichen Verwaltung in Rom aus dem frühen Mittelalter. Inhalt und GeschichteDie Sammlung enthält ca. 100 Formeln für die in der Kanzlei üblichen Vorgänge, wie Briefe, Urkunden, Wahl und Inthronisation des Papstes, Amtsantritte von Bischöfen, Gründung von Klöstern und die Weihe von Kirchen, d .h. Dokumente, die alle Bereiche der Kirchenverwaltung betreffen. Die ältesten Formeln könnten noch aus dem späten 5. Jahrhunderts stammen, wobei es über die genaue Datierung geteilte Meinungen gibt. Auch die Art der Verwendung ist umstritten; die erhaltenen Handschriften haben jedenfalls nicht zur Abfassung päpstlicher Schreiben gedient, wie die Forschung früher meinte. HandschriftenDie einzigen erhaltenen Handschriften des Liber diurnus aus dem Mittelalter sind:[1]
Alle drei Handschriften weichen voneinander ab, keine enthält alle Formeln. Es ist anzunehmen, dass es weitere, heute verlorene Abschriften gab. Den sichersten Hinweis auf eine im Vergleich zu den erhaltenen Handschriften jüngere Fassung bietet die Kanones-Sammlung des Kardinals Deusdedit von 1087: Die Sammlung enthält mehrere Formeln aus dem Liber diurnus und verwendet dabei offensichtlich eine verlorene Fassung. Alle Formeln des Liber diurnus, die sich in mittelalterlichen Rechtssammlungen wie dem Decretum Gratiani finden, gehen auf Deusdedits Auszüge zurück. Daneben gibt es neuzeitliche Abschriften, die aber keinen eigenständigen Wert für die mittelalterlichen Fassungen des Liber diurnus haben. Geschichte der TextausgabenDie Geschichte der Textausgaben des Liber diurnus ist kompliziert und von erheblichen Konflikten begleitet, da er eine der wichtigsten Quellen zum sogenannten Honoriusstreit enthält.[2] Mehrere Ausgaben wurden entweder abgebrochen (so die von Francesco Zaccaria) oder ihr Erscheinen verhindert (wie im Falle Holstes). Aus Kirchenrechtssammlungen wie dem Decretum Gratiani wussten Kanonisten seit langem von einem Formelbuch, das in diesen Sammlungen als Liber diurnus bezeichnet wird. Antonio Agustín (1516–1586) scheint danach gesucht zu haben, offenbar aber vergeblich. Um 1641 wurde die heute im Vatikan aufbewahrte Abschrift in Santa Croce von Lukas Holste, dem päpstlichen Bibliothekar, wiederentdeckt. Von den Jesuiten in Paris erhielt Holste zudem Auskünfte über das dortige Exemplar, den Claromontanus. Er ließ seine Ausgabe 1660 drucken, bekam jedoch keine Erlaubnis, sie zu veröffentlichen. Insbesondere die Formel für den päpstlichen Elekten galt an der Kurie als problematisch, da sie die Verurteilung von Papst Honorius I. als Häretiker beinhaltet; Giovanni Bona sprach sich deshalb gegen eine Veröffentlichung aus.[3] Auszüge aus Holstes Ausgabe waren allerdings unter anderem Papebroich, Baluze und Labbe (1607–1667) bekannt. Der Jesuit Jean Garnier, der von Holstes Ausgabe wusste, druckte 1680 den Liber diurnus auf Basis der damals in Paris befindlichen Handschrift C; in der Einleitung verteidigte er dabei ausführlich die Rechtgläubigkeit des Honorius. Die Ausgabe wurde von der Kurie gerügt, aber nicht auf den Index gesetzt.[4] Der Mauriner Jean Mabillon, der den Vatikanischen Codex 1685 heimlich einsehen konnte, veröffentlichte 1687 eine scharfe Kritik an Garniers Ausgabe und führte zahlreiche Fehler auf. Mehrere Ausgaben des 18. und 19. Jahrhunderts basieren auf Garniers Text mit oder ohne Mabillons Verbesserungen, so unter anderem die Ausgabe von Jacques-Paul Migne in seiner Patrologia Latina (PL 105, 21–186). Unter Papst Benedikt XIII. (1724–1730) wurden einige schon 1660 gedruckte, seither unter Verschluss gehaltene Exemplare von Holstes Ausgabe mit einem neuen Titelblatt (mit dem Datum „1658“) versehen; der fehlende Schlussteil wurde aus Garniers Ausgabe ergänzt.[5] Auch der Titel wurde von Garnier übernommen. Im Umfeld des Ersten Vatikanischen Konzils und der sogenannten Honorius-Frage herrschte lebhaftes Interesse am Liber diurnus; mehrere Gelehrte versuchten, Einblick in die einzige damals bekannte Abschrift zu erhalten. Augustin Theiner, der Präfekt der Vatikanischen Archive, gab mehrfach an, der Codex sei nicht auffindbar. Der Rechtshistoriker Eugène de Rozière (1820–1896) aber schaffte es, Garniers Edition mit der Vatikanischen Handschrift vergleichen zu lassen und veröffentlichte auf dieser Basis 1869 seine Ausgabe, die er mit umfangreichen Kommentaren versah. Lord Acton soll geplant haben, die Handschrift in den Wirren bei der Eroberung des Kirchenstaates 1870 zu entführen.[6] Theodor Sickel, der die Handschrift nur durch den Irrtum eines Bibliothekars ausgehändigt bekam, konnte sie abschreiben und erstellte auf Basis der älteren Drucke, seiner Kollationierung mit V und zahlreichen Parallelquellen die bis heute maßgebliche kritische Edition. Unmittelbar nach Erscheinen derselben gab der Bibliothekar der Ambrosiana bekannt, in seiner Bibliothek sei ein weiteres Exemplar zu finden. Hans Foerster legte 1958 eine Ausgabe vor, die alle drei Handschriften (A, C und V) berücksichtigte, aber anders als Sickel weitgehend auf Kommentare und textkritische Anmerkungen verzichtete. Ausgaben
Literatur
Einzelnachweise
Weblinks
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