Levin Ludwig Schücking ist ein Enkel von Levin Schücking und stammte aus der seit Jahrhunderten im Münsterland ansässigen Juristen- und Gelehrtenfamilie Schücking. Er war der Bruder des Politikers und Völkerrechtlers Walther Schücking (1875–1935) und des Husumer Bürgermeisters, Rechtsanwaltes und Schriftstellers Lothar Engelbert Schücking (1873–1943).
Geboren in Burg-Steinfurt als Sohn des Landgerichtsrates Carl Lothar Levin Schücking und seiner Frau Luise Wilhelmine Amalie geb. Beitzke (einer Tochter von Heinrich Ludwig Beitzke) zog die Familie während seiner Kindheit nach Münster um. Dort besuchte er das Gymnasium Paulinum und machte sein Abitur.
Schücking studierte Englische und Romanische Philologie sowie Kunstgeschichte in Freiburg im Breisgau, Berlin, München und Göttingen. 1901 wurde er in Göttingen promoviert. Anschließend folgte ein Studienaufenthalt in England. 1902 kehrte er nach Münster zurück, um sich 1904 in Göttingen für englische Sprache und Literatur zu habilitieren.
Zu dem Freundeskreis dieser Zeit gehörten unter anderem Lulu von Strauß und Torney, Agnes Miegel, Ludwig Finckh, Bernard Wieman und Carl Bulcke. Besonders seine Freundschaft zu Börries von Münchhausen hielt bis zu dessen Tod 1945 an und schloss auch die Familien mit ein. Der lebenslang geführte Briefwechsel wurde von seiner Tochter Beate E. Schücking veröffentlicht.
Schücking erhielt Professuren in Jena ab 1910 und Breslau ab 1916. Rufe nach Graz, Bern und Köln lehnte er ab. Er heiratete am 3. August 1912 Elisabeth Gerke, die Anglistikstudentin bei ihm in Jena gewesen war und hatte mit ihr vier Kinder: Ursula, Beate E., Luise und Adrian.
1925 wurde er, der damals bedeutendste deutsche Anglist, in der Nachfolge Max Försters Professor für englische Sprache und Literatur in Leipzig.
Der Studienführer der Universität Leipzig sagt über ihn:
„Er erwarb sich mit seiner kulturhistorisch-soziologischen Literaturbetrachtung, insbesondere mit dem Buch „Die Soziologie der literarischen Geschmacksbildung (1923)“ internationale Anerkennung. Seine wichtigsten Forschungen widmen sich der altenglischen Literatur, Shakespeare, dessen sämtliche Werke Schücking in seinen ersten Leipziger Jahren publizierte sowie dem Puritanismus in England.“
Levin Ludwig Schücking entwickelte sich zum führenden deutschen Shakespeare-Forscher seiner Zeit. An vielen von ihm publizierten Werken wirkte seine Frau Elisabeth als Übersetzerin mit. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten unterzeichnete Schücking das Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler.
Im Studienführer der Universität Leipzig ist über Schücking während der Zeit des Nationalsozialismus allerdings zu lesen:
„Während der Naziherrschaft war Levin Ludwig Schücking wegen seiner konsequent pazifistischen Haltung zunehmend politischen Repressalien ausgesetzt. Schückings internationaler Anerkennung und dem Protest der Leipziger Philosophischen Fakultät ist es zu verdanken, dass die vom Dresdner Ministerium für Volksbildung 1933 beabsichtigte Entlassung nicht verwirklicht werden konnte. Er wurde jedoch bespitzelt, aus allen Fakultätskommissionen entfernt und nicht mehr zur Abnahme von Staatsprüfungen zugelassen.“
Ohne Pensionszahlungen aus dem in der DDR liegenden Leipzig wurde Schücking 1951 für ein Semester als Ordinarius für Englische Philologie bayerischer Landesbeamter, jedoch bereits 1952 endgültig emeritiert. Er nahm danach noch bis 1957/58 einen Lehrauftrag an der Universität München wahr.
Schriften
1898: Der Sommerkönig. Ein erzählendes Gedicht, Göttingen
1901: Studien über die Stofflichen Beziehungen der englischen Komödie zur italienischen bis Lilly, Halle
1904: Die Grundzüge der Satzverknüpfung im Beowulf, Halle
1905: Beowulfs Rückkehr. Eine kritische Studie, Halle
1908: (Bearb.) Beowulf. Mit ausführlichem Glossar, hrsg. von Moritz Heyne, 8. Aufl., Paderborn
1908: Die vertauschten Schäfer. Schäferspiel, Heidelberg
1908: Shakespeare im literarischen Urteil seiner Zeit, Heidelberg
1909: Balladen und Lieder, Berlin
1915: Untersuchungen zur Bedeutungslehre der angelsächsischen Dichtersprache, Heidelberg
1915: Der englische Volkscharakter, Jena, Stuttgart, Leipzig
1919: Die Charakterprobleme bei Shakespeare. Eine Einführung in das Verständnis des Dramatikers, Leipzig
1923: Die Soziologie der literarischen Geschmacksbildung, München
1927: Grundlinien einer Bibliographie zum Studium der englischen Philologie, Dresden
1927: Die englische Literatur im Mittelalter, Potsdam
1929: Die Familie im Puritanismus. Studien über Familie und Literatur in England im 16., 17. und 18. Jahrhundert, Leipzig, Berlin
1929: Die puritanische Familie in literar-soziologischer Sicht, Bern, München
1931: Zum Problem der Überlieferung des Hamlet-Textes, Leipzig
1931: A Shakespeare-Bibliography, zus. mit Walter Ebisch, Oxford
1932: Deutsches Lesebuch, zus. mit Elisabeth Schücking (= Harrap’s Modern Language Series), London
1933: Heldenstolz und Würde im Angelsächsischen. Mit einem Anhang: Zur Charakterisierungstechnik im Beowulfepos, Leipzig
1935: Der Sinn des Hamlet. Kunstwerk, Handlung, Überlieferung, Leipzig
1938: The baroque character of the Elizabethan tragic hero. Annual Shakespeare lecture of the British Academy 1938, London
1940: (Hrsg.) Francis Bacon Essays, Leipzig
1941: (Hrsg.) Annette von Droste in ihren Briefen (=Insel-Bücherei 312), Leipzig
1942: (Hrsg.) Levin Schücking, Annette von Droste. Ein Lebensbild, Stuttgart
1947: Shakespeare und der Tragödienstil seiner Zeit, Bern
1948: Essays über Shakespeare, Pepys, Rossette, Shaw und anderes, Wiesbaden
1948: Plaudereien mit Lothar Engelbert, Bamberg
1954: Gullivers Reise zu den guten Pferden, geschmacksgeschichtlich betrachtet, München
1956: Englische Gedichte aus sieben Jahrhunderten, Leipzig
1963: Zur Verfasserschaft der Spanish Tragedy, München
1964: Die puritanische Familie in literar-soziologischer Sicht, Bern
2008: Selbstbildnis und dichterisches Schaffen, Bielefeld (aus dem Nachlass herausgegeben)
Beate E. Schücking (Hrsg.): „Deine Augen über jedem Verse, den ich schrieb.“ Levin Ludwig Schücking – Börries von Münchhausen, Briefwechsel 1897–1945, Oldenburg, Igel-Verlag Literatur. 2001. ISBN 3-89621-127-7
Studienführer der Universität Leipzig, Vierte Auflage, Stand 2002
Ulf Morgenstern: Anglistik an der Universität Leipzig. Das Englische Seminar in Kaiserreich, Weimarer Republik und Drittem Reich, Leipzig, Evangelische Verlagsanstalt. 2006. ISBN 3-374-02356-8
Ulf Morgenstern: Bürgergeist und Familientradition. Die liberale Gelehrtenfamilie Schücking im 19. und 20. Jahrhundert, Schöningh, Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-77353-1.
Levin Ludwig Schücking: Selbstbildnis und dichterisches Schaffen. Aus dem Nachlass herausgegeben und kommentiert von Ulf Morgenstern (Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen Band 29), Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89528-690-2