Lele (tschadische Sprache)Das Lele, Selbstbezeichnung lèlé, ist eine in der Nähe der Stadt Kélo im Tschad gesprochene Sprache. Sie gehört zum östlichen Zweig der tschadischen Sprachen. LautsystemKonsonantenDas Lele unterscheidet folgende Konsonanten:
Dazu kommen h, s, w, y, r und l. Die Labiovelare kommen nur selten vor. Es gibt keine Konsonantengruppen am Silbenanfang oder -ende, wenn man die in der Tabelle vertretenen Laute als einfache Konsonanten ansieht (ein Wort wie ŋgbògòm „kalt“ ist daher möglich). VokaleDas Lele besitzt fünf Vokale: a, e, i, o, u. Diese können gelegentlich auch lang vorkommen im Gegensatz zu den Konsonanten, die nicht als Längen vorkommen. Gelegentlich, und zwar meist in der Nachbarschaft von y, findet man Nasalvokale (z. B. gũ´yé „Spinne“). Vermutlich ist dies als Realisierung eines Konsonanten -ny- zu verstehen (also in diesem Beispiel eigentlich gúnyé), der in der Stellung zwischen Vokalen eine reduzierte Aussprache annimmt. TonDas Lele ist eine Tonsprache mit vermutlich drei Registern, die hier durch Akzentzeichen dargestellt werden: hoch (á), mittel (ā), tief (à). Die Angaben über Töne in der Grammatik von Frajzyngier weisen zahlreiche Widersprüche auf. Das Tonsystem muss als noch nicht vollständig analysiert angesehen werden. Personal- und PossessivpronominaDie Personalpronomina des Lele machen einen Geschlechtsunterschied in der 2. Pers. sg. und der 3. Pers. sg. und unterscheiden drei verschiedene Formen, die unserem „wir“ entsprechen.
Durch die Pünktchen bei den Subjekts- und Objektspronomina wird angedeutet, ob das Pronomen vor oder nach dem Verb steht. Die selbständigen Pronomina verwendet man bei Betonung oder als Prädikat im Nominalsatz, z. B.:
Die Subjektspronomina der 3. Person erfordern, dass die betreffende Person vorher erwähnt wurde. Wenn sie nicht erwähnt wurde, sondern auf sie gezeigt wird („er da“), müssen die selbständigen Pronomina stehen, die wie Substantive konstruiert werden. SubstantivGeschlechtDas Lele besitzt ein grammatisches Geschlecht, das sich jedoch im Abbau befindet. Bei Personenbezeichnungen stimmt das Geschlecht mit dem natürlichen Geschlecht überein. Sachbezeichnungen werden grammatisch meist als Maskulina behandelt. Eine geringere Zahl von Begriffen wird als Feminina behandelt, wobei der Sprachgebrauch schwankend sein kann (Beispiele für Feminina sind: tùwà „Sonne“, ɗīglē „Jahr“, tídí „Vogel“). Ein Teil der Substantive besitzt Präfixe, die mit dem Geschlecht zusammenhängen, nämlich k- für Maskulina und Plurale, t- für Feminina. Diese Präfixe sind nicht abtrennbar und gehören zum Wort. Die Präfixe werden durch folgende Reihe gut demonstriert:
PluralNur einige Substantive, und zwar vor allem solche für Lebewesen, bilden eine Pluralform. Wenn eine Pluralform existiert, ist sie recht unregelmäßig. Typische Mittel der Pluralbildung sind: Pluralendung:
Vokalablaut:
Präfixwechsel:
ganz unregelmäßig:
PossessionWie viele andere tschadische Sprachen macht das Lele einen grammatischen Unterschied zwischen inalienabler Possession (vor allem von Körperteilen und Verwandten) und alienabler Possession (vor allem von Dingen). Inalienable PossessionBei inalienabler Possession gebraucht man grundsätzlich Possessivsuffixe am Substantiv. Die Formen sind nicht immer komplett vorhersagbar. Die folgende Tabelle gibt jedoch einen Anhalt:
Diese Suffixe haben keinen inhärenten Ton, sondern ihr Ton ist meist mit dem Ton der vorangehenden Silbe identisch. Bei pluralischem Possessor werden die Suffixe meist nicht direkt an das Substantiv angehängt, sondern an ein Stützelement dí-/dú-, wodurch die nachfolgenden Formen entstehen:
Beispiele:
Im Einzelfall ist aber doch ein Suffix -ge der 3. Pers. Plural direkt am Substantiv belegt:
Substantiv mit PossessivsuffixDie folgende Tabelle zeigt für einige Substantive, wie sie mit Possessivsuffixen verbunden werden. Beachtenswert ist, dass die Suffixe häufig einen Ablaut des Stammvokals hervorrufen. Nur der Stammvokal -a- ist immer stabil und wird nicht vom Ablaut betroffen.
Inalienable Possession mit nominalem PossessorIst der Possessor nominal, so wird trotzdem ein Possessivsuffix benutzt und der Possessor vor die gesamte Gruppe gestellt:
Alienable PossessionBei alienabler Possession wird dem Possessum ein Possessivpronomen nachgestellt, das aus der Verbindung eines Stammes k- mit den Possessivsuffixen besteht. Die genauen Formen des Possessivpronomens sind oben im Abschnitt „Personal- und Possessivpronomina“ aufgeführt. Der Anlaut k- wird durch t- ersetzt, wenn das Bezugssubstantiv ein Femininum ist:
Manche Substantive können sowohl alienabel als auch inalienabel konstruiert werden, wodurch sich ein Bedeutungsunterschied ergibt:
Bei alienabler Possession mit nominalem Possessor verwendet man die Konstruktion Possessum – Possessor – Possessivpronomen:
Häufig wird bei alienabler Possession das Relativpronomen gō eingefügt, wodurch sich eine „spezifische“ Lesart ergibt:
Die alienable und die inalienable Possession können geschachtelt werden, wodurch relativ komplizierte Konstruktionen entstehen können: kōlō yé-y kò-rò tūmādū gō làmndá bā-y kè-y Bestimmter ArtikelDas Lele besitzt einen bestimmten Artikel, dessen Funktion allerdings der des deutschen bestimmten Artikels nicht genau entspricht. Der Artikel hat folgende Form:
Beispiele:
Wenn eine Possessivverbindung definit ist, wird der Artikel nur einmal gesetzt, und zwar beim Possessor, der – wie oben dargestellt – je nach Konstruktion an erster oder zweiter Stelle stehen kann: tòrò kònōŋ-gōŋ túgú póì kúsígē-ŋ kèy bāyndí-ŋ tērēn-dī DemonstrativumÜbliche Demonstrativpronomina sind:
Sie stehen nach dem Substantiv:
VerbDas Verb bildet nur vier Formen: Aorist, Verbalnomen, Futur, Imperativ. Den Aorist kann man als Grundform des Verbs annehmen. AoristDer Aorist endet grundsätzlich auf -i. Wenn der Stamm auf ein einzelnes l, m, n oder b endet (das sind genau diejenigen Konsonanten, die im Lele am Wortende zulässig sind), fällt dieses -i ab. Der Aorist entspricht funktional einem deutschen Präsens oder Präteritum. VerbalnomenDas Verbalnomen endet auf -e. Dieses bleibt auch nach l, m, n und b erhalten. FuturDie Form des Futurs ist identisch mit der des Verbalnomens, jedoch wird die erste Silbe des Wortes hochtonig. ImperativDer Imperativ wird aus dem Aorist durch Vokalwechsel gebildet. Ausgehend vom Stammvokal des Aorists kann man den Stammvokal sowie den Endvokal des Imperativs anhand folgender Tabelle vorhersagen:
Stämme mit -u- im Aorist kommen nicht vor. Die Imperativendung -u fällt nach denselben Regeln ab wie die Endung -i des Aorists. Die Imperativendung -a ist hingegen stabil. Der reine Imperativ bezeichnet einen Befehl an eine 2. Person sg. Andere Befehls- bzw. Wunschformen kann man durch Hinzusetzen von Pronomina bilden. Dabei steht das Pronomen der 1./2. Pers. pl. nach dem Verb, das Pronomen der 3. Pers. vor dem Verb, die Wortstellung ist also genau umgekehrt als bei den anderen Verbformen:
kīyā dí à jè TonVerben beginnen normalerweise mit Mittel- oder Tiefton, nicht mit Hochton. Der Aorist, das Verbalnomen und der Imperativ desselben Verbs haben den gleichen Tonverlauf. Nur das Futur unterscheidet sich durch seinen Hochton auf der ersten Silbe. StammformenEs folgen die Stammformen einiger repräsentativer Verben:
PluralstammEinige Verben bilden einen Pluralstamm, der entweder eine wiederholte Handlung, ein pluralisches Subjekt (bei intransitiven Verben) oder ein pluralisches Objekt (bei transitiven Verben) zum Ausdruck bringt. Die Formen sind ziemlich unregelmäßig. Typische Mittel sind ein Suffix -wi oder Stimmloswerdung des Anlautkonsonanten, wobei dann ein Tiefton der ersten Silbe zu einem Mittelton angehoben wird. Beispiele:
Objektssuffixe nach „geben“An Verben können Objektspronomina angehängt werden, ohne dass der Verbalstamm dadurch verändert würde. Beispiele finden sich unten im Abschnitt „Wortstellung im Verbalsatz“. Das Verb bè „geben“ jedoch bildet mit den Objektspronomina, die dann dativischen Sinn haben, besondere Formen, bei denen der Stammvokal sich den Endungen angleicht:
Subjektssuffixe folgen dem gesamten Komplex:
DativDer pronominale Dativ nach bè „geben“ wird durch die soeben besprochenen Objektssuffixe ausgedrückt. Der nominale Dativ nach „geben“ steht ohne besondere Markierung:
Auch einzelne andere Verben wie ār „zu essen geben“ lassen die Konstruktion mit einem unmarkierten, dativisch zu verstehenden Nomen zu. Bei den meisten Verben kann aber nicht einfach ein Nomen in dativischer Bedeutung hinzutreten. Vielmehr muss hier eine Konstruktion mit dem Verb „geben“ gebildet werden, dessen Bedeutung dann in Richtung einer Dativpräposition verblasst:
yàá kōlō-ŋ bé kùrmbàlō ŋ kílè béy kùlbá kònòŋ cáání Präpositionen, Adverbiale AusdrückeEine häufige Präposition ist ná „mit“, die auch als Entsprechung unseres Verbs „haben“ verwendet wird:
Bei einem pronominalen Subjekt der 3. Person muss ná doppelt stehen:
Wenn das Komplement von „mit“ ein Pronomen ist, wird eine Stammvariante ín-/ún- mit einem Pronominalsuffix verbunden:
Insgesamt spielen aber Präpositionen im Lele eine geringere Rolle als im Deutschen, weil in einfachen Fällen wie der Verbindung eines Bewegungsverbs mit einer Ortsbezeichnung gar keine Präposition erforderlich ist: è-gé túgú ŋ sē bòŋgór gī kín túgr-úm Wenn das Komplement keine Ortsbezeichnung ist, folgt das Element nī, das aus ihm gewissermaßen eine Ortsbezeichnung macht: dùgì-dí kāmā nī Es steht aber auch eine lokale Präposition dà „in“ zur Verfügung: dà dēbrēŋ dà kāmā kìb-ìy nī Durch Zuhilfenahme von Körperteilbezeichnungen können komplexere Relationen zum Ausdruck gebracht werden. Auch nach den Körperteilbegriffen muss, da sie keinen inhärent lokalen Sinn haben, nī stehen: sùgyá cà-y nī kūl kàrgà-y nī tāmá-nīŋ kàrgà-rò nī SyntaxWortstellung im VerbalsatzWenn das Subjekt pronominal ist, so steht es in der 1. und 2. Person vor dem Verb, in der 3. Person jedoch hinter dem Verb. Das unpersönliche gē „man“ steht vor dem Verb:
Wenn das Subjekt nominal ist, steht es vor dem Verb. Normalerweise ist dann kein zusätzliches Subjektspronomen erforderlich: bìsí-ŋ gír gìlkínín è kàsùgú Es kommen aber auch Sätze vor, in denen zusätzlich ein Subjektssuffix auftritt: bāyŋdí-ŋ yàá dí Das Objekt steht hinter dem Verb:
Wenn das Subjekt ein Pronomen der 3. Person ist und daher ebenfalls hinter dem Verb steht, so gilt folgende Reihenfolge: Verb – Objekt der 1./2. Person – Subjekt der 3. Person – Objekt der 3. Person. Beispiele:
Ein nominales Objekt steht grundsätzlich hinter Subjekt und Verb, auch bei pronominalem Subjekt der 3. Person:
NichtverbalsatzWenn ein Nomen das Prädikat bildet, steht eine Kopula nè. Diese kann mit einem Subjektspronomen der ersten oder zweiten Person, nicht aber der dritten Person verbunden werden: gī nè ɓén-íŋ nè ɓén-íŋ nè kíyà kíyà nè kōn-dī kòlbé-ŋ nè kàŋgà Ein adverbiales Prädikat steht ohne Kopula: cànìgé dà dēbrēŋ NegationAlle Arten von Sätzen können durch ɗé „nicht“ am Satzende negiert werden:
FrageAlle Arten von Fragesätzen haben am Satzende eine Partikel gà, vor der ein Tiefton zu einem Mittelton angehoben wird (während ein Mittelton unverändert bleibt).
Das gilt auch für Fragen mit einem Fragewort. Das Fragewort steht grundsätzlich an seiner normalen syntaktischen Position und nicht am Satzanfang: nè wéy gà nè wéy tāmã´-y gà gī gōl wéy gà nè dú kàrè bé wéy gà mē è mínā gà Alternativ können Fragen aber auch als Fokuskonstruktion mit der Fokuspartikel bā formuliert werden, wodurch das Fragewort an den Satzanfang rückt: wéy bā é gà mē bā gōl dí gà RelativsatzRelativsätze werden durch ein Relativpronomen eingeleitet. Dieses lautet meist gō, nach femininem Bezugswort aber optional auch dō. kàrà gō ná kōlbé tāmá dō tēy dū bāyndí-ŋ gō ŋ bè-y kòjò kōnōŋ WortschatzEinige Elemente aus dem Grundwortschatz:
LiteraturZygmunt Frajzyngier, A grammar of Lele, Stanford 2001 Anmerkungen
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