Lazar von HellenbachLazar Freiherr von Hellenbach, auch Lazar Baron von Hellenbach und Lazar Freiherr Hellenbach von Paczolay (* 3. September 1827 auf Schloss Páczolaj im Komitat Neutra; † 24. Oktober 1887 in Nizza) war ein österreichischer Politiker, philosophischer und sozialpolitischer Schriftsteller und einer der bekanntesten Okkultisten seiner Zeit. Seine Werke gelten als erster durchdachter Versuch, eine Philosophie auf der Grundlage parapsychologischer Beobachtungen zu entwickeln. HerkunftDie Familie Hellenbach hieß ursprünglich Czech und stammte aus der Slowakei. Sie wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts erstmals erwähnt. Die Brüder Daniel und Jeremias Czech wurden 1643 in den österreichischen Reichsritterstand erhoben. 1651 erhielt die Familie das Prädikat Hellenbach, das zum Geschlechtsnamen wurde und 1702 den Reichsfreiherrenstand. Lazar war der einzige überlebende Sohn von Wilhelm von Hellenbach aus dessen Ehe mit der kroatischen Adeligen Marija Adamivić Čepinska. Wilhelm leitete ein Privatorchester, mit dem er ausgedehnte Konzertreisen unternahm. Seine Frau lebte überwiegend in Wien, wo Lazar von Hellenbach auch aufwuchs. LebenBereits 1842 begann Hellenbach ein Studium der Rechte und Kameralwissenschaft in Prag, das er 1846 abschloss. Er beschäftigte sich außerdem mit Philosophie, Naturwissenschaften und klassischer Literatur. 1848 diente er als Leutnant in einem ungarischen Regiment. Anschließend verkaufte er das Gut Paczolay und zog auf das Gut Sveta Jelena der Familie seiner Mutter in Kroatien. 1851 übernahm er die Verwaltung dieses Gutes und heiratete Klotilde Jelačić. Dadurch kam er in den Besitz eines Schlosses bei Marija Bistrica, das sich bis heute in Familienbesitz befindet und als „Schloss Hellenbach“ bekannt ist. Zwischen 1860 und 1867 saß Hellenbach im kroatischen Landtag, wo er sich als gemäßigter Unionist und Liberaler für die Vereinigung mit Ungarn einsetzte. Enttäuscht vom kroatisch-ungarischen Ausgleich zog er sich 1868 aus der Politik zurück. Seit 1869 lebte er in Wien und widmete sich als Privatgelehrter seinen wissenschaftlichen Studien und Publikationen. Als unermüdlicher Publizist verfasste Hellenbach eine Reihe von Artikeln, Broschüren und Bücher zu wirtschaftlichen, politischen, sozialen und philosophischen Fragen. 1885 kehrte er nach Kroatien zurück. Seine letzten Essays erschienen in der theosophischen Zeitschrift Sphinx. Hellenbach starb 1887 in Nizza angeblich an einem Hirnschlag. Seiner Enkelin Helena Hellenbach jedoch zufolge nahm er sich das Leben, nachdem er im Vertrauen auf sein sicheres Zahlensystem im Casino von Monte Carlo sein Vermögen verspielt hatte.[1] PhilosophieNach Ansicht der Philosophin Olga Plümacher war Hellenbach ein regelrechter Schopenhauerianer.[2] Er übernahm dessen dynamische Auffassung der Materie und grenzte Seele und Bewusstsein stark voneinander ab. Letzteres betrachtete er als Hirnfunktion, die mit dem Tod sterbe. Der Seele sprach er hingegen transzendentale Eigenschaften zu, die sie den physischen Tod des Menschen überleben lasse.
– Lazar B. Hellenbach: Eine Philosophie des gesunden Menschenverstandes, S. 268. Als Beleg seiner Auffassung führte Hellenbach die Existenz spiritistischer Phänomene an. Er entwickelte eine Theorie, wonach die Seele ein „Metaorganismus“ zwischen physischem Leib und geistigem Ich sei, der in einer vier- oder nulldimensionalen Sphäre unsterblich sei und sich auf Grund der Erlebnisse in seiner Verkörperung entwickele. Geburt und Tod schienen ihm lediglich Wechsel der Anschauungsform zu sein. Die Lehre von einer „vierten Dimension“ des Raumes hatte Hellenbach von dem Astrophysiker Karl Friedrich Zöllner übernommen, mit dem er befreundet war. Er erklärte damit paranormale Fähigkeiten und Erscheinungen wie Hellsehen, Telepathie oder Gedankenübertragung. Mit seiner Philosophie beeinflusste er vor allem Carl du Prel, der von ihm die Vorstellung eines „transzendentalen Subjekts“ übernahm. Aus der transzendentalen Natur des Menschen leitete Hellenbach wiederum seine Ethik ab. Politisch sympathisierte Hellenbach mit liberalen und sozialistischen Vorstellungen. Er bekannte sich selbst zu einem „Socialismus der 'Zukunft'“, der aber weder von unten noch von oben oktroyiert werden dürfe.[3] In seiner Novelle Die Insel Mellonta schilderte er im Stile Jules Vernes und orientiert an den Utopien Charles Fouriers eine vorurteilsfreie Gesellschaft. 1883 veröffentlichte er eine Replik auf Eugen Dührings Werk Die Judenfrage (1881). Hellenbach kritisierte dabei den Antisemitismus, indem er angebliche jüdische Eigenschaften durch die Umstände erklärte, unter denen Juden leben müssten. Gleichzeitig, darauf weist Ulrich E. Bach hin, nahm er damit antisemitische Stereotype als Tatsachen an und charakterisierte beispielsweise Juden als nomadische Außenseiter.[4] Auf Grund malthusianischer und sozialdarwinistischer Überlegungen sprach sich Hellenbach außerdem unter bestimmten Umständen für Euthanasie aus, um Überbevölkerung zu verhindern.[5]
– L. B. Hellenbach: Die Vorurtheile der Menschheit, Bd. 1, 3. Auflage. S. 151 f. Hellenbach wird deshalb ambivalent beurteilt. Udo Benzenhöfer sieht in Hellenbachs Plädoyer für die Freigabe der Tötung unheilbar Kranker auf Verlangen einen Einfluss auf Adolf Jost und dessen Schrift Das Recht auf den Tod (1895).[6] Helmut Zander gilt Hellenbach als Beispiel dafür, dass „der“ Okkultismus nicht ohne weiteres mit völkischen Vorstellungen identifiziert werden sollte. Hellenbach sei politisch eher auf der Seite des Sozialismus zu finden.[7] SpiritismusHellenbach war einer der prominentesten österreichischen Spiritisten seiner Zeit und setzte sich in zahlreichen philosophischen Schriften mit okkulten Phänomenen auseinander. Er vertrat dabei eine wissenschaftlich-empirische Herangehensweise im Sinne eines Allan Kardec. Seine erste Erfahrung mit einem Medium, die ihn nachhaltig beeindruckte, machte Hellenbach 1857. Er bediente sich in den folgenden Jahren zweier Frauen als Medien und kommunizierte dabei angeblich auch mit Schopenhauer. In den folgenden Jahrzehnten arbeitete Hellenbach mit und berichtete über einige der bekanntesten Medien des 19. Jahrhunderts, darunter die Baroness Adelma von Vay und Lottie Fowler. Er lud Henry Slade, Carl Hansen, William Eglinton und Harry Bastian nach Wien ein und verteidigte sie gegen Betrugsvorwürfe. Bei seinen eigenen Experimenten beobachtete er bewegte und schwebende Gegenstände, Geistererscheinungen und Levitationen. Besonderes Aufsehen erregten aber Séancen, die Hellenbach im Februar 1884 auf Anregung des Kronprinzen Rudolf und des Erzherzogs Johann Nepomuk Salvator am Hof mit dem Medium Bastian abgehalten hatte. Die beiden Habsburger hatten sich die Entlarvung des Mediums vorgenommen. Nachdem sie während zweier Séancen nichts unternommen hatten, um das Medium in Sicherheit zu wiegen, konstruierten sie für die dritte eine „Geisterfalle“. Dazu ließen sie die Flügeltür zwischen dem Zuschauerraum und dem Raum, in welchem sich das Medium aufhielt, mit einem Schnappmechanismus verschließbar machen. Damit fingen sie das Medium bei dem Versuch, eine Geistererscheinung darzustellen. Hellenbach verteidigte sein Medium dennoch mit dem Hinweis, dieses befinde sich in Trance und habe zuvor zweifellos Geister materialisiert.[8] Schriften
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
|