Eine deutsche Übersetzung des Librettos erschien 1753 und 1766 in Augsburg als Sprechdrama mit dem Namen Die heldenmüthige Judith, oder das errettete Bethulien in der Geistlichen Schaubühne des Ulmer Augustiners Peter Obladen.[Digitalisat 2]
In einer Rede versucht Ozía, dem Volk im belagerten Betulia Mut zu machen. Die Israelitin Amital jedoch zweifelt an der Möglichkeit einer Rettung. Die eigenen Soldaten seien völlig ausgehungert und die befreundeten Nachbarvölker wurden bereits unterworfen. Auch Gott selbst habe sich offensichtlich gegen sie gewandt. Der Volkshauptmann Cabri berichtet vom Chaos in der Stadt und der Mutlosigkeit der Einwohner. Ozía erinnert jedoch an die früheren Wohltaten Gottes. Für ihn ist es bereits ein gutes Zeichen, dass Holofernes die Stadt noch nicht gestürmt hat. Amital wirft Ozía vor, keinen Frieden mit den Assyrern geschlossen zu haben. Selbst wenn diese keine Gnade zeigen sollten, wäre ein Tod durch das Schwert besser als qualvoll zu verdursten. Man solle endlich aufgeben und die Stadttore öffnen.
Das Volk erhebt sich, um aus der Stadt zu fliehen. Ozía gelingt es, sie noch um fünf weitere Tage zu vertrösten. Gemeinsam mit dem Volk bittet er Gott, bei der Bestrafung ihrer Sünden Barmherzigkeit zu üben, damit die Heiden nicht denken, er habe sie im Stich gelassen. In diesem Moment nähert sich die fromme Witwe Judit, die seit dem Tode ihres Mannes vor vier Jahren in Abgeschiedenheit gelebt hatte.
Judit ist entsetzt über den Beschluss, den Feinden nach Ablauf von fünf Tagen die Stadttore zu öffnen und beschuldigt die anderen, das rechte Maß zwischen Furcht und Hoffnung verloren zu haben. Beeindruckt von ihrer Rede fordert Ozía sie auf, die Führung zu übernehmen. Judit rät, auf Gott zu vertrauen und die Drangsale geduldig zu ertragen. Gott wolle sein Volk nicht unterdrücken, sondern lediglich seine Treue prüfen, wie er es bereits bei Abraham, Isaak, Jakob und Mose getan habe. Sie erzählt, dass Gott ihr einen Plan eingegeben habe und bittet die anderen, sie durch ihr Gebet zu unterstützen.
Carmi, ein anderer Volkshauptmann, bringt den gefangenen Fürsten der Ammoniter, Achior, den die Feinde in der Nähe der Stadt an einen Baum gefesselt zurückgelassen hatten. Holofernes hatte von ihm Aufklärung über den Grund für die Hartnäckigkeit der Israeliten verlangt. Er hatte ihm daraufhin die Geschichte des Volks erzählt und sie mit dem Hinweis darauf beendet, dass Gott selbst für sie streiten werde, sofern sie ihm getreu geblieben seien. Nur falls sie ihm untreu geworden sein sollten, hätten ihre Gegner eine Chance auf den Sieg. Holofernes habe ihn daraufhin zornig nach Betulia geschickt, damit er das Schicksal der Einwohner teilen solle. Ozìa verspricht Achior seine Freundschaft und lässt ihn in sein Haus führen. Auch Amital, Carmi und Cabri gehen.
Judit kehrt zurück. Sie hat ihre Trauerkleidung durch prächtige Gewänder ersetzt und sich sorgfältig geschmückt. Sie bittet Ozía, die Tore zu öffnen, damit sie die Stadt in Begleitung ihrer Magd verlassen könne. Im Schlusschor des ersten Teils staunen die Einwohner Betulias über ihren Mut.
Zweiter Teil
Ozía führt einen theologischen Disput mit Achior. Dieser hat bereits angekündigt, den jüdischen Gott verehren zu wollen. Er möchte aber nicht von den Göttern seines eigenen Volkes lassen. Ozía erklärt ihm, dass dies nicht möglich sei, da es nur einen einzigen Gott gebe. Er beweist ihm das mit Mitteln der Vernunft: Wenn es mehrere Götter geben würde, wäre jedem einzelnen von ihnen Grenzen gesetzt. Sie wären nicht mehr allmächtig und seien somit auch keine Götter. Der einige Gott der Israeliten dagegen sei mit dem Verstand nicht zu begreifen, da er niemandem unterworfen sei und keinen Einschränkungen unterliege. Gott sei in allem, und man könne ihn am besten im eigenen Herzen finden. Achiors Zweifel sind jedoch noch nicht vollständig überwunden.
Amital fragt Ozía nach dem Grund für die ungewöhnliche Ruhe, die in Betulia eingekehrt ist. Sie vergleicht sie mit der Ruhe vor einem Sturm und glaubt nicht an eine Rettung durch Judit.
Judit kehrt in die Stadt zurück und ruft die Einwohner auf, Gott zu preisen, da er durch ihre Hand gesiegt habe. Nachdem sie Betulia verlassen habe, sei sie von den feindlichen Kundschaftern festgenommen und Holofernes vorgeführt worden. Sie habe ihm einen Teil ihrer Geschichte erzählt und sei daraufhin zu einem festlichen Mahl geladen worden, bei dem sich Holofernes betrunken habe. Schließlich sei sie allein mit ihm zurückgeblieben. Nachdem er eingeschlafen war, habe sie ein Gebet gesprochen, sein Schwert ergriffen und ihm den Kopf abgeschlagen. Sie habe dann sein Haupt in einen Vorhang eingewickelt und ihrer Magd übergeben. Anschließend seien sie unbehelligt nach Betulia zurückgekehrt. Achior erkennt das Haupt des Holofernes. Nach einem ersten Schreck ist er nun vollständig überzeugt von der Wahrheit des israelitischen Glaubens. Auch Amital gesteht ihre Schuld ein und bereut ihr fehlendes Vertrauen.
Cabri meldet, dass die Feinde inzwischen vollständig besiegt seien. Die Israeliten hatten einen Angriff vorgetäuscht, worauf die Assyrer zum Zelt Holofernes’ liefen und seinen Leichnam gefunden hatten. Daraufhin seien sie geflohen und hätten sich in der Verwirrung gegenseitig getötet. Alle preisen die Tat Judits. Diese jedoch meint, lediglich als Werkzeug Gottes gehandelt zu haben. Daher gebühre ihm allein der Ruhm. Im Schlusschor greift das gesamte Volk dies in einem Lobpreis Gottes auf.
Geschichte
Das Libretto ist eine Antwort Metastasios auf die dramatische außenpolitische Situation von 1733/34. Während des Polnischen Thronfolgekriegs drang das Heer Karl Emanuels III. von Savoyen aus in die Lombardei und Mailand ein und besiegte das österreichische Heer u. a. bei Parma. Unter diesen Eindrücken wich Metastasio im Thema seines neuen Oratoriums von seinen früheren Werken ab. Statt wie sonst das Dilemma zwischen Pflicht und Wollen zu thematisieren, versuchte er, die Zuhörer an die Seite des Herrschers zu stellen und erinnerte an die erfolgreich abgewendete Türkenbelagerung von 1683, den Sieg bei Petrovaradin 1716 und die Belagerung und Eroberung Belgrads durch Prinz Eugen 1717.[3] Um die Bevölkerung aufzurichten, wird die Furcht im Libretto noch stärker getadelt als in der biblischen Vorlage.[4]
Gestaltung
Die sieben Wiener Oratorien Metastasios stehen in der Nachfolge derjenigen seines Amtsvorgängers Apostolo Zeno. Einfachheit und Klarheit im Aufbau sind vorherrschend. Metastasio verzichtete innerhalb der Handlung auf göttliche und allegorische Personen und hielt sich an die drei Aristotelischen Einheiten von Raum, Zeit und Handlung. Daher werden viele Passagen nur rückblickend erzählt. Seine theologischen Interpretationen halten sich streng an die exegetischen Vorgaben der Kirche. An vielen Stellen gab er Belege in Form von Bibelstellen und Zitaten aus Schriften von Kirchenlehrern an. Wie in seinen Opernlibretti wird die Handlung in Rezitativen dargestellt, die in Da-Capo-Arien münden. Ensemblestücke und Chöre werden nur sparsam eingesetzt.[5]
Der philosophische Diskurs zwischen Ozía und Achior am Anfang des zweiten Teils hat eine zentrale Bedeutung.[6] Er entspricht dem Anliegen der Aufklärung, die Menschen durch Vernunft zum „Licht“ der Erkenntnis zu führen. Metastasio vermittelt hier zwischen dem Christentum und dem Rationalismus. Trotz der Erbsünde ist es dem Menschen möglich, Gott mit Hilfe der Vernunft zu erkennen. Dennoch ist eine wahre Umkehr nur mit Hilfe der göttlichen Gnade möglich.[4]
Im Vergleich zur biblischen Vorlage wertete Metastasio einige Nebenfiguren auf. Ozía steht für die „theologische Stimme des Oratoriums“ und übernimmt die Rolle des Priesters Eljakim. Achior ist der „vernunftbegabte Heide“, der es verdient, zum rechten Glauben bekehrt zu werden. Achior steht somit im Gegensatz zu Holofernes. Der theologische Diskurs der beiden stammt nicht aus der biblischen Vorlage. Cabri spricht für das Volk und die von Metastasio hinzugedichtete Amital für die verzweifelten Mütter und das mangelnde Gottvertrauen. Ihre Einkehr am Schluss hat Vorbildwirkung.[7]
Der philosophische Gottesbeweis im Dialog zwischen Ozía und Achior verschaffte Metastasio den Ehrentitel „Il poeta filosofo“ („der philosophische Dichter“).[8] In späteren Bearbeitungen wurden jedoch häufig gerade die philosophisch-theologisch bestimmten Textpassagen gekürzt (z. B. bei Jommelli, Holzbauer oder Anfossi). Ähnliches gilt für einige neuzeitliche Aufführungen von Mozarts ursprünglich vollständig vertonter Fassung.[9]
„dramma sacro“; Die Partie des Carmi wurde entfernt und dessen Verse auf Amital, Cabri und Ozía verteilt; revidiert am 30. März 1754 in der Hofkapelle München; zu den Fastenzeiten 1760 und 1775 in München; 1762 in Baden
gekürzte Fassung des Librettos; auch 1743 in Rom; im März 1750 in der Congregazione di San Filippo Neri in Bologna; 1757 in Castel San Pietro; am 25. Februar 1768 im King’s Theatre am Haymarket in London; 1785 in Venedig
2003 Aufführung eines Querschnitts im Alten Dom zu Linz und CD mit dem Ensemble NovAntique Linz unter der Leitung von Mario Aschauer. Solisten: Illich, Scheibelreiter, Rath, Gruber, Sawabu, Helm.[77]
2004: CD mit dem Barockorchester Das Kleine Konzert und der Rheinischen Kantorei Dormagen unter der Leitung von Hermann Max. Sänger: Harry van der Kamp (Achior), Salomé Haller (Amital), Hans Jörg Mammel (Carmi), Nele Gramß (Giuditta), Markus Schäfer (Ozia).[80]
2012: Aufführung beim Festival Terras sem Sombra im Alentejo in der Basilica Real di Castro Verde (Portugal) mit dem Orchestra Sinfonica Portoghese unter der Leitung von Donato Renzetti. Sänger: Raquel Alão, Carmen Romeu, Mikeldi Atxalandabaso, Marifé Nogales, Mário João Alves, Luís Rodrigues.[81]
2007: Aufführung beim SanniOpera Festival im Teatro Romano in Benevento mit dem Orchestra Sinfonica Éufoniarchè unter der Leitung von Francesco Lanzillotta. Sänger: Daniela Del Monaco (Yudith), Irma Culicigno (Ozia), Emy Gasparetto (Chabri), Gianluca Bocchino (Carmi).[82]
Literatur
Elisabeth Birnbaum: Das Juditbuch im Wien des 17. und 18. Jahrhunderts. Peter Lang, 2009, S. 184–227 (teilweise online bei Google Books).
Horst Weber: Mozart und andere. La Betulia liberata-Vertonungen im Vergleich. In: Rainer Cadenbach, Helmut Loos (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte des Oratoriums seit Händel. Festschrift Günther Massenkeil zum 60. Geburtstag. Voggenreiter, Bonn 1986, ISBN 978-3-8024-0146-6, S. 151–178.
↑Metastasio, Pietro in Die Musik in Geschichte und Gegenwart, S. 50861 ff (vgl. MGG Bd. 9, S. 229 ff.) Bärenreiter-Verlag 1986 (Digitale Bibliothek Band 60).