Jutta Heinrich war die Tochter eines Juristen und Unternehmers und einer ausgebildeten Kunstmalerin. Sie wuchs in Bayern auf, besuchte die Schule bis zur mittleren Reife und übte anschließend verschiedene Tätigkeiten im Groß- und Einzelhandel aus. Zunächst arbeitete sie als Betriebsleiterin in der väterlichen Furnier- und Sperrholzfabrik, später auch als Sekretärin, Handelsvertreterin und als selbständige Geschäftsfrau.[2]
Jutta Heinrich gilt als eine prägende Gestalt der feministischen Literatur in Deutschland. Ihre literarischen Werke, besonders die frühen, sind durchzogen von einer radikalen Kritik an der Unterdrückung von Frauen.[3] Damit trugen sie maßgeblich zum Diskurs über weibliches Schreiben, Körperlichkeit von Frauen und feministische Literatur bei und beeinflusste den gesellschaftlichen Diskurs über Frauenrechte.[9] Ihr Schreibstil wurde als experimentell und sprachkritisch beschrieben.[10]
Ihr Debütroman Das Geschlecht der Gedanken (1966) thematisiert die männliche Dominanz in der deutschen Nachkriegsgesellschaft und die Rebellion gegen vorgeschriebene Geschlechterrollen. Mit expressionistischem Sprachstil demonstriert Heinrich, wie sich patriarchale Strukturen in der Sprache und im Innenleben der Menschen eingeschrieben haben.[11] Misstrauen und Ambivalenz gegenüber der Sprache durchziehen viele ihrer Romane wie zum Beispiel Unheimlich, erklärt[10] oder Alles ist Körper:
„Ich bin verrückt und sehnsüchtig nach der Kultur, ihrer Ablagerung, die mir die Stimmen, all die verlorengegangenen Stimmen aus Schreien und Verbotenem in Angemessenheit zurückbringen. Ich bin verrückt nach der Wohlgefälligkeit der Poesie, die mir hinter ihrem Beben, hinter ihrer eingemauerten Unordnung doch ihr Spucken verheißt. Nicht ihre Oberfläche, ihr Blumiges, ihr Sing-Sang der Sinne ist es, es ist ihre Verdorbenheit, die aus dem Wort hängende Zote, die Sekunde der Wahrheit, die die Zähne bleckt; sie ist der Schatten in einer Flut aus Licht, das gegen die Lüge erfunden wurde, die wunderbar und einzig ist, denn sie allein ist der Beweis einer riesenhaften Anstrengung, die einstmals Aufruhr hieß. Ich liebe die Lüge, nur der Aufenthalt in ihr offenbart die Verwestheit der Wahrheit.“ (Jutta Heinrich: Alles ist Körper, 1991)[12]
Neben ihrer literarischen Arbeit engagierte sich Jutta Heinrich in ihren späteren Lebensjahren in der literarischen Jugendarbeit. An Schulen und in Jugendzentren setzte sich besonders für die Sprachvermittlung für Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien ein. Bekannt wurde das Projekt „LIT. Junge Köpfe“ im Jahr 2009, das Schülern durch kreatives Schreiben die Freude an der deutschen Sprache vermitteln sollte.[13] Durch vielfältige Aktivitäten in literarischen Jurys, Weiterbildungsveranstaltungen und Schreibseminaren wurde Jutta Heinrich vor allem in späteren Jahren zu einer Schlüsselfigur der literarischen Nachwuchsförderung in Hamburg.[3]
Das Geschlecht der Gedanken, München 1977 (übersetzt ins Niederländische, Finnische, Dänische und Japanische, verfilmt von Gustav Ehmck unter dem Titel „Josephs Tochter“, deutsch-spanische Produktion 1983)
Eingegangen, Berlin 1987
Im Revier der Worte, Frankfurt am Main 1994
Männerdämmerung, Köln 1989
Mit meinem Mörder Zeit bin ich allein, München 1981 (übersetzt ins Niederländische)
Jutta Heinrich. Texte, Analysen, Portraits. Zeichen und Spuren, Bremen 1985, ISBN 978-3-924588-56-4.
Andreas Di Lenardi: Gewalt ausübende Frauenfiguren in der neueren deutschen Frauenliteratur am Beispiel von Jutta Heinrichs Roman Das Geschlecht der Gedanken. Eine interdisziplinäre Werkinterpretation und Diskursanalyse, 2015, ISBN 978-3734764141.
Dagmar Spooren: Anamnese einer Sadistin: Jutta Heinrichs Das Geschlecht der Gedanken. In: Unbequeme Töchter, entthronte Patriarchen, Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden 2001, ISBN 978-3-663-09070-0.
↑ abPetra Schellen: Feministische Kämpferin gestorben: Rebellin wider den Zeitgeist. In: Die Tageszeitung: taz. 31. Juli 2021, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 10. Dezember 2024]).