Justus Dahinden, Sohn des Schweizer Skipioniers, Schriftstellers und Filmemachers Josef Dahinden, studierte von 1945 bis 1949 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich Architektur, wie auch seinerzeit Max Frisch, Alberto Camenzind und Hans Hofmann. Von 1949 bis 1952 war er Assistent am Lehrstuhl von William Dunkel, bei dem er nach dem Studium auch eine Anstellung fand.[3] Ab 1955 hatte Dahinden ein eigenes Atelier in Zürich. 1956 wurde er mit seiner Arbeit Standortbestimmung zur Gegenwartsarchitektur an der ETH promoviert. 1974 erhielt er einen Ruf als Ordinarius für Raumgestaltung und Entwerfen an die TU Wien. Er wurde gleichzeitig Vorstand des Institutes für Raumgestaltung und Entwerfen an der Technischen Universität Wien.
Er war Mitglied und Ehrenmitglied verschiedener internationaler Organisationen und Vereinigungen, wie beispielsweise der „Groupe International d’Architecture Prospective“ (GIAP) in Paris, der SIAC „Société Internationale d’Artistes Chrétiens“ und des „Colegio De Arquitectos Del Estado De Jalisco AC“ in Mexico, und wurde mit diesen Gremien bekannt. Internationale Beachtung fand das 1984 durchgeführte „Internationale Architektur Symposium ‚Mensch und Raum‘“ an der TU Wien, an dem beispielsweise Bruno Zevi, Dennis Sharp, Pierre Vago, Jorge Glusberg, Otto Kapfinger, Frei Otto, Paolo Soleri, Ernst Gisel, Ionel Schein und andere teilnahmen.
Justus Dahinden wurde im Jahre 1995 emeritiert, war aber gleichwohl noch Leiter der Forschungseinheit Mensch und Raum an der TU Wien. Über sein Wirken an der TU Wien hinaus war Justus Dahinden an verschiedenen Hochschulen und Universitäten in aller Welt als Lehrperson gefragt, wie als Professor an der Universidad de Buenos Aires, und der International Academy of Architecture (IAA) in Sofia / Bulgarien. 2009 wurde sein Büro als neues „IAA Center Zürich“ initiiert, um die International Academy of Architecture weltweit zu unterstützen.
Dahinden war ab 1950 verheiratet; aus der Ehe stammen drei Kinder. Mit seinem Sohn Ivo Dahinden, ebenfalls Architekt, arbeitete er die letzten Jahre zusammen. Für seine Familie und sich baute Justus Dahinden 1971 eine Villa in Zürich-Witikon. Dort lebte er bis 2017.[4] Im April 2020 starb er im Alter von 94 Jahren in einem Pflegeheim in Witikon.[5]
Wirken
Dahinden lieferte ein umfassendes Werk an Kirchen, Freizeitbauten und Büro- und Wohnanlagen und darüber hinaus rationalen, zugleich provokanten architektonischen und städtebaulichen Utopien.[6] Als Mitglied im 1957 gegründeten Bundes der Missionsarchitekten BMA baute er weltweit über 30 Kirchenbauten. Schon Ende der 1960er-Jahre beschäftigte er sich mit Systembauten, wie das im Trigon-Dorf in Zürich umgesetzte aus dreieckigen vorgefertigten Wohnbauten entwickelte Trigon-System. Es folgten weitere wie das Quadrivium-System und das Cubo-System sowie das Bubble-System, das er zusammen mit dem Schalenbauer Heinz Isler für den Iran entwickelte.
Bekannt wurde er mit Bauten wie dem Restaurant Tantris in München und dem ebenfalls in München entstandenen und nach sechs Jahren abgerissenen Schwabylon, einer „stufenpyramidenförmige Freizeitstadt, aussen mit einer aufgehenden Sonne bemalt und mit einer Diskothek in einem Haifischtank im Innern“.[6] Das Ferrohaus (heute Pyramide am See) in Zürich gilt als einer der Meilensteine seiner Architektur. Mit urbanen Stadtstrukturen für morgen entwickelte er die Freizeitwelten «Akro-Polis», «Radio City» und «Kiryat Ono» in Hügelstädten und modernen Pyramiden.[2][7]
Neben gesellschaftsrelevanten Projekten erforschte Justus Dahinden theoretische Grundlagen, aufbauend auf gestaltpsychologischen und philosophischen Erwägungen, Grundbegriffen wie dem „Gesetz der Drei“ (Synthese von Struktur, Gestalt und Geist), der Idee des „Kontextualismus in der Architektur“ (Einheit zwischen Bauwelt, Natur und Mensch) oder der „Philosophie der Schräge“.[8] Die Integration ökologischer (biogenetischer) Aspekte, in architektonische „Archetypen“, war Grundlage seiner Architekturentwürfe, beispielsweise in seinen Stadthügelprojekten. Dahinden hat sich darüber hinaus intensiv mit Archigram und den Metabolisten auseinandergesetzt.
Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, Forschungsarbeiten und Aufsätze über Architekturtheorie und Technik; so sein 2005 erschienenen Buch „Mensch und Raum“. Für seine Bauten und Entwürfe erhielt er zahlreiche internationale Anerkennungen und Preise in Wettbewerben. 1981 wurde ihm der Grand prix d’architecture du Cercle d’études architecturales verliehen.
1981: INTERARCH 81, Weltbiennale der Architektur, Sofia, Auszeichnung und Preis der Stadt Nantes für Wohnbauten im Iran
1983: INTERARCH 83, Weltbiennale der Architektur, Wettbewerb HUMA 2000, Sofia, Auszeichnung und Preis des nationalen Friedenskomitees für Stadthügelprojekte
1985: INTERARCH 85, Weltbiennale für Architektur, Sofia, Auszeichnung für eigene Projekte und Realisierungen
1985: Professor honoris causa der Fakultät für Architektur und Städtebau der Universität von Buenos Aires, der FAU – Facultad de Arquitectura y Urbanismo, Universidad de Buenos Aires
Paris (1967), Salzburg/München (1968), Moskau/London/St. Louis (1969), New York/Lyon (1973), Zürich (1974), Warschau (1975), Lausanne (1976), Moskau/ETH Zürich (1978), Museum of Modern Art New York MOMA (1979), Paris/USA (1981), Mailand/Sofia/Tokio (1985), Buenos Aires (1986/1989), São Paulo/Belo Horizonte (1987), Rom/Moskau/Tiflis (1988), Bratislava, Prag (1991)
„The Fifty World’s Leading Architects“
Architektur-Triennale Belgrad (1985)
Wanderausstellung eigener Werke
1981 bis 1987 Paris, USA, Mailand, Sofia, Tokio, Buenos Aires, São Paulo, Belo Horizonte, Rom
Veröffentlichungen
1956: Standortbestimmung der Gegenwartsarchitektur. Verlag Girsberger, Zürich
1966: Bauen für die Kirche in der Welt. Echter-Verlag, Zürich
1971: Stadtstrukturen für morgen. Verlag Gerd Hatje, Stuttgart, ISBN 3-7757-0011-0
1971: Construire pour l’Eglise dans le monde. Verlag St. Paul, Fribourg
1972: Urban Structures for the Future. Pall Mall Press, New York
1973: Denken-Fühlen-Handeln. Verlag Karl Krämer, Stuttgart und A. Kraft, Lausanne, ISBN 3-7828-1423-1; Monographie
1973: Neue Restaurants. mit Günther Kühne. Verlag Callwey, München, ISBN 3-7667-0292-0
1974: Akro-Polis. Frei-Zeit-Stadt / Leisure City. Verlag Karl Krämer, Bern / Stuttgart, ISBN 3-7828-1018-X
1988: Justus Dahinden – Architektur – Architecture. Verlag Karl Krämer, Stuttgart, ISBN 3-7828-1601-3; Monographie
1991: M… anders /autrement /different. Migros-Zentrum Ostermundigen. Verlag Karl Krämer, Stuttgart, ISBN 3-7828-1608-0
1996: Bruno Webers phantastische Welt: von der Harmonie zwischen Phantasie und Natur; der Weinrebenpark als Gesamtkunstwerk. Weitbrecht, Stuttgart / Wien / Bern 1996, ISBN 3-522-72185-3 / ISBN 3-522-72155-1.
2005: Mensch und Raum – Man and Space. ETH-Bibliothek Zürich (Hrsg.), Verlag Karl Krämer Stuttgart, ISBN 978-3-7828-1614-4 (deutsch/englisch).
2014: Architektur – Form und Emotion. Verlag Karl Krämer Stuttgart, ISBN 978-3-7828-1617-5 (deutsch/englisch).