Julia Vonderlinn wurde in Berlin-Charlottenburg geboren. Während acht Wochen war ihre Mutter mit der Tochter und den beiden Söhnen auf der Flucht. 1947 gelangten sie mittellos in die Schweiz. Nach zehn Jahren erhielt die Familie das schweizerische Bürgerrecht. Julia Vonderlinn besuchte zuerst die Ballettschule im Stadttheater Zürich und in Lausanne. 1962 begann sie ihre Ausbildung zur Schauspielerin in der Schauspielschule Linde Strube.[1] Bereits während ihres Studiums wurde sie 1963 von Walter von Schellenberg für die Titelrolle des Stücks Kleiner Engel ohne Bedeutung von Claude-André Puget engagiert. 1964 begann sie am Stadttheater Luzern unter der Leitung von Horst Gnekow ihr Anfängerengagement, das bis 1966 dauerte. In der Folge wurde sie für zahlreiche Rollen in Musicals, Filmen, im Theater am Hechtplatz, am Opernhaus Zürich, im Bernhard-Theater und am Fernsehen engagiert.
1973 gehörte sie zu den Mitbegründern der Avantgarde-Truppe «Snom & Zasch». Ab 1986 war sie Mitglied der freien Truppe «il soggetto».[2] Die Theatertruppe war von Franziska Kohlund und Buschi Luginbühl gegründet worden, wobei sie damit zweierlei erreichen wollten. Einerseits konnten sie auf diese Weise der hastigen Produktion etablierter städtischer Bühnen entgehen, und Theaterstücke verwirklichen, die ihnen am Herzen lagen. Andererseits vermochte Franziska Kohlund ihren Eltern Margrit Winter und Erwin Kohlund, die ehemals berühmte Schauspieler gewesen waren, weiterhin bedeutende Rollen zuhalten und ihnen so ein Alter in Ehren bereiten. 1991 zog sich Julia Vonderlinn von der Bühne zurück. Bei Irma Streich hatte sie 1987 gelernt, Wandteppiche in der Applikationstechnik zu nähen. In mehreren Ausstellungen präsentierte sie ihre Werke. Für die Rolle der Krankenschwester Ruth in Thomas Hostettlers Chesterfield kehrte sie im Jahr 2000 nochmals ans Theater am Hechtplatz zurück.[3]
Seit 2013 wohnt Vonderlinn mit ihrem Ehemann, Fritz Billeter, in Volketswil, Kanton Zürich, in einer umgebauten Fabrik.
1980: Völlerei von Gerold Späth und Seb. C. Schröder. Regie: Sebastian C. Schröder
1995–1999: Frl. Dr. Schmidlin Fascht e Familie, Serie von Charles Lewinsky; 1. Wahlkampf, Regie: Dalbert Plica. 2. Bwana M’Gogo, Regie: Norbert Schulze. 3. Alles Gute, lieber Rolf, Regie: Stephan Huber. 4. Nie mehr Esoterik, Regie: Norbert Schulze.
Theater (Auswahl)
1963: Engel Myrièle in: Kleiner Engel ohne Bedeutung von Claude-André Puget. Regie: Walter von Schellenberg. Kurtheater Baden und Tournee
1967: Silberhaar in: Silberhaar und Albatross, Bühnenmärchen in drei Akten mit Musik von Leo Nadelmann. Regie: Leo Nadelmann. Opernhaus Zürich
1973: Mit der Truppe Snom & Zasch (Peter Schweiger, Daniel Fueter, Werner Bärtschi, Beatrice Rolli, Julia Vonderlinn) verschiedene Avantgarde-Konzerte. Zürich, Wien, Aarau
1974: Betty in: s’Riibise von Barillet und Grédy. Regie: Franz Matter. Hechtplatz-Theater, Zürich
1975: Lelia in: Und sie legen den Blumen Handschellen an von Fernando Arrabal. Regie: Jean Grädel. Theater Claque Baden, Theater Chur
1976: Originale, Sechs-Stunden-Konzert von Karlheinz Stockhausen. Theater 11 Zürich, Interpretin von Kurt SchwittersHusten-Scherzo, Nies-Scherzo, Obervogelgesang
1976: Rosenthal-Feierabendhaus, Deutschland Musik für ein Gropius-Haus, Lautgedichte vorgetragen. Kurt Schwitters: Largo aus Ursonate, Scherzo aus Ursonate, Karlheinz Stockhausen: diff-daff / ba-u, Kurt Schwitters: Niss-Scherzo, Husten Scherzo, Obervogelgesang.
1978: Carmen in: Rabeneck von Hans Gmür. Regie: Richard Münch. Hechtplatz-Theater Zürich
1986: Zofe Anne in: Mary Stuart von Wolfgang Hildesheimer. Theatertruppe il soggetto. Regie: Franziska Kohlund. «Rössli» Stäfa und Tournee
1987: Miriam in: Tokio Hotel von Tennessee Williams. Regie: Christian Kraut. Bremgartner Spittel-Theater
1988: Silly Dünkel, Ezechiel Schlitzer in: Juxtitia von Ben Jonson. Theatertruppe il soggetto. Regie: Franziska Kohlund. Opernhaus Zürich und Tournee
1989: Alka in: Philemon und Baukis von Leopold Ahlsen. Theatertruppe il soggetto. Regie: Franziska Kohlund. «Rössli» Stäfa, Moskau, Riga / Lettland und Tournee
1989: Verschiedene Rollen in: Mr. Pilk’s Madhouse von Leopold Ahlsen. Theatertruppe il soggetto. Regie: Franziska Kohlund. Theaterhaus Gessnerallee, Zürich und Tournee
1990: Regan in: King Lear von William Shakespeare. Theatertruppe il soggetto. Regie: Franziska Kohlund. Theaterhaus Gessnerallee, Zürich
1991: Anna in: Und ich von Maria Pacôm und Urs Widmer. Regie: Rolf Lyssy. Hechtplatz Theater, Zürich
Musical
1974: Lussy in: Holiday in Switzerland von Karl Suter, Hans Gmür und Max Rüeger. Regie: Karl Suter. Corso Theater. Zürich
1977: Verschiedene Rollen in: Happi Börsday von Hans Gmür. Regie: Karl Suter. Stadthof 11, Zürich
Zitate aus Theater-, Fernsehen- und Musicalkritiken
«… Vom Engelchen Myrièle der Juliana Vonderlinn ging jene geheimnisvolle Vibration aus, die das Publikum und die übrigen Darsteller mitriss. […] Wer […] ein paar Tränen in die Augen bekam, der brauchte sich ihrer nicht zu schämen. Juliane Vonderlinn zwang mit ihrer Kunst zur Teilnahme und zur Anteilnahme. …».[7]
«… Die eigentliche Überraschung des Abends in schauspielerischer Hinsicht war Juliane … Eine naive Komödiantin voller Schalk und einem natürlich wirkenden Charme. Sie ist voller seelischer Präsenz …»[8]
Beatrice von Matt: «Als Komödiantin par excellence erwies sich Juliana Vonderlinn, welche Cuca, die differenzierteste Gestalt des Dramas, spielte. Sie verfügte über einen erstaunlichen Reichtum von Tönen und wirkte lange als unfassbares, ebenso naives, wie überlegenes, wie ebenso grausames, wie gütiges Monster, das bei seiner äusserlichen Zartheit und Kindlichkeit um so mehr irritierte.»[9]
Hans Heinz Holz: «Juliana Vonderlinn, die mit harter heiserer Stimme eine von Hysterie geschüttelte junge Frau spielte, die durch und durch von Bosheit zerfressen ist – eine Lady Macbeth im Vorstadtformat.»[10]
Bruno Schnyder: «… Julia Vonderlinn soll an dieser Stelle für ihre Glanzleistung ganz besonders erwähnt werden, denn die Ausdruckskraft ihrer Stimme und ihrer Bewegungen sind wohl unübertreffbar.»[11]
«Vergnüglich ist es auch zu beobachten, wie Julia Vonderlinn die zwischen Verklemmtheit und Neugier schwankende Tochter mit Sinn für Komisches und Komödiantisches zeichnet.»[12]
«Der Film lebt ausschliesslich von den schauspielerischen Fähigkeiten der Hauptdarstellerin Julia Vonderlinn. Sie verkörpert glaubhaft eine selbstbewusste, moderne, emanzipierte Frau, die weiss, was sie will.»[13]
«Besonders angenehm fällt Julia Vonderlinn auf, beherrscht sie doch mit Charme und Talent das Tanzen, Singen und Darstellen.»[14]
Ausstellungen
1993: Wandteppiche von Julia Vonderlinn, Bernhard Theater, Zürich
1994: «Traum und Trauma», Galerie Siebzehn, Wädenswil
1995: Wandteppiche Julia Vonderlinn, Puschkin / St. Petersburg
↑Katharina Erizar: Il Soggetto, Stäfa/Zürich ZH. In: Theaterlexikon der Schweiz. Bd. 2. Chronos Verlag, Zürich 2005, S. 897––989, abgerufen am 1. November 2020.
↑Jean Grädel: Julia Vonderlinn. In: Andreas Kotte (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz. Bd. 3. Chronos Verlag, Zürich 2005, S. 2025–2026.
↑SRF Kultur Extra: Beitrag der Antenne zu «Das Landhaus», 1969. 1964 übernimmt Kurt Früh die Leitung des Ressorts Theater im Schweizer Fernsehen. 1969 dreht Früh die fünfteilige Krimi-Serie «Das Landhaus». 23. März 2015, abgerufen am 31. März 2021.
↑Kleiner Engel ganz gross. In: Aargauer Volksblatt. 22. April 1963. Stück: Kleiner Engel ohne Bedeutung von Claude-André Puget, Kurtheater Baden und Tournee.
↑Vom Wechselspiel der Liebe. In: Freie Innerschweiz. 1965.
↑Beatrice von Matt. In: Vaterland. 13. November 1969. Stück: Die Nacht der Mörder von José Triana. Theater an der Winkelwiese, Zürich, November 1969.
↑Hans Heinz Holz. In: National-Zeitung. Basel Nr. 520, S. 11, November 1969. Stück: «Die Nacht der Mörder» von José Triana. Theater an der Winkelwiese, Zürich, November 1969.
↑Sunnegrund – Happy-End in der Scheune. In: Anzeiger von Uster. Fernsehfilm: «Im Sunnegrund», Regie: Karl Suter. Autoren: Eva Reichard und Hans Gmür, 1976.
↑Holiday in Switzerland. In: Die Tat. Musical: «Holiday in Switzerland», Regie: Karl Suter, Autoren: Karl Suter, Hans Gmür und Max Rüeger, 1975.