Johann SchneideweinJohann Schneidewein, auch: Johannes Schneidewind, Schneidewin und Ioannes Schneidewinius oder gräzisiert: Oinotomos (* 20. Dezember 1519 in Stolberg (Harz); † 4. Dezember 1568 in Zerbst), war ein deutscher Jurist, Ziehsohn und Schüler[1] Martin Luthers, schwarzburgischer Kanzler, Rektor der Universität Wittenberg und Vertreter des Kurfürsten von Sachsen am Reichskammergericht in Speyer. Sein Hauptwerk, ein Kommentar zu den Institutionen, der ab 1571 nach seinem Tod, 1573 auch von seinem Lehrstuhlnachfolger in Wittenberg Matthias Wesenbeck herausgegeben wurde, fand europaweite Verbreitung und erlebte in zwei Jahrhunderten mehr als achtzig Auflagen. Die Aufnahme und Bearbeitung des gesamten gemeinen und kanonischen Rechts, der Reichsabschiede, der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. sowie des sächsischen Rechts verleihen dem Werk eine allumfassende Bedeutung in Form einer Gesamtbearbeitung des damaligen Rechts der protestantischen Lehre.[2] Er ist einer der Mitverfasser der Kursächsischen Konstitutionen von 1572, welche bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen 1863 fast 300 Jahre Bestand hatten. Sein älterer Bruder Heinrich Schneidewein (Schneidewin(d)) war ebenfalls Jurist, einer der ersten Juraprofessoren und Rektoren der damals neu gegründeten protestantischen Universität Jena sowie sachsen-weimarischer Kanzler in Weimar und schwarzburg-sondershäusischer Kanzler in Arnstadt.[3] LebenJohann Schneidewein wurde als Sohn des gräflich stolbergischen Rates und vormaligen Rentmeisters Heinrich Schneidewein (auch Heinrich Schneidewin und Heinrich Snydewint, * um 1457 in Wiehe; † 1530 in Stolberg), der ein vertrauter Freund Martin Luthers war, und seiner Frau Ursula Schweinfurt (1485–1549) 1519 in Stolberg geboren.[4] Er immatrikulierte sich bereits in seinem zehnten Lebensjahr 1529 an der Universität Wittenberg. Dort fand er für fast zehn Jahre als Hausgenosse – wie auch sein älterer Bruder Heinrich[5], der spätere deutsche Jurist, Juraprofessor, Rektor der Universität Jena sowie sachsen-weimarischer Kanzler in Weimar und schwarzburgisch-sondershäusischer Kanzler in Arnstadt – seit dem Jahre 1523/24[6] durch Vermittlung seines Vaters im Hause Martin Luthers Aufnahme.[3] Dadurch lernte er unter anderem Philipp Melanchthon, Justus Jonas den Älteren und Johannes Bugenhagen kennen. Besonders aber von Veit Dietrich gefördert absolvierte er zunächst ein Studium der sieben freien Künste. So vorgebildet widmete er sich einem Studium der Rechtswissenschaften. Luther riet ihm und vermittelte ihm sehr ernsthaft, entgegen dem Wunsch seiner Mutter, sich im Alter von zwanzig Jahren mit Anna Döring, der Tochter des angesehenen Wittenberger Druckers und Verlegers Christian Döring zu verheiraten, der zusammen mit dessen Geschäftspartner Lucas Cranach dem Älteren das Septembertestament Luthers von 1522 und weitere Werke Luthers verlegte und mit dessen Wagen und Pferden Luther auch zum Reichstag nach Worms gebracht worden war.[7] So zog Schneidewin aus dem Lutherhaus aus und konnte 1545 (oder bereits 1544) durch ein emsiges Studium den akademischen Grad eines Lizentiaten der Rechtswissenschaft erwerben. Daraufhin erhielt er das Amt des Kanzlers am Hof des Grafen Günther von Schwarzburg in Arnstadt. Dennoch begab er sich nach vier Jahren wieder nach Wittenberg, wo ihm 1551 eine ordentliche Professur der Rechte übertragen wurde. Als Professor der Institutionen promovierte er zum Doktor der Rechtswissenschaften und vermittelte als solcher im Wesentlichen den Stoff seiner geistigen Lehrer Hieronymus Schurff, Kilian Goldstein und Melchior Kling. Bald wurde er Appellationsrat, übernahm eine Stelle am Schöppenstuhl und war auch in kurfürstlichen Angelegenheiten aktiv. So war er 1557 Vertreter des Kurfürsten am Reichskammergericht in Speyer, legte Streitigkeiten des Landgrafen von Hessen bei und verwaltete auch das Rektorat der Akademie in Wittenberg. Gesundheitlich angegriffen reiste er mit Michael Teuber im Winter 1568 nach Zerbst, um dort den Rat in rechtlichen Angelegenheiten zu beraten. Man fand ihn am Morgen des 4. Dezember tot in seinem Bett auf und überführte den Leichnam am Folgetag nach Wittenberg, wo er am 6. Dezember in der Schlosskirche Wittenberg, unweit des Luthergrabes, beigesetzt wurde. Lehre und WerkSein Hauptwerk ist ein Kommentar zu den Institutionen, der 1571 im angesehenen Verlag Rihelius in Straßburg erschien und 1573 auch von Matthias Wesenbeck herausgegeben wurde. Das Werk erlebte in zwei Jahrhunderten mehr als achtzig Auflagen und erschien in Straßburg, Venedig, Frankfurt am Main, Köln, Wittenberg, Genf und Lyon teilweise unter Nennung des Verfassers Johann Schneidewein (Schneidewind) unter dessen griechischem Autorennamen Oinotomos. Seine Werke fanden Verbreitung in ganz Europa und fanden Aufnahme in den Universitäts- und Stadtbibliotheken u. a. von Budapest, Rom, Lyon, London, neben zahlreichen deutschen Bibliotheken.[3] Die Aufnahme und Bearbeitung des gesamten gemeinen und kanonischen Rechts, der Reichsabschiede, der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. sowie des sächsischen Rechts verleihen dem Werk ein allumfassendes Wesen in Form einer Gesamtbearbeitung des damaligen Rechts der protestantischen Lehre.[8] Es ist in jüngster Vergangenheit im Jahr 2004 in einem Neudruck mit einem Vorwort von Professor Gunter Wesener wieder erschienen, wobei die Bedeutung des Kommentars für die Einführung des römisch-gemeinen Rechts in die österreichische Rechtswissenschaft, Lehre und Praxis im 17. Jahrhundert besonders bemerkt wird.[9] Diesen Neudruck mit Vorwort wiederum bespricht Professor Gerhard Köbler, der die Bedeutung Johann Schneidewins für die methodische Entwicklung des Privatrechts unterstreicht sowie dessen Einwirken auf die Entstehung der Kursächsischen Konstitutionen und das Württembergische Landrecht.[10] Von Melanchthon beeinflusst versucht Schneidewein in seinem Kommentar Analyse und Synthese zu verbinden. Dabei verwirft er nicht die Glosse und Kommentare, macht jedoch von diesen nur einen beschränkten Gebrauch. Johann Schneidewind ist einer der Mitverfasser der Kursächsischen Konstitutionen von 1572, welche bis zur Einführung des Sächsisches Bürgerlichen Gesetzbuches 1865 fast 300 Jahre Bestand hatten. Weiterhin nahm er durch seine Arbeiten Einfluss auf das Württembergische Landrecht, welches ebenfalls eine bedeutende Gesetzgebung des 16. und 17. Jahrhunderts darstellt.[3] Ein Teil der Lehre Schneidewins wurde von der Inquisition, insbesondere zuerst in Parma 1580, später auch in Spanien und in Venedig, beanstandet und sein Kommentar in die Indices librorum prohibitorum Clemens VIII., Innozenz XI. sowie Gregors XVI. aufgenommen. Seine in Venedig erschienenen Ausgaben wurden von dem Jesuiten und päpstlichen Legaten Antonio Possevino zensiert.[3] Beanstandet wurde, dass Schneidewin die Konstantinische Schenkung als Fiktion ansah und so den Machtanspruch der römischen Kurie bestritt. Weiter wurde beanstandet, dass Schneidewin sich bei schweren Verbrechen gegen das nach kanonischem Recht zulässige Kirchenasyl aussprach. Schneidewin begründet dies mit einer Stelle aus dem Matthäusevangelium, wo berichtet wird, dass Jesus Händler aus dem Tempel gejagt habe; wenn er schon diese verjagen würde, so Schneidewin, würde er erst recht Räuber und Mörder dort nicht dulden. Schließlich wurden noch seine Ausführungen zum Eherecht beanstandet, die teilweise nicht mit dem kanonischen Recht übereinstimmen, insbesondere da die Scheidung in bestimmten Fällen anerkannt wird, wobei Schneidewin hier, in Fragen des Familien und Ehescheidungsrechts, den reformatorischen Standpunkt seines Lehrers und Ziehvaters Luther vertrat. FamilieSchneidewein verheiratete sich am 31. August 1539 in Wittenberg mit Anna Döring (* ± 1522 in Wittenberg † 21. Oktober 1572 ebenda), der Tochter des Verlegers Christian Döring. Aus der Ehe sollen 16 Kinder, nach anderen Quellen bis 18 Kinder stammen, von welchen neun Kinder den Vater überlebten. Von den Kindern kennt man:
Viele Nachkommen Johann Schneideweins waren in der Goldenen Aue in der Schreibweise des Familiennamens als Schneidewin(d) als Rittergutsbesitzer, Bürgermeister und stolbergische Amtmänner, beispielsweise u. a. in Heringen/Helme, Auleben, Kelbra und Rottleben, ansässig.[3] Zwei seiner Nachkommen wurden später in den erblichen Adelsstand erhoben: Benjamin Schneidewin, Herr auf dem Rittergut Rottleben, wurde am 5. März 1716 vom Kaiser bzw. am 5. Mai 1716 durch den Fürsten Ludwig Friedrich I. von Schwarzburg-Rudolstadt in seiner Funktion als Kaiserlicher Hofpfalzgraf in den erblichen Adelsstand erhoben; am 21. August 1909 und am 16. April 1910 wurde Gustav Schneidewind, Fürstlich schwarzburgischer Oberforstmeister und königlich preussischer Regierungs- und Forstrat a. D. der Adel bestätigt und erneuert.[11] Eine weibliche Nachkommin Johann Schneideweins, Ferdinande Schneidewind, ehelichte den Rittergutsbesitzer Wilhelm von Schlotheim auf Uthleben und Auleben in der Goldenen Aue.[12][13] Auch dessen Sohn Thilo Freiherr von Schlotheim, Rittergutsbesitzer auf Uthleben und Auleben und königlich preußischer Oberst, ehelichte wiederum mit Marie Schneidewind ebenfalls eine direkte Nachkommin des Wittenberger Juraprofessors Johann Schneidewind.[14][15] Johann Schneideweins Bruder Heinrich Schneidewein (Schneidewind) war Jurist, einer der ersten Juraprofessoren und Rektoren der neu gegründeten Universität Jena sowie sachsen-weimarischer Kanzler in Weimar und schwarzburgisch-sondershäusischer Kanzler in Arnstadt.[3] Die Nachkommen beider Brüder führten den Familiennamen durchgehend wieder in der Form der Schreibweise Schneidewind.[16] Werkauswahl
Literatur
WeblinksCommons: Ioannes Schneidewinius – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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