Jesus und die EhebrecherinDie Perikope über Jesus und die Ehebrecherin steht in den Versen 7,53–8,11 des Johannesevangeliums und beschreibt eine Konfrontation zwischen Jesus und den Schriftgelehrten und Pharisäern zu der Frage, ob eine Frau, die soeben beim Ehebruch ertappt wurde, gesteinigt werden muss. Obwohl die Geschichte mit vielen Begebenheiten der Evangelien übereinstimmt und relativ einfach ist (die Didaskalia Apostolorum bezieht sich auf sie, Papias wahrscheinlich ebenso), fehlt sie in vielen Handschriften, darunter den ältesten des Johannesevangeliums, weshalb die meisten Gelehrten übereinstimmen, dass sie im ursprünglichen Johannesevangelium nicht enthalten war.[1] Die griechischen Standardtexte des Johannes, wie auch fast alle modernen Übersetzungen, markieren die Passage mit doppelten Klammern – [[…]] –, um diese Ansicht anzuzeigen. Auch wenn also wahrscheinlich ist, dass der Text nicht im ursprünglichen Johannesevangelium zu finden war, gilt: „Die Geschichte als solche ist sehr alt und war schon zu Anfang des 2. Jahrhunderts bekannt.“[2] Dieser Befund ist unbestritten, unabhängig von der Frage, auf welchem Weg der Abschnitt an seinen heutigen biblischen Ort gelangt ist. Die Wendung „den ersten Stein werfen“ aus Vers 7 dieser Passage ist als geflügeltes Wort zur Beschreibung selbstgerechten Verhaltens in viele Sprachen eingegangen. Die Passage in der BibelJohannes 8,1–11 ELB in der Elberfelder Bibel:
TextgeschichteDie Perikope findet sich in keinem der ältesten griechischen Evangelienmanuskripte an seinem kanonischen Platz, weder auf den beiden Zeugnissen für Johannes aus dem 3. Jahrhundert – P66 und P75, noch im Codex Sinaiticus und Codex Vaticanus aus dem 4. Jahrhundert. Das erste verfügbare griechische Manuskriptzeugnis für die Perikope ist die lateinisch/griechische Diaglotte Codex Bezae des fünften Jahrhunderts. Papias (um 125 n. Chr.) bezieht sich auf eine Geschichte mit Jesus und einer Frau, die man „vieler Sünden beschuldigte“, die im Hebräerevangelium zu finden sei. Dies mag sich auf diese Passage beziehen. Agapios von Hierapolis zitiert (um 942) aus Papias’ heute großteils verschollenem Buch (ca. 95–120) zum Johannesevangelium, eine abgekürzte Version der Perikope. Papias’ Version unterscheidet sich in einigen Aspekten von der Standardfassung; am deutlichsten wird der Unterschied bei der Herausforderung Jesu an die Meute, die bei Papias lautet: „Derjenige von Euch, der sich gewiss ist, selbst unschuldig zu sein in Bezug auf die Sünde, derer sie bezichtigt ist, lasst ihn gegen sie aussagen mit dem Beweis, dass er selbst [unschuldig] ist.“[3] Es gibt einen bestimmten Bezug zur pericope adulterae in der syrischen Didaskalia Apostolorum aus dem 3. Jahrhundert. Allerdings ist nicht angegeben, in welchem Evangelium, wenn überhaupt, diese Begebenheit berichtet wird. Bis vor kurzem dachte man nicht, dass einer der griechischen Kirchenväter vor dem 12. Jahrhundert Notiz von dieser Passage genommen hätte. Doch 1941 wurde in Ägypten eine große Sammlung von Schriften von Didymus dem Blinden (ca. 313–398) entdeckt, einschließlich eines Bezugs zur Pericope adulterae, die in „einigen Evangelien“ zu finden sei. Man nimmt nunmehr an, dass diese Passage an ihrem kanonischen Platz in einigen wenigen griechischen Manuskripten in Alexandria vom 4. Jahrhundert an bekannt war. Um diese Annahme zu stützen, wird darauf hingewiesen, dass der Codex Vaticanus aus dem 4. Jahrhundert, der in Ägypten geschrieben wurde, das Ende von Johannes Kapitel 7 mit einem „Umlaut“ kennzeichnet, was anzeigt, dass eine andere Lesart zu diesem Zeitpunkt bekannt war. Hieronymus berichtet, dass die Pericope adulterae an ihrem kanonischen Platz in „vielen griechischen und lateinischen Manuskripten“[4] in Rom und dem lateinischen Westen im späten 4. Jahrhundert gefunden werden konnte. Das wird durch den Konsens der lateinischen Väter des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. bestätigt, einschließlich Ambrosius und Augustinus. Letzterer bemängelte, dass diese Passage unrichtigerweise in einigen Manuskripten entfernt wurde, um den Eindruck zu vermeiden, Christus habe Ehebruch sanktioniert:
Geschichte der Textkritik an Johannes 7,53–8,11Während des 16. Jahrhunderts versuchten westeuropäische Gelehrte – sowohl Katholiken als auch Protestanten – den griechischen Text des Neuen Testaments wiederherzustellen. Sie suchten die „richtigste“ oder am wenigsten veränderte Textvariante, anstatt sich auf die lateinische Übersetzung der Vulgata zu verlassen. Zu dieser Zeit wurde bemerkt, dass eine Anzahl früher Manuskripte des Johannesevangeliums die Verse von Johannes 7:53–8:11 nicht enthielten. Selbst jene Manuskripte, die sie enthielten, hatten sie mit kritischen Zeichen markiert, normalerweise mit einer Lemniskate oder einem Asterisk. Die Gelehrten bemerkten ebenfalls, dass in den Lektionaren der griechischen Kirche die Lesungen der Evangelien zu Pfingsten von Johannes 7:37 bis 8:12 gehen, aber die zwölf Verse dieser Perikope ausgelassen werden. Zu den ersten, die kritische Anmerkungen an den Alexandrinischen Text systematisch hinzufügten, gehörte Origenes:[6]
Frühe Textkritiker, die mit der Benutzung und Bedeutung dieser Markierungen in den klassischen griechischen Werken wie Homer vertraut waren, interpretierten jene Zeichen an Johannes 7,53–8,11 daher als Interpolation des Textes und nicht ihren ursprünglichen Inhalt. Hinweise in den HandschriftenSowohl das Novum Testamentum Graece (NA27) als auch die United Bible Societies (UBS4) bieten den kritischen Text der Perikope, jedoch markieren sie ihn mit [[Doppelklammern]], um anzuzeigen, dass diese Passage als spätere Einfügung in den Text angesehen wird.[7] Dennoch ordnet UBS4 die Rekonstruktion der Wortwahl der Perikope als { A } ein. Das bedeutet, dass man sich „sehr sicher“ ist, den ursprünglichen Text der Einfügung wiederzugeben.
Historischer WertOb die Geschichte auf ein reales Ereignis im Leben Jesu zurückgeht, ist nicht unumstritten. Falls sie keinen historischen Kern hat, ist sie „vermutlich anfangs des 2. Jahrhunderts, aus Protest gegen eine immer strengere Bußpraxis in der Alten Kirche entstanden.“[8] Gegen die Historizität des Ereignisses spricht beispielsweise, dass die römische Besatzungsmacht in Palästina zur Zeit Jesu den jüdischen Gerichten die Berechtigung, Todesurteile zu fällen, entzogen hatte. Der Exeget Walter Klaiber, Herausgeber der Kommentarreihe Die Botschaft des Neuen Testaments sieht aber gute Gründe, die für ein im Kern historisches Ereignis sprechen: „Die inhaltliche Nähe zu der Geschichte von der »großen Sünderin« in Lk 7,36–50 spricht dafür. Es dürfte auch schwerfallen, in der frühen Kirche eine theologische Richtung zu finden, die eine solch liberale Haltung vertrat. Dagegen gibt es gerade aus Jerusalem Berichte über Lynchjustiz durch Steinigung […] Vor allem aber weist die Aussage in V. 7: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie […] alle Merkmale eines echten Jesus-Wortes auf.“[8] RezeptionDie Szene wurden von vielen Malern aufgegriffen, darunter Giovanni Francesco Barbieri, Pieter Bruegel der Ältere, Antoine Caron, Lucas Cranach d. Ä., Hans Kemmer, Nicolas Poussin und Jacopo Tintoretto. Eines der Gemälde zum Thema, das erst Tintoretto, aber mittlerweile Hans Rottenhammer zugeschrieben wurde, diente als Inspiration für die Erzählung L’Adultera von Theodor Fontane. Einzelne Darstellungen:
Siehe auchLiteratur
WeblinksCommons: Jesus Christ and the woman taken in adultery – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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