Janet Flanner war die jüngste Tochter des Bestatters und ersten Krematoriumbesitzers im Bundesstaat Indiana, Frank Flanner und seiner Ehefrau Mary. Ihre Familie gehörte der sittenstrengen, aber sozial stark engagierten Religionsgemeinschaft der Quäker an. Im Jahre 1912 studierte Flanner an der University of Chicago und im selben Jahr nahm sich ihr Vater das Leben. Nach zwei Jahren brach sie das Studium ab, um in einer Besserungsanstalt für Mädchen zu arbeiten. Im Jahre 1916 kehrte sie in ihre Heimatstadt Indianapolis zurück, um als Journalistin bei der Zeitung Indianapolis Star zu arbeiten. Ende der 1910er Jahre floh Janet Flanners aus der Gemeinschaft und heiratete 1918 ihren ehemaligen Kommilitonen William Lane Rehm, der nach dem Studium nach New York gezogen war. Das Ehepaar lebte im Künstlerviertel Greenwich Village und Flanner fand schnell Kontakt zu Künstlerkreisen und engagierte sich in der Frauenwahlrechtsbewegung. Ende 1919 ging Janet Flanner mit Solita Solano (eigentlich: Sarah Wilkinson), die als Theaterkritikerin bei der New York Tribune und freiberufliche Schriftstellerin bei National Geographic Society arbeitete, eine lesbischeLiebesbeziehung ein.
Im Jahre 1932 hatte Flanners eine längere Affäre mit der Sängerin Noël Haskins Murphy und lebte mit ihr in Passy bei Paris. Die Ménage à trois hielt bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs an, sie endete mit der Flucht von Flanner und Solita Solano nach New York, wo sie am 5. Oktober 1939 eintreffen.[2] Ein Jahr später traf Janet Flanner auf einer Party in Manhattan die 38-jährige Italienerin Natalia Danesi Murray, die als Repräsentantin des Mailänder Verlag Arnoldo Mondadori Editore arbeitete. Es war der Beginn einer leidenschaftlichen Liebesbeziehung zwischen beiden; doch die Beziehung zu Solita Solano zerbrach endgültig. Nach der Befreiung durch die Alliierten kehrt sie im November 1944 mit einem amerikanischen Armeeflugzeug als offizielle Kriegskorrespondentin nach Europa zurück. Im Dezember 1945 geht sie nach Deutschland und berichtet für die Zeitschrift The New Yorker über die Nürnberger Prozesse. In den folgenden Jahren lebt sie wieder in ihrer Wahlheimat Paris und berichtet u. a. aus Rom, Amsterdam, Wien, Warschau und verschiedenen Orten Deutschlands.
Janet Flanner starb 86-jährig im Kreis ihrer Familie in New York City und wurde auf Fire Island bestattet.
Legendäre Frauen und ein Mann. Transatlantische Porträts. Mit einem Nachwort von Klaus Blanc. Antje Kunstmann, München 1993, ISBN 3-88897-078-4. Enthält einen längeren, kritisch-boshaften Essay über Thomas Mann (S. 53–92)
Paris, Germany. Reportagen aus Europa 1931–1950. Mit Fotografien von Werner Bischof zusammengestellt von Klaus Blanc. Antje Kunstmann, München 1992, ISBN 3-88897-059-8
Literatur
Maren Gottschalk: Der geschärfte Blick – Sieben Journalistinnen und ihre Lebensgeschichte. Beltz und Gelberg, Weinheim 2001, ISBN 3-407-80881-X
William Murray: Janet, My Mother, and Me. A Memoir of Growing Up With Janet Flanner and Natalia Danesi Murray. Simon & Schuster Books, 2000
Andrea Weiss: Paris war eine Frau. Die Frauen von der Left Bank. Djuna Barnes, Janet Flanner, Gertrude Stein & Co. Neuausgabe. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 978-3-499-24224-3
Brenda Wineapple: Genet: A Biography of Janet Flanner. University of Nebraska Press 1992, ISBN 0-8032-9740-8
Uwe Neumahr: Jannet Flanners provokante Kritik an Hermann Görings Verhör. In: Das Schloss der Schriftsteller. Nürnberg '46. Treffen am Abgrund. München: C. H. Beck, 2023, S. 147–163